Im Interview:Dominik de Daniel

„Wir haben eine hohe Affinität für den deutschsprachigen Raum“

Seit April 2024 ist Dominik de Daniel als CEO der Kühne Holding operativ verantwortlich für das 35 Mrd. Euro schwere Beteiligungsportfolio des aus Hamburg stammenden Unternehmers Klaus-Michael Kühne. Der 49 Jahre alte Manager führt die weit verzweigte Firmengruppe vom Schweizer Örtchen Schindellegi aus.

„Wir haben eine hohe Affinität für den deutschsprachigen Raum“

Im Interview: Dominik de Daniel

„Wir sind aktiv auf der Suche"

CEO der Kühne Holding hält im deutschsprachigen Raum Ausschau nach Beteiligungsmöglichkeiten im Gesundheitssektor

Seit April 2024 ist Dominik de Daniel als CEO der Kühne Holding operativ verantwortlich für das 35 Mrd. Euro schwere Beteiligungsportfolio des aus Hamburg stammenden Unternehmers Klaus-Michael Kühne. Der 49 Jahre alte Manager führt die weit verzweigte Firmengruppe vom Schweizer Örtchen Schindellegi aus.

Herr de Daniel, Sie sind vor gut neun Monaten aus dem Verwaltungsrat an die Spitze der Kühne Holding als CEO gewechselt und haben die operative Verantwortung von Chairman Karl Gernandt übernommen. Sie waren bis dahin Finanzchef beim Schweizer Warenprüfkonzern SGS. Was hat Sie bei Kühne am meisten überrascht – und was haben Sie seit Ihrem Amtsantritt verändert und vorangebracht?

Als bisheriges Mitglied des Verwaltungsrats der Kühne Holding war ich schon nah dran am Geschäft. Insofern hat mich nichts völlig überrascht. Aber das Team ist bei der Kühne Holding mit rund einem Dutzend Personen sehr schlank und effizient, insofern läuft die Arbeit anders ab als bei einem Konzern wie SGS. Wir haben im vergangenen Jahr an der Strategie gearbeitet und sie geschärft. Mit der Akquisition von Aenova und unserer Beteiligung an Flix haben wir die ersten beiden wesentlichen Beteiligungen an nicht börsennotierten Unternehmen umgesetzt. Davon versprechen wir uns viel.

Wenn ein frecher Mensch behaupten würde, die Kühne Holding versammele ein disparates Portfolio an Beteiligungen mit einem riesigen Wert von 35 Mrd. Euro, aber ohne inneren Zusammenhang: Was würden Sie entgegnen?

Das Gegenteil ist der Fall. Mit unseren Beteiligungen an Kühne + Nagel, Hapag Lloyd, Lufthansa, Brenntag und jüngst Flix sind wir einer der größten Investoren im Verkehrswesen und der Logistik. Mit ihren globalen Netzwerken bewegen unsere Beteiligungen Güter und Personen. Als weiteres Investitionsfeld haben wir den Gesundheitsbereich definiert. Hier setzen wir auf Dienstleistungen und Medizintechnik und sind aktiv auf der Suche nach Beteiligungsmöglichkeiten. Im Jahr 2024 haben wir 87% der Anteile beim deutschen Pharmaauftragsfertiger Aenova vom Finanzinvestor BC Partners übernommen. Mitte 2027 werden wir die übrigen 13% erwerben. In die Segmente Generikahersteller, Alten- und Pflegeheime oder Healthcare-Software würden wir eher nicht investieren.

Welches strategische Ziel streben Sie mit der Holding als Ganzes an und wie wollen Sie es erreichen?

In der Kühne Holding sind die unternehmerischen Interessen von Klaus-Michael Kühne zusammengefasst. Das Ziel unserer unternehmerischen Ausrichtung ist es, unser Portfolio weiterzuentwickeln und zu diversifizieren. Unser Handeln ist darauf ausgerichtet, Werte zu generieren und Stabilität zu erhalten. Wir möchten mitgestalten und uns aktiv in die Entwicklung unserer Beteiligungen einbringen.

Wird es Neuzugänge im Portfolio geben?

Davon können Sie ausgehen. Die jährlichen Dividenden – insbesondere der zwei großen Beteiligungen – werden sinnvoll nach unseren unternehmerischen Prinzipien investiert. Dabei geht es um Zukäufe mit einem Eigenkapitalwert von 350 Mill. bis hin zu mehr als 1 Mrd. Euro, wie Sie dies beispielsweise an unserer Beteiligung an Lufthansa und Brenntag sehen. Unterhalb davon wäre der Einfluss auf den Wert des gesamten Portfolios – selbst bei einer sehr guten Entwicklung der Beteiligung – zu gering, um die Zeit da reinzustecken.

Als vor einigen Jahren die Reederei Hapag-Lloyd in die Hände eines neuen Eigentümers aus Singapur zu geraten drohte, verhinderte das ein Konsortium von Investoren mit der Stadt Hamburg. Im Zentrum stand Klaus-Michael Kühne. Seitdem wird er immer dann gefragt, wenn in seiner Heimatstadt Hamburg etwas gerettet werden muss. Das war bei Rene Benkos Elbtower so, und es ist bei der Warburg Bank so. Gehören Sie zu den Kaufinteressenten für die Warburg Bank?

Nein, definitiv nicht. Das passt nicht in unser Portfolio. Wir sind Fachleute für das Verkehrswesen und Logistik, hier liegt unsere Kernkompetenz. Bei Kühne + Nagel und Hapag Lloyd geht es um den Transport von Gütern, bei Lufthansa und bei Flix geht es im Wesentlichen um Mobilitätslösungen für Menschen. Durch die Akquisition von Aenova bauen wir Wissen im Gesundheitssegment auf.

Bei welchen Beteiligungen streben Sie den Exit an und auf welchem Weg?

Das heutige Portfolio ist aus den erfolgreichen unternehmerischen Entscheidungen von Klaus-Michael Kühne entstanden. Aus dieser Entstehungsgeschichte ergibt sich auch, dass die Mehrheitsbeteiligung an Kühne + Nagel das absolute Herzstück und Basis des Erfolgs der Gruppe ist, von dem wir uns nicht trennen werden.

Können Sie sich für Aenova und Flix einen baldigen Börsengang vorstellen?

Bei Aenova sehen wir das nicht. Auch bei Flix ist ein Börsengang nicht unmittelbar nötig, da im Rahmen des Erwerbs von 35% der Anteile durch die Kühne Holding und EQT dem Unternehmen jüngst zusätzliches Eigenkapital zugeflossen ist. Das Unternehmen wird weiter stark wachsen, die Präsenz ausbauen und in neue Märkte sowie das Zuggeschäft investieren. Schon jetzt sind die USA nach der Übernahme von Greyhound der wichtigste Markt für Flix. Mittelfristig ist ein IPO eine realistische Option. Wir als Kühne Holding sind langfristig orientiert und würden in solch einem Szenario tendenziell als Ankeraktionär dabeibleiben.

Was denken Sie über den Standort Deutschland?

Der Standort Deutschland ist derzeit in einer schwierigen Lage. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit hat nicht nur durch die höheren Energiekosten gelitten. Dies gilt es nun durch bessere Rahmenbedingungen und einem zügigen Bürokratieabbau entgegenzuwirken. Deutschland verfügt über einen starken Mittelstand mit guter Kapitalausstattung und gut ausgebildeten Fachkräften. Die Autoindustrie wird kräftig abbauen. Da muss man dann sehen, wie die vielen Fachkräfte anderweitig gut eingesetzt werden. Die Kühne-Beteiligungen sind allesamt international tätig und deshalb nicht von Deutschland abhängig. Aber wir haben als Investor eine hohe Affinität für den deutschsprachigen Raum. Da liegt unser Investitionsfokus.

Was bedeutet der Amtsantritt von Präsident Trump für Sie?

Natürlich verfolgen wir, was sich in den USA nach der Amtseinführung von Präsident Trump ändert. Allerdings haben unsere Beteiligungen jeweils eine führende Marktposition und sind global aufgestellt, sodass eine Vielzahl von weiteren Faktoren entscheidend für deren Entwicklung ist.

Die Kühne Holding hält 30% an Hapag Lloyd. Ist der Pakt von Kühne bei Hapag Lloyd mit der familiengeführten chilenischen Reederei CSAV (Compania Sud Americana de Vapores) und der Stadt Hamburg, der bis 2026 läuft, noch so fest wie zu dem Zeitpunkt, als er geschlossen wurde?

Das Bündnis ist stark und hat sich über viele Jahre bewährt. Die stabilen Beteiligungsverhältnisse sind ein elementarer Vorteil in einem Geschäft, das sehr volatil sein kann.

Die Stadt Hamburg, die über die Beteiligungsgesellschaft HGV derzeit 13,9% der Anteile hält und die beim 2014 geschlossenen Aktionärspakt mit den beiden anderen Großaktionären beteiligt war, um die Mehrheit am fusionierten Unternehmen kontrollieren zu können, hat sich an der Verlängerung des Pakts von Kühne und CSAV bis 2028 nicht beteiligt. Was ist daraus abzuleiten?

Dazu können wir als Kühne Holding nicht viel zu sagen. Das bestehende Bündnis läuft ja noch bis 2026.

Sollte der Suez-Kanal für die Europa-Asien-Route wieder uneingeschränkt befahrbar werden: Mit welcher Entwicklung bei den Transportpreisen ist dann zu rechnen, nachdem die Containerschifffahrt 2024 ja von einem deutlichen Preisanstieg infolge der Krise im Roten Meer profitiert hat?

Eine Entspannung der Lage rund um den Suez-Kanal würde dazu führen, dass die Schiffe nicht mehr den längeren Weg um das Kap der Guten Hoffnung nehmen müssten. Das würde definitiv einen Einfluss auf die Frachtraten haben.

Halten Sie ein Szenario mit einem ruinösen Preiskampf in der Containerschifffahrt wie in den Jahren nach der Finanzkrise wieder für möglich?

Die Containerschifffahrt ist ein kapitalintensives Geschäft, welches von hoher Volatilität geprägt ist und daher positive wie negative Phasen hat. Hapag Lloyd ist hervorragend positioniert und verfügt über eine starke Bilanz, um auch mal Durstrecken erfolgreich zu meistern.

Sie halten 15% an Brenntag. Zudem sind zwei aktivistische Investoren an dem Chemiehandelskonzern aus Duisburg beteiligt und fordern die Aufspaltung. Welches Ziel verfolgen Sie hier?

Wir sind als langfristig orientierter Investor an einer nachhaltigen Wertsteigerung interessiert. Als globaler Marktführer in einem attraktiven Markt hat das Unternehmen unserer Meinung nach viel Potential. Um dieses Potential zu schöpfen und hierbei insbesondere die Profitabilität zu stärken, bedarf es im ersten Schritt der Implementierung eines weitreichenden Kostenabbauprogramms sowie eines starken Fokus auf die operative Performance. In einem zweiten Schritt kann eine Separierung sinnvoll sein, wenn diese zusätzlichen Wert generiert.

Sie halten knapp 20% an der Lufthansa. Wollen Sie aufstocken?

Mit knapp 20% haben wir die von uns gewünschte Beteiligungsgröße erreicht und sind mit Karl Gernandt im Aufsichtsrat vertreten.

Das Interview führte Christoph Ruhkamp.