"Wir rechnen mit richtigem Schub erst 2017"
– Herr Baustert, QSC schreibt seit fünf Quartalen rote Zahlen. Im Halbjahresbericht proklamieren Sie die Ergebniswende. Wann macht der Konzern unterm Strich wieder Gewinn?Wir haben schwierige Quartale hinter uns. Die Kosten sind in ein Missverhältnis zum Umsatz geraten. Die Personalkostenquote wurde von 2011 bis 2014 von 16 auf 28 % hochgefahren, und das ist eine Entwicklung, die ein Unternehmen dauerhaft nicht aushalten kann. Wir haben durch das Sparprogramm in den ersten sechs Monaten schon einiges erreicht. Unterm Strich haben wir nach wie vor rote Zahlen, das liegt aber auch an der sehr hohen Abschreibungsrate. Vor Abschreibungen lag unser Q2-Ergebnis bei 10,6 Mill. Euro. Wir laufen im Moment auf 50 Mill. Euro an Abschreibungen in diesem Jahr zu, weil wir noch viel telekommunikationslastiges Equipment haben. Das wird im nächsten Jahr deutlich zurückgehen. Deswegen haben wir eine sehr gute Chance, 2016 wieder unterm Strich Gewinn zu machen.- Die Ergebnisverbesserung im zweiten Quartal gelang nur durch Kostensenkungen. Der Umsatz schrumpft weiter. Wann wird QSC wieder ein Wachstumsunternehmen?Das ist eine gute Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Im alten Kerngeschäft Telekommunikation haben wir einen absolut stabilen Umsatz mit Geschäftskunden, doch das Wholesale-Geschäft für Privatkunden unterliegt Wettbewerbsdruck und Regulierung. In welchem Ausmaß das weitergehen wird, ist schwer einzuschätzen. Das Unternehmen hat jetzt zwei Jahre hintereinander jeweils 25 Mill. Euro Umsatz verloren und wird auch dieses Jahr wieder verlieren. Umsatzmäßig wird es nicht leicht sein, das Unternehmen zu drehen – jedenfalls nicht vor dem zweiten Halbjahr 2016. Wir rechnen mit einem richtigen Schub erst 2017. Und der wird durch das Outsourcing-Geschäft und die neuen Cloud-Dienste kommen.- QSC hatte einst ganz anders geplant.Die Gesamtsituation ist herausfordernder, als QSC das vor zwei, drei Jahren erwartet hat. Wenn man ein starkes Kerngeschäft hat und will daneben ein zweites starkes Kerngeschäft entwickeln, wie es die QSC macht, dann braucht das Zeit. QSC hat eine tolle zweite Chance aufgrund der bestehenden Technologie im Haus, aufgrund der Mitarbeiterstruktur und der Möglichkeiten der Cloud, aber es ist kein Selbstläufer.- QSC hat manchmal Schwierigkeiten, die neuen Dienste zu erklären. “Zu technikverliebt”, hat Vorstandschef Jürgen Hermann Anfang des Jahres gesagt. Werden Sie mal ganz konkret und beschreiben Sie ein vielversprechendes Produkt aus dem Cloud-Spektrum.Das Einfachste ist FTAPI – ein Dienst, um sichere E-Mails auch vom Smartphone zu versenden. Das wird unser Partner Vodafone von Ende dieses Jahres an seinen Geschäftskunden anbieten. Die zahlen monatlich eine Gebühr für die Möglichkeit, E-Mails mit einer Sicherung zu versehen und netzübergreifend verschlüsselte E-Mails zu versenden. Der Empfänger bekommt den Schlüssel über einen Link oder eine App kostenlos zur Verfügung gestellt, er muss sich nur einmal mit Namen und E-Mail-Adresse registrieren. Ein ganz anderer Dienst ist der, den wir Novoferm tormatic anbieten. Novoferm stellt Tore her, und wir haben eine Applikation entwickelt, mit der das Tor jederzeit von überall her bewegt werden kann. Sensoren werden an das Tor gesetzt, die Steuerung geht über das Internet und eine App. Sie können also in Südamerika sitzen und Ihrem Paketboten in Herne das Garagentor öffnen. Solche Fernsteuerungen sind in vielen Bereichen denkbar, bei Heizungen zum Beispiel.- Das reine Cloud-Geschäft ist derzeit allerdings mit nur wenigen Mill. Euro Umsatz noch sehr klein. Die margenstärkste Sparte Outsourcing, auf die Sie auch große Hoffnungen setzen, schwächelte im ersten Halbjahr. Sie sprechen von Umbau und Neuausrichtung. Was passiert da, und wann ist diese Phase zu Ende?Das Outsourcing war das Hauptgeschäft der ehemaligen Info AG und der ehemaligen IP Partner, die wir vor ein paar Jahren übernommen haben. Damals war es kleiner. QSC hat es in den Jahren 2012 und 2013 geschafft, dieses Geschäft mit großen Kunden wie einer Olympus, Amprion oder Fressnapf zu pushen. Diese großen Kunden brauchen intensive Pflege, und es ging letztlich auch darum, nicht nur die IT, sondern auch Mitarbeiter zu übernehmen. Das wollen wir künftig bei Neuaufträgen nicht mehr, weil das immer sehr kostenintensiv ist. QSC wird stärker auf den Mittelstand zielen. In dieser Umbruchphase befindet sich das Outsourcing.- Welchen Mittelstand wollen Sie adressieren?Unsere Zielgruppe sind Unternehmen mit bis zu 5 000 IT-Arbeitsplätzen. Die Untergrenze sind etwa 200 bis 300 IT-Arbeitsplätze, was dann aber vor allem cloudbasiertes Geschäft sein wird.- Verwischen da nicht die Grenzen zwischen den Sparten?Durchaus, und das ist gewollt. In der Sparte Cloud ist heute erstmals etwas enthalten, was man auch als modernes, weil cloudbasiertes Outsourcing-Geschäft bezeichnen könnte, nämlich unsere Pure Enterprise Cloud. Man offeriert einem Kunden IT-Dienstleistungen, die aufgrund der Cloud-Elemente anders strukturiert, flexibler und für den Kunden in der Regel kostengünstiger sind. Das wird die Zukunft sein!- Wie funktioniert das?Normalerweise geht der Kunde her und sagt: Nehmt meine IT und macht das für mich. QSC hat die Server dafür. Der Kunde kauft dafür eine bestimmte Struktur bei uns, und ob er sie zu 10 % nutzt oder zu 100 % – er muss sie voll bezahlen. Der Cloud-Kunde will keinen exklusiven Server für sich, sondern teilt sich Kapazitäten mit anderen. Letztlich ist das eine starke Flexibilisierung der Kosten für den Kunden.- Der deutsche Mittelstand ist aber noch kritisch in puncto Cloud.Wenn ein Unternehmer das nicht will, kann er auch auf das klassische Outsourcing zurückgreifen. Aber wenn wir unser Angebot erklären, wird er ganz schnell hellhörig, weil er merkt, hier kann er ja etwas sparen. Wir sehen im Augenblick, dass Outsourcing-Kunden, die wir schon seit vielen Jahren haben, sagen: Ich habe hier noch ein besonderes Feature, das will ich aber in der Cloud. Das ermöglichen wir ihm dann. Allerdings sind wir noch am Anfang. Hier sind wir noch in der Plattformgestaltung. Wir haben eine Plattform, auf der wir erst mal Infrastructure “as a service” und später auch Software “as a service” anbieten. Das klassische Outsourcing-Geschäft, wie wir es heute kennen, wird es irgendwann gar nicht mehr geben.- Wie ändert sich das Wettbewerbsumfeld, wenn Sie das Outsourcing-Geschäft neu aufstellen?Das Wettbewerbsumfeld ist in diesem Bereich Cloud-Dienste durchaus fragmentiert. Die großen internationalen Spieler und ihre Systemhäuser sind in dem Segment keine Konkurrenz für uns. Insofern sehen wir keine Verschärfung der Wettbewerbssituation.- Wir schnell kommen die Umsätze bei Outsourcing und Cloud?Insgesamt ist es schwer abschätzbar, wie es sich im Outsourcing und in der Cloud in den nächsten Monaten entwickelt. Es ist aber sehr klar, dass das ein sehr großes Geschäftsfeld ist. Ich gehe davon aus, in einigen Jahren wird es das größte Geschäftsfeld der QSC sein. Wir sind im Moment in einer Übergangsphase. Im ersten Halbjahr 2016 werden wir insgesamt wahrscheinlich noch nicht wachsen, aber vom zweiten Halbjahr 2016 an und die folgenden Jahre, so dass es den Konzern voranbringt.- Bleibt noch das Consulting-Geschäft…Im Consulting sind wir auf gutem Weg. Wir haben Umsatz und Ergebnis gesteigert, vor allem im SAP-Bereich. Ein SAP-Auftrag läuft auch in der Regel länger – etwa 12 bis 24 Monate – und ist stabiler als Aufträge im Microsoft-Umfeld, die oft nur sechs bis acht Wochen laufen. Die Zeit, bis man wieder einen neuen Kunden dann hat, ist verloren. Wir haben Leerzeiten festgestellt bei der Analyse und uns deshalb im Microsoft-Geschäft von einigen Mitarbeitern getrennt.- Wie ist Ihr Ausblick auf das Geschäft?SAP läuft richtig gut. Aber wenn etwas mit 30 Mill. Euro Umsatz um 10 oder 15 % wächst, kommen da im nächsten Jahr eben “nur” 35 Mill. Euro heraus und das reicht nicht, um die rückläufigen Telekomumsätze im Privatkundenbereich zu kompensieren. Wir brauchen also etwas, das sehr stark wächst. Und das kann nur das Outsourcing 2.0 beziehungsweise das Cloud-Geschäft leisten. Das ist der größte Markt.- Gibt es eine neue Mittelfristplanung des Konzerns? Das frühere hehre Ziel von 1 Mrd. Euro Umsatz 2016 wurde schon vor längerer Zeit eher stillschweigend begraben.Wir haben kein fixes Ziel für 2020 oder so im Visier. Wir machen im Herbst die Budgetplanung für das Folgejahr und die beiden darauf folgenden Jahre. Ich gehe davon aus, dass das eine Planung sein wird, in der der Bereich Cloud-Dienste/Outsourcing eine sehr starke Rolle spielen wird.- Die traditionellen, aber wegbröckelnden Telekom- und Datendienstleistungen sind bislang jedoch noch am umsatzstärksten. Welche Rolle werden sie mittelfristig spielen?Der Telekommunikationsbereich wird dieses Jahr eine Größenordnung von etwa 220 Mill. Euro Umsatz haben und damit über 50 % unseres Gesamtumsatzes Das wird sinken, aber es wird weiterhin ein wichtiger Umsatz- und auch Cash-Bringer sein.- Gibt es Margenziele für QSC? Wohin sollte das Unternehmen kommen?Es gibt keine offiziellen Margenziele, aber das, was wir jetzt zuletzt erreicht haben – eine Ebitda-Marge von 10,5 % – sollte sukzessive gesteigert werden. Ein Unternehmen wie QSC sollte in der Lage sein, mittelfristig auch Richtung 15 % zu gehen.- QSC hat vor Monaten mit einem Verkauf oder Teilverkauf des Netzes geliebäugelt. Der Plan wurde Ende März aufgegeben – unter anderem war von neuen Chancen die Rede. Oder haben Sie schlicht keine Interessenten gefunden?Ich bin froh, dass wir das Netz nicht verkaufen. Ich kam in laufende Gespräche rein, und Jürgen Hermann und ich haben uns nach reiflicher Überlegung dann dazu entschieden. Wenn wir das Netz weggeben, dann kann der Käufer an unsere Kunden gehen und sie mit ein paar Prozentpunkten Preisnachlass abwerben. Im Outsourcing sind wir außerdem nicht nur wegen unserer technischen Expertise erfolgreich, sondern auch, weil wir sagen können, eure Daten gehen über unser eigenes Netz in unsere sechs Rechenzentren und das ist alles extrem sicher. Das ist ein überzeugendes Argument.- Die Finanzierung ist Kernaufgabe des Finanzvorstands. Sehen Sie bei QSC Anpassungsbedarf?Das Unternehmen ist sehr gut aufgestellt, was die Finanzierung angeht. Man hat im Frühjahr vergangenen Jahres mit einem Schuldscheindarlehen über 150 Mill. Euro praktisch alle anderen Verbindlichkeiten abgelöst. Das läuft mit der größeren Tranche bis 2019 und mit einer kleineren bis 2021. Wir haben noch einen bestehenden Konsortialvertrag, der ist aber komplett getilgt und läuft nächstes Jahr aus. Wir erwarten, dass wir das mit einem kleineren Volumen refinanzieren, um flexibel zu bleiben. Wegen der Liquidität ist das nicht notwendig, aber sollte eine Akquisition anstehen in den nächsten Jahren, ist ein solches Back-up gut.- Denken Sie schon wieder über externe Expansion nach oder ist das noch reine Zukunftsmusik?Die Akquisitionen, die wir im vergangenen Jahr angedacht haben, haben wir erst einmal auf Eis gelegt. Wenn man in eine Kostensenkungsarie einsteigt, muss man die sehr konsequent befolgen. Wer gleichzeitig eine Firma kauft, kann sich nicht auf die eine Sache konzentrieren. Ich kann mir aber gut vorstellen, in Zukunft Zukäufe zu tätigen. Das wird vielleicht sogar notwendig sein.- Warum?Zum Beispiel um externes Wachstum zu generieren. Es gibt immer mal interessante Themen, die man zum eigenen Geschäft abrundend dazukaufen sollte. Generell halte ich Akquisitionen für etwas, was wir uns ab Mitte oder Ende nächsten Jahres wieder überlegen sollten – und dann auch können.- Welche Eigenkapitalquote streben Sie längerfristig mit QSC an?Wir liegen jetzt bei etwa 35 %. Ich weiß, dass im IT-Umfeld die Eigenkapitalausstattungen teilweise höher sind, aber ich halte unsere für ausreichend.- Werden die QSC-Aktionäre für 2015 eine Dividende bekommen?Die Dividendenstrategie in ihrem Kern ist unverändert. Wir wollen Dividende zahlen, allerdings unter einer Nebenbedingung: Wir müssen auch das Geld erwirtschaftet haben. Wir werden erst am 31.12. wissen, wie wir dastehen und wie der Vorschlag an den Aufsichtsrat sein wird.- Einen Griff in die Rücklagen wie im vergangenen Jahr schließen Sie also aus?Wir würden darüber sicher sehr intensiv nachdenken.—-Das Interview führte Antje Kullrich.