DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: ECKHARD SCHULTZ

"Wir haben eine Feuerkraft von 500 bis 600 Mill. Euro"

Finanzchef der LEG begrüßt Börsenpläne des Wettbewerbers Deutsche Annington - Wandelanleihe als einzige Alternative zur klassischen Finanzierung

"Wir haben eine Feuerkraft von 500 bis 600 Mill. Euro"

– Herr Schultz, die LEG ist im Hauruck-Verfahren an die Börse gegangen. Anfang 2013 haben Sie die IPO-Pläne (Intention to Float, ITF) offiziell lanciert, am 1. Februar war Erstnotiz. Was sind die Vor- und Nachteile dieses Vorgehens?Ich würde nicht sagen, dass es ein Hauruck-Verfahren war. Der Börsengang hatte eine lange Vorbereitungszeit, aus dem Stand lässt sich ein IPO nicht bewerkstelligen. Im Prinzip haben wir vier Jahre lang strategisch auf diesen Zeitpunkt hingearbeitet.- Die Investorenansprache erfolgte jedoch in einem wesentlich kürzeren Zeitrahmen.Grundvoraussetzung ist dabei, dass alle Hausaufgaben erledigt sind. Zielsetzung war es von Anbeginn, dass wir bis 2013 kapitalmarktfähig sind. Konkret betraf das die Refinanzierung, die Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS sowie die Optimierung unserer Bewirtschaftungsplattform. Vor der ITF haben wir natürlich Pilot Fishing gemacht.- Wann haben Sie damit begonnen?Das Pilot Fishing war zeitlich deutlich vorgelagert, das war noch im alten Jahr. Vom Timing war der Prozess idealtypisch, denn zum Jahresanfang ist mangels IPO-Konkurrenz der Aufmerksamkeitsfaktor sehr hoch. Die Portfoliomanager können sich auf die Roadshow konzentrieren und haben Zeit, das Unternehmen im Detail kennenzulernen. Ein weiterer Vorteil ist, dass bei den institutionellen Investoren zum Jahresanfang das Geld für die Allokation noch da ist.- Das wirft allerdings die Frage auf, warum es zum Beginn eines neuen Jahres nicht mehr Börsendebüts gibt.Das ist richtig. Ungewöhnlich war sicherlich, dass wir basierend auf den Zahlen zum 30. September an die Börse gegangen sind. Möglicherweise sind wir in dieser Hinsicht signalgebend für die Zukunft. Wir haben natürlich in verschiedenen Szenarien gedacht und für die verschiedenen Zeitpunkte die Vor- und Nachteile gegenübergestellt. Entscheidend ist, die ITF zum spätestmöglichen Zeitpunkt abzugeben. Nur so kann auf mögliche Verwerfungen an den Kapitalmärkten, mit denen man ja derzeit stets rechnen muss, reagiert werden.- Bedauern Sie, dass dem Unternehmen im Rahmen des IPO kein frisches Geld zugeflossen ist?Wir haben im Rahmen der Refinanzierung Überschussliquidität von 170 Mill. Euro generiert. Das ist zunächst unsere Basis für Akquisitionen. Da Immobilienkäufe mit einem Fremdkapitaleinsatz von 60 bis 65 % finanziert werden, haben wir eine Feuerkraft von 500 bis 600 Mill. Euro. Das entspricht etwa 10 000 Wohneinheiten. Vor diesem Hintergrund war bei uns schlicht und ergreifend keine Kapitalerhöhung erforderlich.- Hatten sie das von Anfang an auf dem Schirm?Ja, das meine ich mit strategischer Vorbereitung auf den IPO. Wir haben frühzeitig ganz gezielt auf die Überschussliquidität bei konservativem Risikoprofil hingearbeitet.- Wie verteilt sich der Streubesitz?Wir haben natürlich nur die Informationen zum Zeitpunkt der Allokation. Mit CBRE Clarion haben wir neben den Altinvestoren momentan nur einen Investor, der die Meldeschwelle von 3 % überschritten hat. Einige namhafte institutionelle Investoren liegen nach unseren Informationen knapp unter der Meldeschwelle. Der überwiegende Teil des Streubesitzes liegt in Großbritannien, in den USA und in Deutschland – hier ist unsere Branche bei Institutionellen traditionell untergewichtet. Dort bringen wir es auf geschätzte rund 10 % Streubesitz.- Wie sieht das im Vergleich zu Wettbewerbern wie GSW oder Deutsche Wohnen aus?Das ist sehr ähnlich. In der Aktionärsstruktur gibt es zahlreiche Überlappungen.- Bremst der hohe Anteilsbesitz Ihrer Altaktionäre die Kursentwicklung?Ich bezweifle, dass das Argument vom Aktienüberhang stichhaltig ist. Es war zum Börsengang bekannt, dass die Altaktionäre zunächst mit einem großen Anteil an Bord bleiben. Dennoch wurde die Aktie zu 44 Euro emittiert und ist nach einem Abrutschen auf 41 Euro in der Spitze auf bis zu 46 Euro gestiegen. Wenn die verbliebenen Anteile der ehemaligen Eigentümer tatsächlich eine Kursbremse wären, ließe sich die Kursentwicklung der vergangenen Wochen nicht erklären. Zum 1. August läuft die Lock-up-Periode der Altgesellschafter aus. Ob diese dann weitere Anteile in den Markt geben, liegt ausschließlich in deren Entscheidungssphäre. Darüber haben wir keine Informationen.- Zu Kursen unterhalb des Emissionspreises dürften die Altaktionäre jedoch kaum weitere Aktien abgeben.Objektiv betrachtet bieten wir mit einer Dividendenrendite von etwa 4 % und einer FFO-Rendite (Funds from Operations, FFO) von etwa 6 % im Bereich der börsennotierten Immobilienkonzerne die höchste Rendite. Zugleich notiert die Aktie leicht unter dem Net Asset Value (NAV). Bei Vergleichsunternehmen mit geringerer Rendite werden dagegen Prämien auf den NAV gezahlt. Von daher wird sich ein Aktionär gut überlegen, ob er zu Werten unterhalb des NAV Anteile verkauft.- Die LEG hat sich am Mittwoch für die Aufnahme in den MDax unter den sogenannten Fast-Entry-Regeln qualifiziert. Welche Erwartungen verbinden sie mit der Aufnahme in den Auswahlindex?Mit der Aufnahme in den MDax wird die Nachfrage nach der Aktie voraussichtlich steigen, was entsprechend positive Auswirkungen auf die Liquidität und auch den Kurs haben kann. Beides trägt positiv zu einer Senkung der Kapitalkosten bei. Durch die steigende Liquidität gewinnt die Aktie an Attraktivität, denn je liquider die Aktie ist, desto leichter ist es für einen Investor, seine Bestände kursschonend zu verändern. Unser erfolgreiches Geschäftsmodell ist jedoch nicht abhängig von der Aufnahme in einen Index.- Die Deutsche Annington nimmt den Börsengang ebenfalls ins Visier. Welche Informationen haben Sie als Wettbewerber zum Stand der Dinge?Dass sich die Annington auf den Börsengang vorbereitet, ist öffentlich bekannt. Das Bankenkonsortium steht, und gemäß den Regularien dürfen zwischen dem Börsengang und der Veröffentlichung des letzten testierten Abschlusses maximal 135 Tage vergehen. Auf der Grundlage des Abschlusses zum ersten Quartal und unter Berücksichtigung der Sommerferien müsste dann der IPO Anfang, spätestens Mitte Juli über die Bühne gehen.- Blicken Sie dem Annington-IPO mit Freude oder mit Furcht entgegen?Ich begrüße das sehr. Die gesamte Branche gewinnt dadurch an Gewicht. Nach meiner Einschätzung ist genügend Kapital im Markt, um den IPO der Annington aufzunehmen. Der Kuchen ist für alle groß genug. Es mag kurzfristig negative Effekte geben, längerfristig ist es aber für die ganze Branche positiv, wenn starke Unternehmen mit einer gewissen Kapitalisierung am Markt sind.- Ist die Equity Story eines Bestandshalters von Wohnimmobilien nicht sehr langweilig?Langweilig ist heute sexy. Unser Geschäftsmodell ist sehr risikoarm, dennoch bieten wir eine Dividendenrendite von 4 %. Eine Zehnjahresbundesanleihe wirft dagegen nur 1,4 % jährlich ab. Lassen wir Akquisitionen außen vor, dann wollen wir unsere Mieteinnahmen jährlich um 2 bis 3 % steigern. Bei einer weitgehend stabilen Kostenbasis übersetzt sich das in ein Ebitda-Wachstum von 4 bis 5 %. Berücksichtigt man dann noch die Finanzierungsstruktur, resultiert das Mietwachstum in einem FFO-Wachstum von 8 %. Da unsere Dividende an den FFO gekoppelt ist, winkt dem Investor im Basisszenario eine jährliche Dividendensteigerung von 8 %. Das, finde ich, hört sich keineswegs langweilig an.- Im Zuge des IPO haben sie stark auf mögliche Akquisitionen abgestellt. Wäre der Börsengang ohne Akquisitionsfantasie zum Scheitern verurteilt gewesen?Wir haben immer gesagt, dass wir Akquisitionen sehr selektiv betreiben werden. Ohne auf Qualität zu achten, ist es problemlos möglich, von heute auf morgen 10 000 Einheiten zu kaufen. Das machen wir aber ganz bewusst nicht. Wir gehen selektiv vor, weil wir hohe Anforderungen an die FFO-Rendite stellen. Das Ziel von 10 000 zusätzlichen Einheiten bis Ende 2014 können wir ohne Druck erreichen. Betriebswirtschaftlich sind Akquisitionen hochgradig sinnvoll, weil wir über eine Plattform verfügen, über die wir mit ganz geringen Zusatzkosten weitere 20 000 bis 25 000 Einheiten aufnehmen können. Hier liegt der Hebel für wachsende Profitabilität.- Wenn die Plattform noch so viel Raum bietet, was spricht dann gegen die Übernahme größerer Portfolios?Dagegen spricht nichts. 10 000 Einheiten sind die Größenordnung, die wir ohne Kapitalerhöhung stemmen können. Wir wollen unseren Investoren zunächst zeigen, dass wir 10 000 Einheiten integrieren können, bevor wir zusätzliches Eigenkapital einwerben. Wenn morgen jedoch eine einmalige Chance bestünde, 25 000 Einheiten zu Topkonditionen FFO- und wertsteigernd zu erwerben, würden wir natürlich nicht mit Scheuklappen durch die Welt laufen. So große Portfolios sind derzeit aber gar nicht am Markt.- Ihre Leerstandsquote ist zuletzt deutlich auf 3,2 % zurückgegangen. Die jüngst erworbenen Portfolios weisen dagegen mit über 8 % eine vergleichsweise hohe Quote aus. Müssen sie jetzt erst einmal Geld in die Hand nehmen, um den Leerstand abzubauen?Wenn wir investieren, wollen wir kein Portfolio erwerben, das nur 1 % Leerstand hat und die Miete entsprechend ausgereizt ist. Vielmehr setzen wir auf Portfolios, die – wie wir sagen – “slightly undermanaged” sind. Dort schlummert das wahre Potenzial.- Wie verhindern Sie Fehlkäufe?Wir kennen den Markt. Wenn wir ein Portfolio ins Auge fassen, schätzen unsere Fachleute, die anschließend auch die Bewirtschaftung verantworten, zunächst die Assets ein. Sie bewerten den Standort, begutachten den Leerstand und geben eine Schätzung ab, wie schnell der Leerstand auf welches Niveau abgebaut werden kann und welches Mietsteigerungspotenzial damit verbunden ist. Bei der Akquisition von 2 200 Einheiten im Mai beispielsweise haben wir kommuniziert, dass wir den Leerstand innerhalb von zwei Jahren von 8 % auf 4 bis 5 % reduzieren. Die Mieten haben zugleich 4 bis 5 % Potenzial. Dass damit ein höheres Investitionsvolumen einhergeht, ist klar.- Haben Sie die Refinanzierung jetzt vollständig abgeschlossen?Ja. Wir haben in den vergangenen vier Jahren 2,2 Mrd. Euro refinanziert und jetzt eine durchschnittliche Laufzeit in den Verbindlichkeiten von zwölf Jahren. Die Durchschnittsverzinsung liegt bei 3,3 %, der LTV (Loan to Value) bei 48 %. Vor 2016 haben wir keine nennenswerten Fälligkeiten. Laut Analysten sind wir mit diesem Profil das am besten finanzierte, öffentlich notierte Immobilienunternehmen in Europa. Die finanzielle Flexibilität bringt uns bei Akquisitionen enorme Vorteile.- Inwiefern?Wenn wir eine Absichtserklärung abgeben, kann der Verhandlungspartner davon ausgehen, dass der Kaufpreis schnell und zuverlässig fließt. Im Gegenzug streben wir Exklusivität in den Verhandlungen an. Das hat in Bocholt ebenso funktioniert wie bei der Akquisition im Mai 2013. Auch bei dem jüngsten Ankauf von gut 500 Einheiten war das der Fall. Für uns liegt der Vorteil darin, dass wir uns keinem preistreibenden Bieterwettbewerb aussetzen müssen.- Im Zuge der Refinanzierung haben sie den Bankenpool auf neun Institute verkleinert. Mit welchen Adressen arbeiten sie zusammen?Das sind im Prinzip alle deutschen Institute, die im Hypothekenbereich aktiv sind. Das geht von Berlin Hyp über Pbb (Deutsche Pfandbriefbank),Unicredit, BayernLB, Deutsche Hyp, Münchener Hyp, HSH Nordbank, SEB bis hin zur Corealcredit. Wir arbeiten ausschließlich mit deutschen Instituten zusammen.- Warum?Ausländische Institute waren bis vor kurzem vom Markt komplett verschwunden. Die erste Bank, die jetzt kürzlich in größerem Umfang in Erscheinung getreten ist, war die Bank of America, die bei Gagfah die Dresden-Finanzierung übernommen hat. Zudem gilt, dass grundpfandrechtlich besicherte Finanzierungen die günstigste Finanzierungsform sind.- Was mich dennoch wundert ist, dass die günstigeren Finanzierungskosten im Zuge der Refinanzierung ausschließlich auf den geringeren Basiszins zurückzuführen sind. Der Risikoaufschlag ist dagegen gestiegen.Das liegt an Basel III und den dadurch gestiegenen Eigenkapitalkosten bei den Banken. Das heißt, bei gleicher Profitabilität muss die Marge steigen. Basel III ist nach meiner Einschätzung jetzt vollständig eingepreist.- Im vergangenen halben Jahr ist die Immobilienfinanzierung vielfältiger geworden. So will die Deutsche Annington zusammen mit Berlin Hyp erstmals Immobilienschuldverschreibungen begeben, Gagfah setzt verstärkt auf Verbriefungen. Ist das ein neuer Trend?Das sind sicherlich Themen, die relativ neu sind. Vor einem Jahr wusste noch niemand, wie die fälligen Immobilienverbriefungen, die vor der Lehman-Pleite abgeschlossen wurden, refinanziert werden sollen. Dieses Volumen bei den bestehenden Playern im Markt zu refinanzieren, ist ja fast unmöglich. Die Deutsche Annington hat über 600 Mill. Euro bei der Berlin Hyp refinanziert. Es ist neu und bemerkenswert, dass eine einzelne Bank ein solch großes Volumen aufs eigene Buch nimmt, auch wenn die Berlin Hyp den Kredit wohl in der Sparkassenorganisation teilweise weiterplatzieren wird.- Wie sieht es mit Verbriefungen aus?Dass Verbriefungen wieder möglich sind, ist per se positiv. Dieser Markt war ja tot. Vitus war im September der erste Player, der einen CMBS (Commercial Mortgage Backed Securities) platzierte. Die Gagfah hat das Gleiche nun mit der Bank of America gemacht, die die Milliarde in den Markt weiterplatzierte. Für die Branche ist das sehr gut. Zum einen kehren die ausländischen Banken zurück und zum anderen öffnet sich der Verbriefungsmarkt wieder. Auch lässt sich beobachten, dass neue Kreditgeber, wie Versicherer, auf den Markt kommen. Das kann ich nur begrüßen, weil die Finanzierungsthemen, die auf der Branche lasten, eine Perspektive bekommen.- Sind neue Finanzierungsarten für die LEG grundsätzlich von Interesse?CMBS kommen für uns nicht in Frage, weil wir dafür Assets benötigen. Wir haben unser Vermögen grundpfandrechtlich beliehen, und an den Konditionen dieser Finanzierungsart kommt nichts vorbei. Wir zahlen im Schnitt eine Marge von 150 bis 200 Basispunkten, die Margen bei CMBS-Finanzierungen liegen deutlich darüber.- Ist der Kapitalmarkt für die LEG als Fremdkapitalquelle grundsätzlich tabu?Es ist immer eine Frage des Risikoprofils. Wenn ich beispielsweise eine CMBS-Finanzierung im Volumen von 1 Mrd. Euro mache, dann ist die Milliarde nach fünf Jahren auf einen Schlag fällig. Ich habe also ein Klumpenrisiko. Wir legen dagegen sehr großen Wert auf ein diversifiziertes Fälligkeitsprofil. Wir wollen in keinem Jahr mehr als 25 % unseres Gesamtexposures fällig sehen. 2018 haben wir eine Konzentration von 20 bis 25 %. Das ist aber verteilt auf verschiedene Banken. Was wir ins Auge fassen, um die Finanzierungsquellen zu diversifizieren, sind Wandelschuldverschreibungen.- Müssen sie dabei nicht auch den Verwässerungseffekt für ihre Altaktionäre in Anrechnung bringen?Sicher würde das zum Zeitpunkt der Wandlung einen Verwässerungseffekt nach sich ziehen. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass Mittel aus einer Wandelanleihe komplett in Akquisitionen FFO- und wertsteigernd investiert würden.- Käme die Wandelanleihe demnach als Alternative zu einer Kapitalerhöhung in Betracht?Diese unbesicherte Finanzierung kann bei den derzeitigen attraktiven Konditionen mit den niedrigen Kupons ein interessantes Instrument für die Unterstützung eines wertgenerierenden Wachstumskurses sein. In großem Volumen würde ich darauf jedoch nicht setzen. Es ist eine Option, über die wir nachdenken, um unsere derzeitig ausschließliche Hypothekenfinanzierung etwas zu diversifizieren. Eine Wandelanleihe ist aus meiner Sicht für die LEG die einzige Alternative zur klassischen Finanzierung über die grundpfandrechtliche Besicherung.—-Das Interview führte Annette Becker.