Windindustrie "extrem unter Druck"
Den Einbruch im deutschen Onshore-Windmarkt während des ersten Halbjahrs setzt die deutsche Windindustrie nach Ansicht der Commerzbank extrem unter Druck. Das Institut rät dringend zur Internationalisierung. Die weltweiten Wachstumsperspektiven der Branche werden positiv beurteilt.ste Hamburg – Der weltweite Windmarkt befindet sich ungeachtet regionaler Schwankungen weiterhin auf Wachstumskurs. So erwartet man bei der Commerzbank bis 2020 einen Anstieg des weltweiten jährlichen Zubaus von Windenergieanlagen an Land (onshore) auf bis zu 68 (i.V. 46) Gigawatt (GW). In der Folgezeit bis 2028 wird mit jährlichen Zubaumengen zwischen 57 GW und 63 GW gerechnet.Die Schwankungen gingen vor allem auf regulatorische Änderungen wie dem Wegfall der staatlichen Förderung in den USA und China ab 2021 zurück. Der durchschnittliche Zuwachs von 2 % im Wind-onshore-Bereich dürfte im Zehnjahreszeitraum bis 2028 nach Einschätzung der Bank deutlich vom Wachstum bei Windkraftanlagen auf See (offshore) übertroffen werden. So wird ein durchschnittlicher Zubau um 15 % von 4,3 auf 19,1 % unterstellt. ZielkonfliktAnlässlich der Husum Wind 2019, der im jährlichen Wechsel mit Hamburg stattfindenden Fachmesse für Windkrafttechnologie, mahnte Berthold Bonanni, Leiter des Bereichs Energie der Commerzbank, bei der Präsentation aktueller Markteinschätzungen einen deutlichen Ausbau der Windenergie in Deutschland an, um die Klimaschutzziele hierzulande zu erreichen. Im stark politisch geprägten deutschen Wind-onshore-Markt bestehe aber ein Zielkonflikt zwischen der Wahrung der Akteursvielfalt, der Steigerung der Kosteneffizienz und der Förderung der heimischen Windindustrie.Der “harte Einbruch” im ersten Halbjahr um 82 % auf einen Bruttozubau von 287 Megawatt (MW) bzw. 86 Anlagen verglichen mit einer bereits schwachen Vorjahreszeit setze die Windindustrie in Deutschland “extrem unter Druck”. Alle Akteure im Markt seien gefordert, sich internationaler aufzustellen, um im Ausland neue Märkte zu erschließen und kostengünstiger produzieren zu können. Das gelte auch “für uns Banken”, so Bonanni mit Blick auf die schwache Margenentwicklung. VerwerfungenUnter Berücksichtigung des Rückbaus von Windenergieanlagen ergab sich Branchenangaben zufolge in den ersten sechs Monaten in Deutschland ein Nettozubau von 231 MW bzw. 35 Anlagen. Dies ist der niedrigste Wert seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000. Die Zahlen blieben deutlich hinter der im EEG vorgesehenen jährlichen Ausbaumenge zurück. Die Commerzbank verweist darauf, dass Einführung und Aufhebung des Bürgerenergieprivilegs im Rahmen des mit dem 2017 reformierten EEG neu etablierten Auktionsverfahrens vor allem in Deutschland zu Verwerfungen in den aktuellen Ausbauvolumina geführt habe. Ferner bestehe ein Genehmigungsstau infolge einer hohen Anzahl an Anträgen sowie zunehmender Klagen und Einsprüche. Von den in Betrieb genommenen 86 Anlagen wurden lediglich 27 – ein Drittel der neu installierten Kapazität – in Norddeutschland erreichtet. Deutsche Turbinenhersteller, Zulieferer und auch Projektierer gerieten hierdurch zunehmend unter wirtschaftlichen Druck. Bonanni verwies auf die Insolvenz des Windkraftanlagenbauers Senvion, bei dem die Commerzbank allerdings nicht investiert sei.Skeptisch äußerte sich die Bank mit Blick auf das Erreichen politischer Ausbauziele nur auf Basis von langfristigen Stromlieferverträgen (Power Purchase Agreements, PPAs). Dies erscheine aufgrund der begrenzten Nachfrage mit guten Bonitäten unrealistisch.Um den erforderlichen Ausbau der erneuerbaren Energien und die Klimaziele zu erreichen, seien PPAs als Ergänzung zu einem Förderregime, das auch für eine gesellschaftlich erwünschte Akteursvielfalt Vorteile bringt, aber sinnvoll, sagte Bonanni. In Deutschland erwartet die Commerzbank neue Projekte auf PPA-Basis derzeit nur bei Fotovoltaik-Großanlagen, die nicht EEG-förderfähig sind. Tendenziell fallende Vergütungssätze und sinkende Stromgestehungskosten für erneuerbare Energien ließen PPAs, so die Bank weiter, attraktiver werden. Vor allem die Erwartung steigender Strompreise biete für industrielle Stromkunden eine Möglichkeit, sich langfristig mit grünem Strom zu versorgen. Nachhaltigkeitsbestrebungen der Unternehmen erhöhten die Nachfrage nach grünen PPAs. Um solche langfristigen Stromabnahmeverträge über eine Laufzeit von 10 bis 15 Jahren als Basis für Projektfinanzierungen nutzen zu können, kämen aber nur Stromabnehmer mit guter Bonität in Frage.Die Commerzbank sieht sich – auf Basis externer Limite ohne interne Linien – mit einem Kreditvolumen von 4,87 (2018: 4,65) Mrd. Euro in Projektfinanzierungen sowie 0,95 (0,86) Mrd. Euro an Unternehmensfinanzierungen als einer der führenden Finanzierer von erneuerbaren Energien. Von den Projektfinanzierungen entfielen zuletzt zwei Drittel auf Deutschland.