Wie ein Schweizer Start-up Airbus im Helikoptermarkt herausfordern will

Von Dietegen Müller, Frankfurt Börsen-Zeitung, 3.9.2015 Geflogen ist er schon, der SKYe-SH09, ein Leichthubschrauber von Marenco Swisshelicopter, einem Start-up aus Pfäffikon, Kanton Zürich, Schweiz. Ein ehemaliger Testpilot des Konkurrenten Bell...

Wie ein Schweizer Start-up Airbus im Helikoptermarkt herausfordern will

Von Dietegen Müller, FrankfurtGeflogen ist er schon, der SKYe-SH09, ein Leichthubschrauber von Marenco Swisshelicopter, einem Start-up aus Pfäffikon, Kanton Zürich, Schweiz. Ein ehemaliger Testpilot des Konkurrenten Bell hat bewiesen, dass die Maschine flugtauglich ist. Natürlich müssten aber noch Anpassungen gemacht werden, sagt Marenco-CEO Martin Stucki im Gespräch. Doch der Schweizer Entrepreneur ist zuversichtlich, dass, wenn nicht im nächsten, so doch im übernächsten Jahr ein zugelassener Hubschrauber in den Markt kommt, der es mit jedem aufnehmen kann.”Es stehen noch jede Menge aufsichtsrechtlicher Bewilligungen an”, sagt Stucki. Aber der flugbegeisterte Maschineningenieur schließt ein Scheitern aus technologischen Gründen oder wegen fehlender Zulassung aus. “Es braucht nur genug langen Atem und Durchhaltewillen und eine Lösung für zwischenmenschliche Probleme”, sagt er.Stuckis Firma Marenco Swisshelicopter ist ein Schmuckstück der Innovationslandschaft. Seit 2010 arbeitet Stucki mit seinem Team daran, einen neuen Heli in der Leichtbauklasse von 2,5 Tonnen zu fertigen. Dabei ist es Marenco gelungen, ein Dutzend Ingenieure von Airbus abzuwerben. Als der Luftfahrtkonzern den Standort Ottobrunn in Bayern geschlossen hat, wanderte auch Know-how im Helikopterbau ab. Gelingt es seinem Unternehmen, einen industriereifen Wettbewerber auf den Markt zu bringen, hat Stucki etwas geschafft, was seit Jahrzehnten kaum einem gelungen ist: in einen sehr kleinen Kreis von weltweiten Anbietern vorzustoßen. Oligopolistischer MarktDer Markt ist oligopolistisch strukturiert. Es gibt etwa ein Dutzend Hersteller, und im Segment der 2,5-Tonner ist Airbus Helicopters mit einem geschätzten Marktanteil von über 80 % der absolute Platzhirsch. Laut Airbus kommt der Konzern im zivilen Segment über 1,3 Tonnen auf 44 % Marktanteil, vor Bell (21 %), AugustaWestland (16 %), russischen Anbietern (7 %) und Sikorsky (7 %), die jüngst von United Technologies an Lockheed verkauft worden ist.Auf rund 50 bis 100 Mill. sfr schätzt Stucki die Projektkosten bisher. Gegenüber den Wettbewerbern sei das fast ein “Mickey-Mouse-Budget”. Mit einem Listenpreis um 3,35 Mill. Dollar ist der SKYe-SH09 nicht günstig, könne aber mit Blick auf das Preis-Leistungs-Verhältnis mehr als mithalten, sagt der verheiratete Familienvater. Es gebe über 70 Vorbestellungen, einige davon bereits mit einer Anzahlung verbunden.Ein Pilotmodell zeigte Marenco erstmals auf der Heliexpo 2011 in den USA. Da die Branche überschaubar ist, genügt es, dort präsent zu sein, um wahrgenommen zu werden – viel mehr Ausstellungsmarketing ist fast nicht nötig. Den Markt veranschlagt Stucki auf rund 300 bis 400 Maschinen pro Jahr. “Der größte Teil der Kunden sind Operators, also Unternehmen, die Maschinen kaufen und sich dann Gedanken machen, wofür sie diese einsetzen. Da ist Flexibilität extrem wichtig”, sagt der CEO und meint, es sei gelungen, dies im Design auch zu verwirklichen. “Die einmotorige Maschine hat herausnehmbare Einzelsitze, es gibt einen großen Kofferraum”, sagt der Schweizer, “und man kann durch die Hecktüren eine Trage laden, ohne den Kopilotensitz herausnehmen zu müssen. Durch ein Bodenfenster lassen sich Unterlasten besser sehen.” Was die Hot- und High-Performance – also Fliegen unter hohen Temperaturen oder großer Hitze – anbelangt, biete die Maschine “die beste Performance der Klasse”, so Stucki selbstbewusst. Ein Oligarch im RückenMarenco hat sich nun eine Beteiligung an der Betreibergesellschaft des ehemaligen Militärflugplatzes in Mollis, Kanton Glarus, gesichert. Dort könnte die Fertigung im größeren Stil starten. “Made in Switzerland, mit einem großen Anteil in der Schweiz hergestellter Teile”, sagt Stucki. “Wir ahmen das nach, was die Automobilindustrie in ihrer Fertigung schon vorgemacht hat, einfach übertragen auf die Helikopterproduktion”, sagt der Manager.Wichtig sei der Erhalt der “Schweizer Identität” auch dem ausländischen Geldgeber, zu dem sich Stucki bedeckt hält. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es sich dabei um den russischen Oligarchen Alexander Mamut handelt. Mamut gilt als einer der reichsten Russen und war als Berater des früheren russischen Präsidenten Boris Jelzin bekannt. Er investierte in verschiedene Sektoren, unter anderem auch im Finanz-, Handels- und Medienbereich. Die britische Zeitung “The Telegraph” apostrophiert ihn auch als “Putins Man”.Sucht Marenco jetzt neue Investoren? “Wir schlagen kein Gespräch aus. Wenn sich eine gute Gelegenheit ergibt, wird es eine Änderung geben”, meint Stucki. Die Rahmenbedingungen seien entscheidend. Als vorsichtiger Kaufmann dürfte Stucki Interesse haben, die Finanzierung auf breitere Basis zu stellen. Der Entrepreneur geißelt dabei die Rahmenbedingungen in der Schweiz: “Venture Capital ist hier mit wenigen Ausnahmen etwa im Umfeld der Chemie- und Pharmaindustrie kaum aufzutreiben”, sagt er. Auch hätten sich die Rahmenbedingungen “signifikant verschlechtert”. Für die Mehrwertsteuer müssten heute mehrere Aktenordner herhalten, und in der Fliegerei gebe es eine “Überregulierung vor allem im Betrieb”. Als es um die Umwidmung des Flughafens Mollis zu einem zivilen Airport gegangen sei, seien “Leute gekommen und haben Blümchen gezählt”. Banken wiederum finanzierten kaum oder gar nicht Projekte, die außerhalb des klassischen Rahmens lägen. “In Deutschland ist allerdings vieles noch komplizierter”, stellt Stucki fest und fasst seine Erkenntnis zusammen: “Innovation entsteht nicht durch hohe Förderung, sondern durch gute Rahmenbedingungen.” Lange To-do-ListeNun gilt es durchzuhalten. Stucki zählt die Liste noch ausstehender Bewilligungen auf: “Wir brauchen vor dem Start der Produktion ein Type Certificate, wir brauchen ein Design Organisation Approval, wir müssen nachweisen, dass wir nach den Vorgaben der europäischen Luftfahrtaufsicht EASA arbeiten. Dann benötigen wir vom Bundesamt für Zivilluftfahrt in der Schweiz ein Production Organisation Approval, wir brauchen eine Wartungsorganisation für die Revision und eine Trainingsorganisation, mit der wir Piloten auf den Helikopter umschulen können.”Wenn Marenco Swisshelicopter das geschafft hat, dürfte vor allem Airbus ins Schwitzen geraten. Der Respekt für das bisher Geleistete ist Stucki von den etablierten Herstellern aber wohl jetzt schon sicher – auch wenn sich seine Maschine nur in einem Nischenmarkt bewegt, weiß die Branche, wie schwierig es ist, überhaupt in diesen exklusiven Kreis vorzudringen. ——–Man braucht mehr als Durchhaltewillen, um neu in den Hubschraubermarkt vorzudringen.——-