Wework-Insolvenz verschärft Immobilienkrise
Wework-Insolvenz verschärft Immobilienkrise
Büroplattform kann Verträge mit US-Vermietern einseitig aufkündigen – Furcht vor internationalen Schockwellen
Die Wework-Insolvenz droht laut Analysten Schockwellen durch den ohnehin angeschlagenen Gewerbeimmobilienmarkt zu senden. Denn das zahlungsunfähige Unternehmen ist der größte Büromieter in Metropolen wie London und New York. In den USA kann es Verträge mit Gebäudeeignern nun einseitig aufkündigen.
hip/xaw London/New York
Nach dem gewaltigen Cash Burn der vergangenen Jahre ist das einst wertvollste US-Start-up ausgebrannt: Am Montagabend hat der Bürovermieter Wework in New York einen Antrag auf Gläubigerschutz nach Chapter 11 eingereicht. Die Insolvenz droht laut Analysten zusätzliche Schockwellen durch den ohnehin angeschlagenen US-Gewerbeimmobilienmarkt zu senden.
"Wir besitzen jetzt die Möglichkeit, Mietverträge in den Vereinigten Staaten und Kanada einseitig aufzukündigen", betonte CEO David Tolley. Bei 50 bis 100 Vereinbarungen will das Unternehmen Gebrauch von dieser Option machen. Zudem besitzt Wework laut Tolley nun ein neues Druckmittel, um Konditionen weiterer Mietverträge neu auszuhandeln.
Aggressive Expansion
Die einst mit 47 Mrd. Dollar bewertete Plattform expandierte über Jahre aggressiv. Doch spätestens 2019 kamen bei Investoren Zweifel am Geschäftsmodell auf, Büroflächen langfristig anzumieten und kurzfristig weiter zu vermieten. Dem Rivalen Workspace beispielsweise gehören die Immobilien, die er als flexibel nutzbare Büros anbietet. Zudem war ein Schreibtisch für einen Monat bei Wework an drei Londoner Standorten zuletzt jeweils doppelt so teuer wie bei Regus oder Workspace, wie die US-Investmentbank Stifel mit Hilfe des Datenanbieters Hubble HQ ermittelte.
Ein angepeilter Börsengang von Wework war infolge zunehmender Anlegerbedenken bereits 2019 geplatzt, Gründer Adam Neumann trat darauf vom CEO-Posten zurück. Im Oktober 2021 debütierte Wework durch Rückwärtsfusion mit einer Mantelgesellschaft (Spac) zu deutlich reduzierter Bewertung doch noch in New York.
Talfahrt nach Homeoffice-Trend
Zu diesem Zeitpunkt hatten die Corona-Pandemie und der Homeoffice-Trend die Nachfrage auf der Büroplattform bereits deutlich einbrechen lassen. Durch den Leerstand teuer angemieteter Büroräume verbrannte Wework quartalsweise regelmäßig liquide Mittel im Volumen von mehr als 500 Mill. Dollar. Zwischen dem IPO und dem Insolvenzantrag radierte die Aktie rund 98% ihres Wertes aus.
Der Wert der Aktien wird nun weiter verwässert, da große Gläubiger einer Umwandlung von 3 Mrd. Dollar an Krediten in Eigenkapitalbeteiligungen zugestimmt haben. In einem beim Insolvenzgericht eingereichten Antrag wies Wework Assets von 15,06 Mrd. Dollar bei einer Verschuldung von 18,65 Mrd. Dollar aus.
Portfolio-Reduktion angestrebt
Große Teile davon setzen sich aus Verpflichtungen aus langfristigen Mietvereinbarungen zusammen. Wework versucht zwar seit Jahren, Verträge aufzulösen oder Konditionen neu auszuhandeln. Aktuell weist das Unternehmen 660 Standorte in 37 Ländern aus. Gemäß Restrukturierungsplan steht nun also eine weitere umfangreiche Reduktion des Portfolios an.
Diese wird den Gewerbeimmobilienmarkt nach Ansicht von Analysten in einer besonders empfindlichen Phase treffen. Die Bürobelegungsquote in zehn US-Metropolen ist laut dem Datendienstleister Kastle im Oktober auf durchschnittlich 50% gefallen, nachdem sie zuvor leicht geklettert war. Dies führt zu einer Werterosion bei Gewerbeimmobilien.
Die Folge sind Liquiditätsengpässe, auch Vermieter wie die Allianz-Tochter Pimco haben 2023 Defaults auf Milliardenkredite hingelegt. Die Quote an Zahlungsausfällen im Bürosegment ist laut dem Datendienst Trepp im Oktober auf 5,75% gesprungen, im Januar lag sie bei 1,83%. Zudem müssen laut dem Assetmanager American Century in den nächsten drei Jahren US-Gewerbeimmobilienkredite über rund 1,5 Bill. Dollar zu höheren Zinsen refinanziert werden.
Größter Büromieter Londons
Auch international löst die Wework-Insolvenz in diesem Umfeld Besorgnis aus. Wework arbeitet zwar seit einiger Zeit daran, ihr Portfolio in Großbritannien zu verkleinern. Trotzdem ist das Unternehmen „City A.M.“ zufolge in London der größte Mieter von Büroflächen. Der Immobilienfachinformationsdienst Costar News hat nachgerechnet: Wework belegt in der britischen Metropole knapp 270.000 Quadratmeter in 36 Gebäuden.
Im Rest des Landes sind es gut 39.000 Quadratmeter, die sich über Birmingham, Cambridge, Edinburgh und Manchester verteilen. In der irischen Hauptstadt Dublin sind es rund 17.500 Quadratmeter in vier Gebäuden. Unter den Vermietern finden sich Almacantar, M&G und Nuveen. Keiner habe gleich mehrere Gebäude an das Unternehmen vermietet.
Vorgeschmack auf Chaos
Derzeit belaufe sich der Leerstand bei Londoner Büros auf 9,2%, berichtete „City A.M.“ Wird auch die britische Tochter zahlungsunfähig, dürfte er auf etwa 10% steigen. Ein kleines Vorspiel auf das dann drohende Chaos gab es Ende Oktober, als der Immobilienentwickler Helical den Mietvertrag von Wework für sechs Stockwerke im Gebäude The Bower in der Londoner Old Street kündigte, weil die Miete nicht rechtzeitig einging. Nach Begleichung der Summe erhielt Wework wieder Zugang zu dem Gebäude und einen kurzfristigen Mietvertrag. Man arbeite an den nächsten Schritten für die Flächen und werde bei Veröffentlichung der Halbjahreszahlen am 22. November darüber informieren, teilte Helical mit.
Vergangene Woche berichtete die BBC, dass Wework ein Gebäude in der Nähe des Londoner Bahnhofs Blackfriars schließen wolle. Nutzer eines Gebäudes an der Southbank seien vom Unternehmen per E-Mail darüber informiert worden, dass man „unrentable“ Standorte aufgeben wolle. Vergangenen Monat kündigte Wework an, den City-Standort 133 Houndsditch zu räumen.
„Innovative Finanzkennzahlen sind selten innovativ, sondern ein Weg, fehlende Gewinne zu kaschieren", sagt Steve Clayton, der das Aktienfondsgeschäfts von Hargreaves Lansdown leitet. "Wework hat dieses Spiel nach Kräften gespielt.“ Wenn man niemandem etwas schulde, sei es schwer pleitezugehen. Mit nahezu 19 Mrd. Dollar Schulden sei es dagegen vergleichsweise einfach.