IM INTERVIEW: LARRY ROSEN

"Wir sehen TNT-Übernahme gelassen"

Finanzchef der Deutschen Post: Schauen uns auch mittlere Transaktionen an - Den Bondmarkt im Auge

"Wir sehen TNT-Übernahme gelassen"

– Herr Rosen, UPS will den niederländischen Expressdienstleister TNT für 5,2 Mrd. Euro übernehmen. Gerät die Deutsche Post DHL damit unter Zugzwang?Ganz und gar nicht. Unser Konzern ist exzellent aufgestellt in Europa und der Welt. Wir sehen die Übernahme von TNT gelassen. Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie lange es dauern kann, zugekaufte Unternehmen zu integrieren. Das muss dem Kundengeschäft nicht unbedingt gut bekommen. Wir investieren lieber in den Ausbau unseres Netzwerks. Zugleich erwarten wir eine angemessene Prüfung durch die Behörden.- Dabei mehren sich die Chancen für Zukäufe in der Logistik. Unter anderem sind Automotive-Aktivitäten von Faurecia und Pharma-Einheiten von Celesio im Spiel. Auch bei TNT könnte sich etwas abzeichnen. Scheut die Post größere Akquisitionen immer noch wie der Teufel das Weihwasser?Wir haben nach wie vor keinen strategischen Bedarf an großen Akquisitionen. Wir würden uns aber kleine und mittlere Möglichkeiten anschauen – aus opportunistischen oder komplementären Gründen.- Welche – und was heißt “klein” bzw. “mittel”?Wir sprechen hier grundsätzlich über eine Größenordnung bis höchstens etwa 200 Mill. Euro.- Das Finanzpolster für Zukäufe ist ja vorhanden nach Abschluss des Postbankverkaufs. Im Oktober läuft eine Anleihe aus. Wollen Sie die günstigen Zinsen nutzen oder die Bruttoverschuldung senken?Es gibt hierzu bislang noch keine Entscheidung. Aber so viel lässt sich sagen: Die Konditionen am Bondmarkt sind sehr attraktiv. Dementsprechend ist es nur natürlich, dass wir uns die Möglichkeiten im Hinblick auf die Fälligkeit genau anschauen.- Sie haben in der Einladung zur Hauptversammlung eine mögliche Notierung an einer ausländischen Börse angekündigt. Es geht sicherlich um China, wie weit sind Sie?Es gibt derzeit weder konkrete Pläne noch die Absicht für ein Zweitlisting an einer ausländischen Börse. Dieser Vorratsbeschluss erhöht lediglich unsere Flexibilität, falls sich dies irgendwann ändern sollte.- Also eine ähnliche Aussage wie Sie sie zum Aktienrückkauf regelmäßig machen?Was unsere Aktionäre in diesem Punkt von uns erwarten können, haben wir vor zwei Jahren klar in unserer Finanzstrategie definiert. Und danach haben Investitionen in das Geschäft zunächst einmal Vorrang. Dass sich diese Strategie auszahlt, sieht man im Quartalsabschluss.- Wenn man sich den Zwischenbericht anschaut: Gibt es keine Schwachpunkte mehr?In der Tat: Alle unsere Geschäfte entwickeln sich sehr gut. Wenn man auf die Risiken schaut, dann sind diese externer Natur. Da wir aber nach wie vor von einem globalen Wirtschaftswachstum von 3 bis 3,5 % ausgehen, sind sie derzeit beherrschbar.- Spürt der Konzern keine Auswirkungen der Konjunktureintrübung in vielen Ländern?Wenn überhaupt, sehen wir vereinzelte dämpfende konjunkturelle Effekte bislang nur in der Luftfracht. Dort gibt es einen Marktrückgang von etwa 3 % im ersten Quartal – unsere Mengen sind aufgrund des Fokus auf Profitabilität noch etwas stärker gesunken. Besonders betroffen ist in dem Zusammenhang momentan der Technologiesektor. Aber dort gibt es eine Verlagerung zur Seefracht, wo unser Konzern ja ebenfalls tätig ist. Alle anderen Geschäfte außerhalb der Luftfracht laufen rund: Express und Supply Chain zeigen sehr gute Wachstumsraten, gerade auch in Asien. Und auch der Brief entwickelt sich dank eines 14-prozentigen Volumenanstiegs im Paketgeschäft sehr erfreulich. Unser Vorteil ist: Wir sind mit unserer Marktposition und der Präsenz in den wichtigsten Wachstumsregionen der Welt robust und breit aufgestellt. Konjunkturelle Abkühlung an der einen Stelle können wir mit Teilhabe am Wachstum an anderer Stelle kompensieren.- Als Damoklesschwert schwebt die EU-Beihilfeentscheidung über dem Ergebnis. Wie ist der Stand?Wir wissen nach wie vor nicht, welchen Betrag Brüssel festlegen wird, rechnen aber mit dem unteren Ende der breiten Bandbreite von 500 Mill. bis 1 Mrd. Euro. Wir haben die juristischen Schritte dagegen eingeleitet und auch der Bund klagt gegen die Entscheidung.- Sie bleiben dabei, keine Rückstellungen zu bilden – warum?Nach den internationalen Rechnungslegungsvorschriften ist ein solcher Vorgang nicht ergebniswirksam zu buchen, wenn die Wahrscheinlichkeit, den Betrag am Ende zurückzuerhalten, mit über 50 % bewertet wird. Und wir sehen diese Wahrscheinlichkeit bei weit über 50 %. Wir haben das gemeinsam mit unseren Wirtschaftsprüfern genau analysiert. Im Cash-flow wird sich die Zahlung höchstwahrscheinlich im zweiten Quartal niederschlagen. In der Bilanz wird es einen Aktivtausch geben – Liquidität gegen Forderung.- Wenn dieser Vorgang nicht den Gewinn belastet und es operativ rundläuft, ist Ihre Guidance für 2012 dann nicht arg konservativ?Im Moment fühlen wir uns sehr wohl mit unserer Prognose eines operativen Gewinns zwischen 2,5 Mrd. und 2,6 Mrd. Euro im laufenden Jahr. Diese Guidance ist so früh im Jahr und im aktuellen Umfeld ehrgeizig, aber absolut realistisch.- Die Hauptversammlung dürfte interessieren, wie lange die inländischen Aktionäre die Ausschüttung steuerfrei erhalten.Einige Jahre ganz sicher. Genau festlegen möchte ich mich allerdings nicht und demzufolge auch keinen genauen Zeitpunkt nennen.—-Das Interview führte Walther Becker.