Im Gespräch: Andreas Tönies, Vorstandschef von Daldrup & Söhne

„Wir kommen unserem zweistelligen Margenziel zügig näher"

Daldrup & Söhne (D&S) ist ein Spezialist für Bohrtechnik, insbesondere im Geothermie-Sektor. Das Unternehmen, dass sich zu rund 58% im Besitz der Gründerfamilie befindet, profitiert vom „Run auf Wärmeprojekte“, wie Vorstandschef Andreas Tönies im Gespräch mit der Börsen-Zeitung sagt.

„Wir kommen unserem zweistelligen Margenziel zügig näher"

Im Gespräch: Andreas Tönies

„Wir kommen unserem zweistelligen Margenziel zügig näher“

Der Vorstandschef von Daldrup & Söhne über die Erschließung von Geothermie zur Wärmeversorgung, staatlichen Rückenwind und Wettbewerber

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt

Daldrup & Söhne. Hört man das erste Mal von dieser Firma, denkt man an eine Handwerkerfamilie von Elektrikern oder Installateuren, und vor dem geistigen Auge tauchen ein Klein-Transporter und Mitarbeiter auf, die in Blaumännern stecken und große Werkzeugkästen schleppen. Ein Kleinbetrieb, eben. Tatsächlich ist Daldrup & Söhne ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von rund 50 Mill. Euro und schon seit dem 30. November 2007 börsennotiert. Da die Aktien aber im weniger beachteten Freiverkehr gehandelt werden und der Streubesitzanteil nur bei 42% liegt, hat es Daldrup nur bedingt geschafft, seinen Bekanntheitsgrad durch das Listing zu steigern. Dabei erscheint das Geschäftsmodell zukunftsträchtig und ist technisch anspruchsvoll, so dass neue Wettbewerber nicht so schnell auftauchen werden.

Spezialist für Bohrtechnik zur Erdwärmeerschließung

Daldrup & Söhne (D&S) ist ein Spezialist für Bohrtechnik, insbesondere im Geothermie-Sektor. Gebohrt wird zwar auch nach Rohstoffen wie Lithium und Kupfer sowie nach Wasser, vor allem aber zur Erschließung von Erdwärme, um diese für die Strom- und/oder Wärmegewinnung nutzbar zu machen. „Mit der Suche nach Öl und Gas haben wir nichts zu tun“, betont der Vorstandsvorsitzende Andreas Tönies im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Hier würden oft falsche Assoziationen geknüpft, dabei unterschieden sich Bohrungen nach fossilen Brennstoffen grundlegend von denen nach Erdwärme.

Marktführer in Kontinentaleuropa

Als mittelständisches Unternehmen mit Sitz im bayerischen Oberhaching habe D&S entschieden, sich auf die Dach-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) und Benelux (Belgien, Niederlande, Luxemburg) zu konzentrieren. „Im Geschäftsbereich Geothermie, unserem Schlüsselsegment, ist D&S mit mehr als 60 niedergebrachten Tiefenbohrungen Marktführer in Kontinentaleuropa“, sagt Tönies. D&S verfüge über mehr als 30 Bohranlagen, unter ihnen fünf für Tiefengeothermie-Projekte von 3.000 bis 6.000 Meter. Seit Beginn des Ukraine-Krieges werde der Ruf nach Geothermie zur Wärmeversorgung lauter, weil dadurch die Abhängigkeit von Erdgas weiter sinke.

„Wir erleben derzeit einen Run auf Wärmeprojekte."

„Wir erleben derzeit einen Run auf Wärmeprojekte“, konstatiert Tönies. „Das liegt auch an der erforderlichen Wärmewende. Denn eins ist klar: Ohne eine Wärmewende werden wir das Ziel, bis 2045 CO2-neutral Wärme zu erzeugen, nicht erreichen.“ Der Gesetzgeber habe erkannt, dass dies ohne regulatorischen Rahmen nicht zu erreichen sei – „und das treibt unser Geschäft an“. So sollen Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Zudem gebe es die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW), wo 40% eines Projekts bis maximal 100 Mill. Euro Volumen vom Staat über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) finanziert werden.

Fündigkeitsversicherung im Gespräch

Darüber hinaus sei eine staatliche Fündigkeitsversicherung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWi) in Zusammenarbeit mit der KfW und der Munich Re im Gespräch; dieser KfW-Förderkredit sei als Versicherung für das Risiko gedacht, dass z.B. bei einem Geothermieprojekt im Auftrag einer Kommune eine oder mehrere Tiefengeothermie-Bohrungen, die durchaus ein Investitionsvolumen von je 8 Mill. bis 16 Mill. Euro haben können, nicht auf die erhofften Ergebnisse stoßen. Das wäre dann ein „Stranded Investment“, so Tönies. Eine Fündigkeitsversicherung dient dazu, die Bohrkosten gegen einen solchen Verlust abzusichern. Aus finanziellen und rechtlichen Gründen ist eine fehlende Absicherung oft eine Hürde, die von den Kommunen nicht genommen wird.

Geplant ist nun laut dem D&S-Vorstandschef, dass die KfW, wenn die Bohrung nicht oder teilfündig wird, dem Investor bis zu 70% der Schulden erlässt und die Munich Re die verbleibenden 30% absichert. Bei Fündigkeit werde der Förderkredit wie ein Annuitätendarlehen bewertet. "All das sind Instrumente, die solche Projekte vorantreiben, die zwar aufgrund der Geologie und gemäß der seismischen Untersuchungen grundsätzlich gute Voraussetzungen mitbringen, bei denen es bisher aber keine privaten oder institutionellen Investoren gab, die bereit waren, mit einer Vorfinanzierung ins Risiko zu gehen.“

Private Investoren sollten sich mit Stadtwerken zusammentun

Tönies rät jedem nicht-kommunalen Investor, „der die Idee hat, Erdwärme anzuzapfen“, mit der anliegenden Gemeinde oder den Stadt-/Gemeindewerken zusammenzuarbeiten, die dann in der Regel auch das Netz betreiben. Wenn ein privater oder institutioneller Investor sich bei einem solchen Projekt engagieren möchte, rät der CEO zu einem SPV (Special Purpose Vehicle) – also einer Firma, die zu einem bestimmten Zweck gegründet wird –, in der kommunale Gesellschaften einen Anteil von mindestens 30% erhalten sollten.

Zwei Wettbewerber: Züblin und H. Anger´s Söhne

Gemäß Tönies gibt es in Westeuropa zwei Wettbewerber, die ungefähr das gleiche Leistungsspektrum anbieten wie D&S: Züblin, die seit 2005 zum österreichischen Baukonzern Strabag gehört, und H. Anger´s Söhne aus Hessisch Lichtenau (Nordosthessen); letztere kämen allerdings erst in der Bohrausführung ins Spiel. Dagegen gehörten Öl- und Gasbohrspezialisten nicht zur Peer Group. Die Qualität von deren Bohrungen sei längst nicht so hoch wie die von Geothermie-Bohrspezialisten. Beide Segmente unterlägen aber denselben Vorschriften, Richtlinien und Zulassungsvoraussetzungen.

„Unser Ziel ist eine zweistellige Rendite. Im ersten Halbjahr 2024 haben wir das mit einer Ebit-Marge von 10,2% erstmalig erreicht."

Die gestiegene Nachfrage nach Geothermie schlägt sich sichtbar in den Zahlen von D&S nieder: „Seit dem vorigen Jahr sind wir nach Rentabilität da angelangt, wo ein Bohrbetrieb unserer Größe nach hingehört – das heißt mindestens 5% Ebit-Marge bezogen auf die Gesamtleistung“, sagt Tönies, betont aber: „Unser Ziel ist eine zweistellige Rendite. Im ersten Halbjahr 2024 haben wir das mit einer Ebit-Marge von 10,2% erstmalig erreicht.“

„Substanzielle Zuwächse“

Im Halbjahresbericht hat der Vorstand seine Ende August angehobene Prognose für 2024 bestätigt: Es wird eine Gesamtleistung von rund 50 (49,1) Mill. Euro bei einer operativen Ebit-Marge zwischen 7 und 9 (5,3)% bezogen auf die Gesamtleistung erwartet. Daraus errechnet sich ein operatives Ergebnis zwischen 3,5 Mill. und 4,5 (2,6) Mill. Euro. „Für beide Kennzahlen – Ebit-Marge und Gesamtleistung – erwirtschaften wir also substanzielle Zuwächse gegenüber dem Vorjahr.“

Bilanzierung nach HGB angemessen

Die Gesamtleistung, eine in der Baubranche weit verbreitete Kennzahl, ist der Umsatz aus abgerechneten Projekten plus erbrachte teilfertige Leistungen aus sich in Arbeit befindlichen Projekten – im Fall von D&S erfolgt in Absprache mit den Wirtschaftsprüfern noch ein Sicherheitsabschlag von 15%, so Tönies. Nach IFRS sind Leistungen hingegen anteilig zum Projektfortschritt zu bilanzieren, „wir wenden aber den HGB-Rechnungslegungsstandard an“, erläutert Tönies. „Die Frage, ob wir als Bauunternehmen nicht mehr nach HGB, sondern nach IFRS bilanzieren sollten, hat sich uns nie wirklich gestellt. Ich sehe jedenfalls keine überzeugenden Vorteile, die eine Umstellung bringen würde. Dagegen ist der interne Aufwand bei einer Bilanzierung nach IFRS deutlich höher.“ Auch die Wirtschaftsprüfer von Grant Thornton sehen laut Tönies keine Veranlassung von der Rechnungslegung nach HGB abzuweichen.

Zur Begründung für den Rentabilitätsanstieg verweist D&S auf die Projekte mit gut ausgelasteten Bohranlagenkapazitäten, der planmäßigen Abrechnungen von tiefen Bohrungen bis zum Jahresende sowie gut gefüllte Auftragsbücher. Tönies geht sogar einen Schritt weiter: „Wenn es mittelfristig weiter so läuft wie bisher, und das ist der Management-Case, kommen wir unserem zweistelligen Margenziel zügig näher.“ Weitere Gründe für das positiv verlaufene erste Semester laut Tönies: „Wir hatten einen guten Jahresstart mit einem störungsfreien Verlauf der Projekte. Und wir haben eine ganze Reihe von operativen wie administrativen Effizienzsteigerungsmaßnahmen umgesetzt – u.a. wurde das Projekt- und Baustellen-Controlling deutlich verschärft.“

D&S sei über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg angesiedelt: „Am besten ist es, wenn wir schon bei der Erstellung der Machbarkeitsstudie involviert sind, so dass wir früh einen Einblick in die Geologie und damit in die Möglichkeiten der Projektrealisierung bekommen. Gerade auch aus wirtschaftlicher Sicht, denn wir können die Bohrkosten am besten einschätzen, und die machen rund 70% der Gesamtkosten eines Geothermieprojektes aus“, sagt Tönies.

Vertrag als Generalunternehmer erwünscht

„Wenn wir sämtliche Leistungen im Zusammenhang mit der Erstellung einer Bohrung als Generalunternehmer erbringen – das ist die von uns bevorzugte Vertragsvariante –, binden wir häufig große, auf bestimme Bereiche spezialisierte Subunternehmer mit US-Wurzeln wie Schlumberger und Halliburton. Der Auftraggeber, also z.B. die Kommune, hat dann stets uns als Ansprechpartner und muss sich nicht mit mehreren Unternehmen und deren Vertragsbedingungen auseinandersetzen“, verweist Tönies auf die Vorteile eines Generalunternehmervertrages. „Dafür nehmen wir natürlich einen branchenüblichen Margenaufschlag, dessen Höhe vom Wagnis und dem Beschaffungsrisiko abhängt.“ Die reine Bohrleistung mache bei einem Geothermieprojekt etwa 30% aus; die anderen 70% sind zugekaufte Leistungen wie Geodaten, Spülungsmaterialien und -service.

Zu den Kunden gehören vor allem öffentliche Auftraggeber (Kommunen, Stadtwerke), dagegen engagieren sich gemäß Tönnies institutionelle Investoren, Privatpersonen und Unternehmen seltener.

Verstromung „im Grunde unattraktiv“

Bei den Tiefengeothermie-Projekten ab 3.000 und bis zu 8.000 Meter „hat man in der Regel Temperaturen von mehr als 100 Grad Celsius. Da kann man direkt ins Wärmeverteilernetz einspeisen, Wärmepumpen zur Temperaturerhöhung sind nicht notwendig“, sagt Tönies. Die Erdwärme könne auch zur reinen Verstromung genutzt werden, doch das sei im Vergleich zu Wärmeprojekten aufgrund des geringen Wirkungsgrades von rund 15%, trotz der im deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verankerten Einspeisevergütung, „im Grunde unattraktiv“.

Die mitteltiefe Geothermie spiele sich zwischen 400 und 2.000 Metern ab. Das führe zu Temperaturen von bis zu 80 Grad Celsius. Solche Bohrungen sind interessant geworden, weil durch moderne Großwärmepumpen die Wärme um 30 bis 40% angehoben werden kann. Das heißt, man habe anfangs rund 50 bis 70 Grad, komme dann mit Hilfe von Wärmepumpen aber auf etwa 80 bis 100 Grad Celsius.„Das ist dann wirtschaftlich sehr interessant für die Einspeisung in ein Nahwärmenetz, um z.B. einen Stadtteil, ein Schwimmbad oder ein Industriegebiet mit Wärme zu versorgen. Entsprechende Aktivitäten führen wir derzeit in Neuruppin und in Kürze in Oldenburg durch“, sagt Tönies.

Flache Geothermiebohrungen gehen nicht tiefer als 400 Meter. Zu den Nutzern, für die dann der Anschluss an Wärmepumpen erfolge, gehörten Schulen und Fabriken, aber auch Häuslebauer, da Geothermie-Wärmepumpen effizienter seien als Luftwärmepumpen. „Für Sanierungen von Altbauten sind Luftwärmepumpen sinnvoll, aber für Neubauten definitiv die flache Geothermie“, so Tönies.

Endlagerung radioaktiver Abfälle

Neben „Geothermie“ ist der Bereich „Rohstoffe & Exploration“ für D&S noch von größerer Bedeutung. Darunter fällt die Suche bzw, das Bohren „nach Stätten für die Endlagerung nuklearer Abfälle“, erläutert Tönies.

„Zum Beispiel haben wir in der Schweiz gemeinsam mit der Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) nach solchen Lagerstätten gesucht und sie auch gefunden", berichtet Tönies.. "Direkt an der Grenze zu Deutschland, übrigens.“

D&S habe auch Kernbohrungen für Rückholschächte durchgeführt, weil im ehemaligen Salzbergwerk Asse in Niedersachsen Tonnen mit radioaktiven Abfällen lagern, bei denen nicht sicher ist, ob sie über mehrere Millionen Jahre wirklich dicht halten.

„Wir führen auch Explorations- und Kernbohrungen auf Lithium, Kupfer, Seltene Erden aus – diese stehen vor allem im Osten Deutschlands an“, sagt der CEO. „Das ist ein Bereich, der sich in der jüngsten Zeit sehr gut entwickelt hat.“ Auch für Ruhrkohle würden derzeit Grubengas-Entlastungsbohrungen erstellt.

Mitglieder der Gründerfamilie in Vorstand und Aufsichtsrat

An der Seite Tönies´ im Vorstand sitzen mit Bernd Daldrup und Karl Daldrup zwei Brüder und Mitglieder der Gründerfamilie. Vorsitzender des Aufsichtsrates ist der Vater der Brüder: Josef Daldrup. Ebenfalls in diesem Gremium sitzt die Tochter von Josef Daldrup: Michaela Daldrup-Arnold, die hauptberuflich als Projektmanagerin Capital Markets für die Deutsche Börsen arbeitet.

Mitglieder der Gründerfamilie halten insgesamt 58,4% der Aktien. Diese verteilen sich auf Bernd Daldrup (16,2%), Karl Daldrup (16,1%), Thomas Daldrup (15,7%), Michaela Daldrup-Arnold (5,2%) und Josef Daldrup (5,2%). Der Streubesitzanteil liegt damit bei 41,6%.

Die Aktie, die im Freiverkehr notiert ist, kostet derzeit rund 8,60 Euro, woraus sich eine Marktkapitalisierung von 51,7 Mill. Euro ergibt. Das Jahreshoch bildete sich auf Tradegate im Januar bei 10,15 Euro, das Tief im August bei 6,74 Euro.

Gut vernetzt in der Politik

Das Kontrollgremium hat noch zwei weitere Mitglieder: Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von D&S ist der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, der von 1994 bis 2017 Mitglied des Bundestages war und noch heute gern gesehener Gast in TV-Politrunden ist. Heinrich Goßheger, der sein Berufsleben im Sparkassensektor und in einer Genossenschaftsbank (Erfurt) zugebracht hat, wird zur Jahreswende altersbedingt Platz für Steffen Kanitz machen. Kanitz ist Vorstandsmitglied von RWE Power und zuständig für das Ressort Kernkraft bzw. den Rückbau der RWE-Kernkraftwerke. Von 2013 bis 2017 saß er als CDU-Abgeordneter im Bundestag.

„Wir haben immer gute Beziehungen zur Politik gehabt“, sagt Tönies und erinnert daran, dass einst auch Wolfgang Clement (SPD), von 1998 bis 2002 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und anschließend Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit bis 2005, Mitglied im Aufsichtsrat von D&S war.

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