IM GESPRÄCH: AXEL DEININGER, SECUNET

"Wir arbeiten aktiv an Zukäufen"

IT-Sicherheitsdienstleister boomt in der Coronakrise - Marktwert überspringt 1 Mrd. Euro - Großaktionär ist Giesecke & Devrient

"Wir arbeiten aktiv an Zukäufen"

Die Nachfrage nach sicherer Datenübertragung ist in Zeiten mobilen Arbeitens groß. Der IT-Dienstleister Secunet befindet sich deshalb im Höhenflug. Konzernchef Axel Deininger will das Wachstum mit einem künftig stärkeren Fokus auf Industriekunden hoch halten. Nach bislang eher organischem Wachstum hält er jetzt auch verstärkt nach Akquisitionen Ausschau.Von Antje Kullrich, KölnStill und leise ist Secunet in den vergangenen Wochen aufgestiegen in die Königsklasse der börsennotierten Unternehmen mit Milliardenbewertung. Das Geschäft des Dienstleisters für IT-Sicherheit brummt in der Coronakrise. Behörden und Ministerien haben pandemiebedingt kräftig aufgerüstet, um ihren Beschäftigten sicheres mobiles Arbeiten zu ermöglichen. Der Umsatz kletterte hier im ersten Halbjahr um 75 %. Der öffentliche Sektor ist die wichtigste Kundengruppe von Secunet und liefert mit weitem Abstand den Löwenanteil des Konzernumsatzes. Prognose deutlich erhöhtIm Juni hat die Secunet-Führung ihre Prognose für 2020 bereits deutlich erhöht. Nachdem das Unternehmen bereits im vergangenen Jahr durch die Einführung des Gesundheitskonnektors für Arztpraxen, der den Zugang zur elektronischen Patientenakte ermöglicht, überdurchschnittlich gewachsen war, hatte Secunet für diesen Turnus eigentlich mit Zahlen leicht unter dem hohen Vorjahresergebnis gerechnet. Mittlerweile peilt das Unternehmen ein Umsatzplus von knapp 20 % auf 270 Mill. Euro sowie ein Ebit von 48 Mill. Euro (+ 45 %) an. Industrie hat NachholbedarfVorstandschef Axel Deininger, der den Posten im vergangenen Jahr vom langjährigen Secunet-Lenker Rainer Baumgart übernommen hatte, sieht für den Essener IT-Dienstleister eine Menge Potenzial. “Wir wollen uns strategisch stärker auf die Privatwirtschaft, vor allem auf die Industrie ausrichten als bisher”, sagte er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Wir glauben, dass das behördliche Umfeld in Sachen IT-Sicherheit besser aufgestellt ist als viele Mittelständler. Wir sehen einen Nachholbedarf in der Industrie.” Das Thema sei in den vergangenen Monaten stärker in das Bewusstsein von Unternehmenslenkern gerückt. Deininger will sich im privaten Sektor auf Fertigung und Automotive konzentrieren. Secunet brauche ein tiefes Verständnis der Branche, um die richtigen Produkte anbieten zu können. So will das Unternehmen nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Den Zugang zu den Industriekunden will Secunet verstärkt über Dritte suchen. “Wir verhandeln im Moment über Partnerschaften für den Vertrieb”, erläuterte Deininger. Er kann sich die Zusammenarbeit mit Systemhäusern gut vorstellen, die die Secunet-Produkte – Hard- und Software – in ihr Portfolio aufnehmen. Ein großes eigenes Verkaufsteam, um den kleinteiligen Mittelstandsmarkt zu bearbeiten, will der Secunet-Chef nicht engagieren. “Unser Geschäftsmodell ist Technologieentwicklung, nicht der Aufbau eines Flächenvertriebs.”Kerntechnik von Secunet ist die Produktfamilie Sina (Sichere Inter-Netzwerk Architektur), die die sichere Verarbeitung von sensiblen Informationen in unsicheren Netzen wie dem Internet erlaubt. Secunet hat aber auch Dokumentenleser für Grenzkontrollen entwickelt, die an Flughäfen zum Einsatz kommen. DividendentraditionFeste Mittelfristziele hat Secunet nicht kommuniziert. Das hohe Wachstumstempo, möglichst im zweistelligen Prozentbereich, soll jedoch aufrechterhalten werden. Zur Profitabilität sagte Deininger: “Mit einer zweistelligen Ebit-Marge wie zuletzt um die 15 % fühlen wir uns wohl.” In diesem Jahr würde sie angesichts der angepeilten Zielkennziffern bei knapp 18 % landen.Der Secunet-Chef bekannte sich auch zur bisherigen Ausschüttungspolitik. “Wir sind als Dividendenwert im Tech-Bereich eine Ausnahme. Wir wollen aber unsere Politik einer stabilen Ausschüttung weiterführen.” Im vergangenen Jahr betrug die Ausschüttungsquote 50 % des Jahresüberschusses.Organisches Wachstum steht für Secunet im Fokus, und in der jüngeren Vergangenheit spielten Zukäufe eine eher untergeordnete Rolle. Doch allmählich traut sich das Unternehmen auch mehr zu. “Wir arbeiten aktiv an Zukäufen”, erklärte Deininger. Das Unternehmen habe zwei externe M&A-Berater um Unterstützung gebeten. Ein Transaktionsvolumen in der Größenordnung von 100 Mill. Euro sei möglich und finanzierbar. Wenn die eigenen Mittel nicht reichen sollten, bestehe auch die Option, den Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen. Secunet ist bilanziell solide aufgestellt. Die Eigenkapitalquote lag Ende Juni bei 38 %, Bankkredite hat das Unternehmen nicht aufgenommen. Ausbau des AuslandsgeschäftsTechnisch ist Secunet an Ergänzungen zu Cloud-Infrastruktur oder Client-Server-Architektur interessiert. Doch auch auf Firmen, die internationales Geschäft mitbrächten, würde Secunet ein Auge werfen. Das Auslandsgeschäft macht bei Secunet etwa 10 % des Umsatzes aus. Auch hier will der Konzern, der mit Giesecke & Devrient (Anteil: 79 %) seit 2009 einen Großaktionär hat, expandieren. Im Fokus steht das europäische Ausland. Geschäft macht Secunet aber auch im Mittleren Osten und in Südostasien.Die Expansion will Deininger, der vom Mehrheitsaktionär kam und zuvor auch für Siemens, Infineon und Samsung arbeitete, mit Augenmaß vorantreiben. Die Beschäftigtenzahl soll von 588 am Jahresende 2019 in diesem Jahr auf etwa 680 ansteigen. Die Sorge, genügend hochqualifizierte Bewerber zu finden, treibt den Konzernchef angesichts des guten Rufs des Unternehmens in der Branche weniger um als die Frage nach den künftigen öffentlichen Budgets. Den politischen Willen, in IT-Sicherheit zu investieren, und deren Budgetierung bezeichnete Deininger als wohl größtes Risiko für Secunet.