Wie sich Evonik an die Börse schleicht
Von Walther Becker, Frankfurt”Make money on the last trade”, heißt die Devise beim eingefädelten Börsengang des Spezialchemiekonzerns Evonik (vgl. BZ vom 22. Februar). Denn die Gesellschafter RAG-Stiftung und der Finanzinvestor CVC werden erst nach künftigen “Sell-downs” ihren Einsatz aus dem Engagement gemehrt haben. Die Essener setzen in ihrem vierten Anlauf auf Anschleichen und einen zu Beginn sehr niedrigen Streubesitz.Und sie arbeiten dafür nicht mit “Bulge Bracket”-Investmentbanken zusammen, sondern mit der kleinen, aber feinen Frankfurter Mainfirst , die Zugang zu sämtlichen Kapitalsammelstellen hat und im Research einen guten Ruf genießt. Der Trend geht zu den kleineren unabhängigen Adressen. Beim Börsengang von Talanx hatte sich überraschend neben der Deutschen Bank Berenberg an die Spitze gesetzt und amerikanische Häuser verdrängt. Auch bei vielen Corporate-Finance-Fragen oder im Arrangieren von Krediten sind die ganz Großen auf dem Rückzug.Evonik geht jetzt auf Nummer sicher: Ende April – so lange dauert es, bis der Prospekt durch ist – soll der Spezialchemiekonzern an der Frankfurter Börse notiert werden. Der Löwenanteil der zum Verkauf stehenden Aktien werde vorab bei einer limitierten, sehr überschaubaren Zahl großer Investoren platziert, wie die beiden Eigentümer, die RAG und CVC nun offiziell mitgeteilt haben. Damit sei die Tür zur Börse “ein weiteres Stück geöffnet”, sagte der neue Chef der Stiftung, Werner Müller. Transaktionsrisiko gesenktRund 10 % des Kapitals sollen eventuell ohne öffentliches Angebot (sowieso keine Kapitalerhöhung) notiert sein. 4 % sind über Mainfirst für 550 Mill. Euro schon bei Institutionellen im In- und Ausland untergebracht worden, 3 % folgen. Weitere Investoren hätten Interesse bekundet. Über den Preis wird der Mantel des Schweigens gebreitet, doch mehr, als Evonik beim Anlauf im Sommer 2012 erlöst hätte, ist es. Damals waren Anleger nur bereit, zu einem Preis zuzuschlagen, der Evonik mit 11,5 Mrd. Euro bewertet hätte. Nun sind es um die 14 Mrd. Euro. Es wird ein kleiner Abschlag gegeben, denn garantiert ist der Börsengang natürlich nicht. Falls erforderlich, weil das Umfeld verrückt spielt, kann auf ein breiteres Angebot ganz verzichtet werden, was das Marktrisiko signifikant senkt. Mit einem Streubesitz von 1,4 Mrd. Euro würde es für den MDax reichen. Anders als 2012 orientiert sich Evonik jetzt nicht am US-Konzern DuPont, sondern an europäischen Rivalen.”Das Interesse war schon beim geplanten Börsengang 2012 sehr hoch. Das Marktumfeld war jedoch damals zu unsicher. Durch die Privatplatzierung können wir eine Notierungsaufnahme mit deutlich geringerem Aufwand erreichen und machen uns weniger abhängig vom volatilen Marktumfeld”, kommentiert CVC-Partner Christian Wildmoser. Beim Mega-IPO von Glencore oder bei anderen großen Börsengängen im Ausland sind namentlich genannte, wenige große Ankerinvestoren vorab ins Aktionariat geholt worden.Die Voraussetzungen für das Listing sind vorhanden: Der Wertpapierprospekt muss lediglich aktualisiert und ergänzt werden. War bisher vereinbart, dass RAG und CVC nur in gleichem Umfang verkaufen können, so steht es dem Finanzinvestor künftig frei, nach Auslaufen der Lock-up-Fristen zu platzieren, was den Exit beschleunigen soll.Die Eigentümer lassen zwar jetzt etwas auf dem Tisch liegen, setzen dafür aber bei späteren Transaktionen auf einen höheren Preis, wie dies bei Brenntag oder Kabel Deutschland exerziert wurde.Die für den Evonik-Einstieg fälligen 2,4 Mrd. Euro hatte CVC zur Hälfte aus Eigenmitteln finanziert. Das Fremdkapital stellte ein Konsortium aus acht Instituten mit starker Landesbankenkomponente (WestLB, Helaba und LBBW) zur Verfügung. Die Laufzeit des Kredits wurde bis 2016 verlängert. Da die Verschuldung nicht dem Unternehmen aufgebürdet werden konnte, handelt es sich um ein untypisches Investment für Private Equity. Evonik hatte sich zur Zahlung von Mindestdividenden verpflichtet, mit denen CVC die Zins- und Tilgungszahlungen aufbringen kann.Evonik geht nicht nur als Chemiekonzern – Kern ist das frühere Dax-Mitglied Degussa – an die Börse, sondern auch als drittgrößtes Wohnimmobilienunternehmen der Republik. Es ist nach früheren Angaben beabsichtigt, dass sich die RAG-Stiftung ebenso wie der Evonik-Pensionsfonds mit je 25 % an der Immobiliengesellschaft Vivawest beteiligt (etwa ein Viertel der Wohnungen gehören der Gewerkschaft BCE). Zum Vollzug bedarf es des Börsengangs. Denn nur mit den Einnahmen wird die Stiftung in die Lage versetzt, die Immobilien erwerben zu können.—– Wertberichtigt Seite 8