Fahrzeughersteller

Wie deutsche Autozulieferer die Transformation bewältigen können

Auf die Autozulieferer kommen große Veränderungen zu. Sie sind sowohl beim Elektroantrieb als auch bei Digitalisierung und besserer Software gefordert.

Wie deutsche Autozulieferer die Transformation bewältigen können

Autozulieferer in der Transformation

Umstellung auf E-Autos, mehr Digitalisierung und bessere Software als Herausforderungen

dpa-afx Stuttgart

Wie schwer die Trans­formation für Autozulieferer in Deutschland ist, lässt sich in Stuttgart beobachten. Mitte Juli präsentierte Mahle-Chef Arnd Franz im Wasserstoffprüfzentrum des Unternehmens die Zukunft. Drinnen geht es um Thermomanagement oder grüne Verbrennungsmotoren. Draußen kann man testen, wie E-Autos induktiv laden.

Einst verdiente der Zulieferer, auch als „Kolben-Mahle“ bekannt, prächtig am Geschäft mit dem Verbrenner. Doch in den letzten Jahren fuhren die Stuttgarter satte Verluste ein. Die Zukunft sei elektrisch, Mahle müsse weiter in die E-Mobilität investieren, sagt Franz. Aber: Er gehe nicht davon aus, dass das Unternehmen hier in den nächsten Jahren Gewinn macht.

Branche im Dilemma

So wie Mahle geht es vielen Autozulieferern in Deutschland. Die Branche steckt im Dilemma. Die Transformation ist eine gewaltige Aufgabe. Weg vom Verbrenner, hin zu E-Autos. Mehr Digitalisierung, bessere Software, autonomes Fahren. Die Kosten sind hoch. Sie drücken die Gewinnspannen und schubsen so manchen Zulieferer in rote Zahlen. Die Automobilindustrie ist die größte Branche des verarbeitenden Gewerbes und gemessen am Umsatz der mit Abstand bedeutendste Industriezweig in Deutschland. 2022 lagen die Umsätze aus der Inlandsproduktion laut dem Branchenverband VDA bei über 500 Mrd. Euro. Rund ein Fünftel davon steuerten Zulieferer bei.

„Viele Zulieferer stehen wahrscheinlich vor ihrer bisher größten unternehmerischen Herausforderung“, sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Einige müssten ganz neue Geschäftsmodelle und Produkte entwickeln, während sie noch lange Zeit Komponenten für den Verbrennungsmotor bauen.

„Diejenigen, die ein stark auf Verbrenner fokussiertes Geschäft haben, sind nicht auf verlorenem Posten, sondern müssen jetzt massiv in Zukunftsgeschäfte investieren und diese aufbauen“, fordert Klaus Stricker, der als Partner des Beratungsunternehmens Bain die Praxisgruppe Automotive und Mobilität leitet. Aber auch das traditionelle Verbrennergeschäft, das absehbar schrumpfen werde, könne man noch profitabel betreiben, weil es kaum noch Investitionen erfordere. „Kritisch wird es für diejenigen werden, die keine starken Wachstumsfelder im Portfolio haben“, sagt Stricker.

Druck nimmt zu

Der Druck nehme zu, sowohl auf die Hersteller als auch auf die Zulieferer. „Die Zulieferer konnten die gestiegenen Kosten nur zum Teil an die Hersteller weitergeben“, sagt Stricker. Führende Zulieferer hätten aber eine gewisse Unersetzlichkeit. Diese könnten die Hersteller nicht beliebig unter Druck setzen. „Ein Schlüssel zum Erfolg wird es sein, dass sich Zulieferer Alleinstellungsmerkmale aufbauen, um sich dann im entsprechenden Wettbewerb durchzusetzen.“

„Die Transformation betrifft schon jetzt einen großen Teil der deutschen Zulieferer und deren Portfolio unmittelbar und direkt“, sagt Simon Schnurrer, Autozuliefererexperte und Partner beim Beratungsunternehmen Oliver Wyman. Absätze ließen sich schwerer planen, Produktlebenszyklen veränderten sich. „Teilweise auch durch neue Spieler im Markt, die in einer ganz anderen Taktzahl arbeiten als die etablierten Spieler“, sagt Schnurrer. Was die Profitabilität betreffe, habe sich eine Schere zwischen den Herstellern und den Zulieferern aufgetan. „Vor Corona waren die Zulieferer profitabler als die Hersteller. Dies hat sich nach der Pandemie gedreht“, sagt Schnurrer. Teilweise hätten sich Zulieferer bei der Profitabilität zumindest ein Stück weit erholt – aber noch nicht in ihren Ratings. „Aus Sicht der Investoren ist die Branche im Moment schwer investierbar“, sagt Schnurrer. Dadurch sei es für die Zulieferer schwierig, in dieser kritischen Transformationsphase an Kapital zu kommen.

Schere bei Profitabilität

Anderswo lassen sich Kosten sparen. Wie schmerzhaft allein schon die Verlagerung innerhalb Europas sein kann, zeigt sich in Baden-Württemberg. Dort schlugen im Februar Betriebsräte der großen Zulieferer Bosch, ZF und Mahle zusammen mit der IG Metall Alarm.

Geografisch müssen die Zulieferer laut Schnurrer neue Wege gehen. "Viele deutsche Zulieferer sind nach wie vor stark in Europa verwurzelt und müssen sich teilweise auch aus Europa heraus entwickeln, was mitunter ein schmerzhafter Prozess ist."

In Europa verwurzelt

Mit Blick auf die Transformation der Branche würden die Entwicklung und die Produktion neuer Produkte immer häufiger in Osteuropa angesiedelt, sagte der Chef der IG Metall in Baden-Württemberg, Roman Zitzelsberger. Wenn Industriekompetenz erst mal weg sei, komme sie nicht mehr zurück.

Experte Schnurrer macht auch Hoffnung. "Ohne eine hoch performante Zuliefererindustrie gibt es auch keine hoch performante Autoindustrie in Europa." Entsprechend würden die Hersteller auch viele Zulieferer unterstützen. "Aber sie werden das nicht mit der Gießkanne tun." Eine große Pleitewelle sieht er nicht. Denn: "Die Unternehmen, die heute noch existieren, haben viele Dinge richtig gemacht."