Matthias Zachert

„Wir haben weiteren Spielraum“

Mit der Akquisition von Emerald Kalama Chemical untermauert Lanxess den Anspruch, aktiv an der Branchenkonsolidierung mitzuwirken. Der US-Spezialchemiekonzern glänzt nicht nur durch Margen­stärke, sondern hilft den Kölnern auch, das Portfolio weniger zyklisch aufzustellen. Warum Kalama nicht nur strategisch eine ideale Ergänzung ist, erläutert Lanxess-Chef Matthias Zachert im Interview.

„Wir haben weiteren Spielraum“

Annette Becker.

Herr Zachert, ist die Übernahme von Emerald Kalama Chemical second best, nachdem das Spezialchemiegeschäft von Lonza an Bain Capital und Cinven ging?

Wir können natürlich nicht kommentieren, wo wir überall in der Due Diligence waren oder sind. Aber wir haben immer mehrere Eisen im Feuer. Anfang des Jahres haben wir im Vorstand ein Ranking der verschiedenen Optionen gemacht und Prioritäten gesetzt. Dabei haben wir ganz klar entschieden, dass Kalama unsere erste Präferenz unter den Akquisitionszielen ist. Das Geschäft ist hochattraktiv, zudem war die Wettbewerbsintensität im Bieterprozess überschaubar. Daher stand für uns fest, dass die Attraktivität nicht nur von der strategischen, sondern auch von der finanziellen Seite deutlich höher war als bei anderen Projekten.

Sie zahlen das Zwölffache des operativen Ergebnisses vor Abschreibungen. Können Sie den Kaufpreis in das M&A-Geschehen im Chemiemarkt einsortieren? Sind Übernahmen derzeit teuer, weil so viel Liquidität im Markt ist?

Die Endmärkte von Kalama sind sehr konsumentennah, und für diese Geschäfte werden eher höhere Multiples – 14 aufwärts – gezahlt. Für das Geschäft von Lonza wurde auf bereinigter Basis ein Multiple von 14 bezahlt, unbereinigt 13. Lonza ist nur zu 60 % Spezialchemiegeschäft, Kalama dagegen zu 100 %. Von daher zahlen wir ein überschaubares Multiple. Mit 30 Mill. Dollar erzielen wir zudem hohe Synergien, die wir binnen drei Jahren realisieren können. Das sind etwa 30 % des bestehenden Ertragsvolumens. Nach Berücksichtigung der Synergien kommen wir auf ein Multiple von 9, das ist sehr attraktiv. Hinzu kommt, dass die Akquisition von Beginn an einen positiven Ergebnisbeitrag auf berichteter Basis liefert.

Ein Viertel des Geschäfts entfällt ausweislich der Pressemitteilung auf industrielle Anwendungen. Wird dieses Geschäft in andere Segmente einsortiert?

Kalama ist zu 100 % ein Spezialitätengeschäft. Davon sind 75 % auf Consumer Care und 25 % auf den Industrial-Preservation-Bereich ausgerichtet. Wir kaufen mit Kalama auch ein kleines Geschäft mit phthalatfreien Weichmachern. Wir sind selbst ein führender Anbieter im sogenannten Weichmachergeschäft. Bei diesen Polymer-Additiven sind wir sehr breit aufgestellt, haben aber nur wenige phthalatfreie Weichmacher im Portfolio. Kalama ist auch an dieser Stelle eine tolle Ergänzung.

Hat Lanxess mit der Akquisition das Pulver verschossen?

Nein, keineswegs. Wir haben im vorigen Sommer gesagt, über eine Schuldenkapazität von 1 bis 2 Mrd. Euro zu verfügen. Davon ist jetzt 1 Mrd. Euro eingesetzt. Seither ist der Spielraum tendenziell noch gestiegen, weil wir auf einem höheren Ertragsniveau unterwegs sind. Wir gehen davon aus, dass sich 2021 gegenüber 2020 verbessern wird. Das heißt, wir haben ganz klar weiteren finanziellen Spielraum, um auch anorganisch zu wachsen. Das ist eine hervorragende Ausgangsposition, um die uns sicher manch anderes Industrieunternehmen beneidet.

Sie heben hervor, mit der Akquisition das Nordamerika-Geschäft auszubauen. Wie hoch ist der Anteil künftig und liegt dort die Zukunft? Der Wachstumsmarkt der Zukunft ist doch China.

Das ist richtig. 60 % des zukünftigen Wachstums der chemischen Industrie wird aus China kommen. In der nächsten Dekade ist China für die weltweite Chemie der Wachstumsmotor schlechthin. Aber die USA sind weiterhin die größte Volkswirtschaft der Welt und werden ebenfalls zum Wachstum beitragen. Nachdem wir unser Kautschukgeschäft veräußert haben, lag unser Umsatzanteil in Nordamerika bei knapp 10 %. Den haben wir in den vergangenen Jahren glücklicherweise wieder auf über 20 % ausgebaut. Inklusive Kalama wird der Umsatzanteil in Nordamerika auf ungefähr 25% kommen. Das ist im Verhältnis zur Größe der nordamerikanischen Volkswirtschaft ge­nau richtig, zumal wir unseren globalen Footprint weiter diversifizieren wollen.

Das Interview führte