Im Gespräch: Dirk Graber, Gründer und CEO von Mister Spex

„Wir haben noch sehr viel Luft für den Fortbestand“

Der Omnichannel-Optiker Mister Spex hat 2023 mehr Umsatz gemacht und das operative Ergebnis verbessert. Diese Entwicklungen sollen sich 2024 fortsetzen. Doch vieles liegt noch im Argen, was sich im Kursrutsch der Aktie widerspiegelt. So wird das Unternehmen unter dem Strich noch jahrelang Verluste schreiben.

„Wir haben noch sehr viel Luft für den Fortbestand“

Im Gespräch: Dirk Graber

„Wir haben noch sehr viel Luft für den Fortbestand“

Der Gründer und CEO des Optikerkonzerns Mister Spex über Wachstum von Umsatz und operativem Ergebnis bei anhaltenden Nettoverlusten

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt

Im vergangenen Jahr machte Mister Spex – nach eigener Beschreibung „ein führender digital getriebener Omnichannel-Optiker in Europa“ – Fortschritte. Der Umsatz in den Online-Shops (in zehn europäischen Ländern) sowie in den 75 (i.V. 68) physischen Läden stieg um insgesamt 6,4% auf 223,5 Mill. Euro, und das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) wechselte das Vorzeichen: Nach minus 8,3 Mill. Euro 2022 wurde im abgelaufenen Turnus ein Plus von 0,9 Mill. Euro erwirtschaftet. Auch der operative Cashflow drehte von minus 20,8 Mill. auf plus 6 Mill. Euro.

Dirk Graber – er gründete Mister Spex 2007 in Berlin und verantwortet als CEO die Bereiche Business Development, IT, Data Analytics, Operations und Einkauf. Vor der Gründung von Mister Spex war der Diplom-Kaufmann (Jahrgang 1977) gut zwei Jahre als Berater für die Boston Consulting Group tätig. Foto: Mister Spex

„2023 sind die Geschäfte durch die anhaltend schlechte Verbraucherstimmung und das langsame Wachstum des Optikmarktes“ – nach GfK-Angaben rund 3% – „beeinträchtigt worden“, sagt Vorstandschef Dirk Graber im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Dennoch sei es „ein erfolgreiches Jahr“ gewesen. Mister Spex habe „die Effizienz gesteigert, indem wir uns auf das Kerngeschäft konzentriert, die Bruttomarge erhöht und eine schlankere Organisation aufgebaut haben“.

66 von 75 Läden in Deutschland

„Wir haben aktuell 75 Läden, davon in Deutschland 66, fünf in Österreich, drei in Schweden und einen in der Schweiz“, schlüsselt Graber auf. „Wir prüfen diese Läden ständig auf Profitabilität, so dass es zu der ein oder anderen Schließung kommen kann, während wir andererseits für 2024 die Eröffnung von ca. fünf neuen Läden anstreben.“ Der Anteil der stationären Läden am Gesamtumsatz liege bei 30%. Eine Hälfte befinde sich in Einkaufszentren, die andere Hälfte an hochfrequentierten innerstädtischen Standorten.

Das bereinigte Ebitda unterscheidet sich vom unbereinigten, das mit 4,7 Mill. negativ ist, um 5,6 Mill. Euro. Von der Differenz „entfallen 2,2 Mill. Euro gemäß IFRS 2 auf nicht cashrelevante Aktienoptionen (Stock-Based Compensation), die an das Management-Team – bestehend aus ca. zehn Personen – gingen, sowie 2,3 Mill. Euro auf Abfindungen, die infolge von Personalabbau in der Konzernzentrale in Berlin anfielen. Der Rest sind Transformationskosten“, erklärt Graber.

Kurs seit zwei Monaten auf Talfahrt

Allein: Die jüngste Schwäche der hochvolatilen Aktie zeigt, dass einiges im Argen liegt. Noch Ende Februar lag das im Prime Standard enthaltene Papier nahe dem 52-Wochen-Hoch bei 4,10 Euro. Seither ging es bergab. Als Ende März Jahresabschluss und Prognose veröffentlicht wurden, setzte sich der Abwärtstrend fort. Am Dienstag fiel der Kurs bis auf 2,69 Euro; das ist der tiefste Stand seit Anfang Dezember, während der Gesamtmarkt in dieser Zeitspanne kräftig anzog. Die Marktkapitalisierung von Mister Spex beträgt nur noch 93 Mill. Euro.

Der CEO verweist im Zusammenhang mit der Kursschwäche auf das Umfeld: „Wenn man sich den Optikermarkt und den E-Commerce allgemein ansieht, ist es nicht gerade so, als ob das Konsumentensegmente wären, in denen man zurzeit vor Freude tanzt.“

Abschreibungen von 43 Mill. Euro

Die Differenz zwischen bereinigtem Ebitda (0,9 Mill.) und Ebit (minus 47,7 Mill.) legt den Schluss nahe, dass es hohe Abschreibungen gab. Dazu Graber: „Nach Impairment-Tests haben wir Goodwill-Abschreibungen vorgenommen, z.B. weil die Abwertung der skandinavischen Währungen negative Auswirkungen auf die kalkulierte künftige Profitabilität der dortigen cash-generierenden Einheiten hat. Konkret betrifft das eine Übernahme, die wir vor rund zehn Jahren in der Region getätigt haben, sowie einige Retail-Stores.“ Laut dem Geschäftsbericht beliefen sich die Abschreibungen bzw. Wertminderungen auf 43,0 (29,8) Mill. Euro.

Es gibt bedenkliche Entwicklungen: Der Nettoverlust stieg 2023 um 7% auf 47,9 Mill. Euro, und der Finanzmittelfonds sank um 17,1 (21,9) Mill. Euro auf 110,7 Mill. Euro. Dies trug dazu bei, dass die Eigenkapitalquote von 68,5 auf 55,4% fiel.

Liquidität von über 110 Mill. Euro

Für 2024 wird ein Umsatzwachstum im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich erwartet sowie eine positive bereinigte Ebitda-Marge im niedrigen einstelligen Bereich nach 0,4 (2022: –3,9)% im Vorjahr. Diese avisierten Verbesserungen sind für ein Unternehmen, das Geld verbrennt, eher bescheiden. CEO Graber sieht das erwartungsgemäß anders: „Wir hatten im vergangenen Jahr einen negativen Cashflow von 17 (49) Mill. Euro und haben noch Liquidität von über 110 Mill. Euro. Das heißt, wir haben noch sehr viel Luft für den Fortbestand unseres Unternehmens. Wichtiger aber ist: Wir machen Fortschritte in unserer Profitabilität und sind, was unser organisches Wachstum angeht, komplett durchfinanziert.“

Solider Start ins Jahr

„Im Januar ist das Jahr zurückhaltend angelaufen“, berichtet Graber. „Dann lief es von Monat zu Monat besser. Insgesamt verlief das erste Quartal solide“, sagt er und fügt hinzu: „Die Wirkungen einiger Optimierungsmaßnahmen werden sich erst im laufenden und dritten Quartal bemerkbar machen, so dass wir auf Kurs zu unseren Jahreszielen sind.“

Der deutsche Markt, der für drei Viertel der Erlöse steht, wird dem Ausblick zufolge weiterhin der Haupttreiber des Umsatzwachstums sein, nachdem die DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) schon 2023 für den Zuwachs gesorgt hatte. International werden Erlöse auf dem Niveau des Vorjahres erwartet.

Korrektions- und Sonnenbrillen machen zusammen 70 Prozent des Umsatzes aus

„Den größten Teil unseres Umsatzes – sowohl online als auch in unseren Geschäften – machen wir inzwischen mit Korrektionsbrillen (40%)“, sagt Graber. „Doch auch Sonnenbrillen spielen eine große Rolle (30%). Etwa ein Viertel der von uns verkauften Sonnenbrillen sind Sonnenbrillen mit Korrektionsgläsern. Unser drittwichtigstes Produkt sind Kontaktlinsen (Anteil: 27%), wo der Umsatz allerdings seitwärts verläuft.“

Auch 2024 werde Mister Spex die Profitabilität des Geschäfts weiter verbessern, u.a. durch die Modernisierung der IT-Infrastruktur und den gezielten Einsatz von KI-Technologien. Ziel sei es, Effizienzgewinne zu realisieren und damit die Basis für nachhaltiges profitables Wachstum zu legen. Eine Wachstumsbeschleunigung soll durch die Erweiterung des Produkt- und Serviceangebots – etwa innovative, maßgefertigte Brillenfassungen – erzielt werden. Schon „in den vergangenen Jahren haben wir viel in unsere Filialen, aber auch in Technologie investiert“, betont Graber, „etwa für Gesichtsvermessungen, was natürlich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Brillenverkauf steht, und die Fertigung maßgefertigter 3D-gedruckter Brillen“.

Ihren mehr als 7,1 Millionen Kunden biete Mister Spex knapp 10.000 Brillen von einer Vielzahl an Marken an – vom Preiseinstiegsbereich, u.a. mit Eigenmarken, über das mittlere Preissegment bis hin zum High-End- bzw. Luxusbereich, etwa von Gucci, Prada oder Tom Ford.

Ein Small Cap unter Beobachtung

Trotz einer Marktkapitalisierung von weniger als 100 Mill. Euro und einer Streubesitzquote von lediglich 50% wird das Unternehmen von mehreren Analysten – u.a. von Barclays, Berenberg, Bryan Garnier, Oddo BHF und Quirin – gecovert. Das ist für heutige Verhältnisse, in denen sich Research-Häuser immer stärker auf Big Caps konzentrieren, ungewöhnlich.

Zu den Großaktionären von Mister Spex gehören EssilorLuxottica (10,5%), die Familie Büll (9,5%), Scottish Equity Partners (8%) sowie The Plattform Group (8%).

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