Offener Brief

Windkraft-Manager schlagen Alarm

„Die Windenergie muss zum Motor der G20-Volkswirtschaften in einer 1,5-°C-Welt werden.“ Das fordern die Vorstandschefs großer Windenergieunternehmen wie RWE und Siemens Gamesa in einem offenen Brief an die Staatschefs kurz vor dem G20-Umweltministertreffen in Neapel am Donnerstag.

Windkraft-Manager schlagen Alarm

cru Frankfurt

Die Vorstandschefs der wichtigsten Windenergieunternehmen warnen die führenden Staatschefs vor dem G20-Treffen am Donnerstag in Neapel in einem offenen Brief, dass das Tempo des Ausbaus der Windenergie vervierfacht werden müsse, damit die Klimaschutzziele erreicht werden. „Es ist an der Zeit, mit den erneuerbaren Energien Ernst zu machen“, heißt es in dem Brief, der vom Weltwindkraftverband GWEC koordiniert wurde. Zu den 23 Unterzeichnern zählen etliche deutsche Manager – darunter die Erneuerbaren-Chefin des Windparkbetreibers RWE, Anja-Isabel Dotzenrath, sowie Andreas Nauen, CEO des Windkraftanlagenbauers Siemens Gamesa, und Bernhard Zangerl, CEO des Windkraftanlagenautomatisierers Bachmann Electronic.

„Wir erkennen die Bemühungen der G20-Staaten an, den Klimanotstand anzugehen, die auf der internationalen Klimakonferenz in Venedig zum Ausdruck gebracht wurden“, schreiben die Topmanager der Branche. Auf der Basis der jetzigen Wachstumsvoraussagen werde die Windenergiekapazität bis 2050 jedoch um 43% hinter dem Stand zurückbleiben, der notwendig sei, um Klimaneutralität zu erreichen. „Unsere Botschaft als globale Windenergie-Koalition ist klar: Die Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels hinken hinterher, und die Zeit läuft ab.“

Von der Internationalen Energie Agentur (IEA) wird vorausgesagt, dass Windkraft ab 2050 das Rückgrat der globalen Energieerzeugung bildet. „Selbst unter den Netto-Null-Zusagen, die kürzlich von den G20-Mitgliedern gemacht wurden, steuert die Welt auf eine globale Erwärmung von 2,4°C in diesem Jahrhundert zu“, warnen die Wind-Manager. Die Neuinstallationen von Windkraftkapazität hätten zwar 2020 trotz Pandemie den Rekordwert von 93 Gigawatt erreicht – vor allem dank des Zubaus in China und den USA –, doch um die Klimaziele zu erreichen, müsse das Tempo im kommenden Jahrzehnt vervierfacht werden.

„Dieses Jahr entscheidend“

„Die Entscheidungen, die in diesem Jahr und in diesem Jahrzehnt getroffen werden, sind entscheidend für den Erhalt unseres Planeten und die Vermeidung einer Klimakatastrophe“, heißt es in dem Brief. Um die Wende herbeizuführen, müsse dringend ein Politikwechsel in den G20-Staaten erfolgen. „Als internationale Gruppe, die den größten Teil der Weltbevölkerung und mehr als 80% der globalen energiebedingten CO2-Emissionen repräsentiert, hat die G20 die Macht und die öffentliche Pflicht, ihren kollektiven politischen Willen zu stärken und den Klimawandel ernsthaft einzudämmen.“

Die Regierungen sollten ehrgeizigere Ausbauziele beschließen und Hürden wie ausufernde Genehmigungs- und Planungsprozesse sowie nicht ausreichend ausgebaute Übertragungsnetze aus dem Weg räumen. „Der Paradigmenwechsel basiert auf den nahezu unbegrenzten Windressourcen, die in jeder Region der Welt zur Verfügung stehen, ihrer zunehmenden Kostenwettbewerbsfähigkeit und ihrer schnellen Skalierbarkeit mit bestehender Technologie.“

Im Kontrast dazu steht jedoch die Kursentwicklung der Aktien der meisten Windkraftunternehmen in diesem Jahr: Nach einem Allzeithoch im Januar haben die Kurse etlicher Branchenunternehmen um mehr als ein Viertel nachgegeben – darunter die der Windkraftanlagenhersteller Siemens Gamesa, Orsted und Vestas, die unter steigenden Preisen für Vorprodukte leiden.

„Unsere Industrie kann diese Herausforderung in Zusammenarbeit mit Regierungen und anderen Interessengruppen meistern“, heißt es in dem offenen Brief. In Deutschland beispielsweise steigt das Ausbauziel für Windenergie auf See für das Jahr 2030 auf 20 Gigawatt. Bis 2050 sollen erneuerbare Energien hierzulande 80% der Stromversorgung decken. In den letzten 20 Jahren habe die Windenergie ihre Fähigkeit bewiesen, die Produktion exponentiell zu steigern, Millionen qualifizierter Arbeitsplätze zu schaffen und groß angelegte Infrastrukturerneuerungen zu beschleunigen. „Wir weisen jedoch auch nachdrücklich darauf hin, dass die Ambitionen unter den gegenwärtigen Bedingungen unrealistisch sind.“

Wertberichtigt Seite 6

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