DAS CFO-INTERVIEW -- IM INTERVIEW: WOLFGANG SCHÄFER

"Wir sind ein Total Return Stock"

Continental-Finanzvorstand macht Aktionären nach Rückgang des Aktienkurses in diesem Jahr Hoffnung bei Dividende - Reduziertes Umsatzziel in Reichweite

"Wir sind ein Total Return Stock"

– Herr Schäfer, zwei Gewinnwarnungen, ein massiver Kursverlust an der Börse, der die Pläne für den Konzernumbau überschattet: War 2018 eines der schwierigsten Jahre, seit Sie 2010 die Verantwortung für das Finanzressort bei Conti übernommen haben?Es war nicht das schwierigste. 2010 und 2011 standen wir beispielsweise vor großen Herausforderungen bei der Finanzierung. Wir hatten in einem schwierigen Marktumfeld Anleihen zu platzieren. Das Unternehmen befand sich, was Cash-Generierung, operatives Ergebnis und Eigenkapital angeht, in einer ganz anderen Situation als heute. Wir werden in diesem Jahr mit unserem Ergebnis die im Januar 2018 formulierten Erwartungen nicht erreichen. Das ist enttäuschend, aber wir stehen damit im laufenden Jahr im Sektor nicht allein da. Immerhin aber wird die bereinigte operative Marge noch über 9 % liegen. Das ist immer noch ein sehr ordentliches Ergebnis.- Auf welche Faktoren sind die beiden Gewinnwarnungen in diesem Jahr zurückzuführen?Überwiegend externe Faktoren haben dazu geführt, dass die Hersteller und Zulieferer in der Automobilindustrie ihre Prognosen anpassen mussten. Unsere erste Anpassung im April wurde vor allem durch Wechselkursveränderungen ausgelöst. Die zweite im August resultierte im Wesentlichen aus Umsatzeinbußen, die wir durch verschlechterte Bedingungen vor allem in zwei Märkten – Europa und China – verbuchen mussten.- Wie gravierend schätzen Sie die Verschlechterung der Bedingungen ein?Es handelt sich um einen Wendepunkt bei der Fahrzeugproduktion in diesen zwei Märkten, die zu den wichtigsten weltweit gehören.- Wie beurteilen Sie den Verlauf des vierten Quartals? Ist der zuletzt avisierte Umsatz von rund 44,5 Mrd. Euro nach Wechselkurseffekten in diesem Jahr zu erreichen?Wir bewegen uns im vierten Quartal im Rahmen der Erwartungen. Unser Umsatzziel von rund 44,5 Mrd. Euro werden wir aller Voraussicht nach erreichen.- Hätten Sie den Wendepunkt eher voraussehen können?Nein, praktisch alle Autozulieferer und Autohersteller mussten ihre Umsatz- und Ergebniserwartungen spätestens im dritten Quartal zurücknehmen. Wir waren mit der Korrektur unserer Prognose einer der Ersten, was mit erhöhter Aufmerksamkeit einherging.- Nach der Krise vor einem Jahrzehnt hat Continental viele Jahre geliefert, was versprochen wurde. Hätten Sie mit Blick auf den geplanten Konzernumbau und das benötigte Investorenvertrauen vorsichtiger als üblich an das laufende Geschäftsjahr herangehen sollen?Am Jahresanfang prüfen wir denkbare Marktentwicklungen. Das Szenario, das uns am wahrscheinlichsten erscheint, bildet dann die Basis für unseren Ausblick. Anfang 2018 konnten wir nicht damit rechnen, dass es im dritten Quartal zu einem Absatzeinbruch in China um bis zu 30 % kommen und sich fast zeitgleich auch in Europa eine erhebliche Marktschwäche ergeben könnte. Es gab Anfang des Jahres keine Marktprognosen, die einen solchen Abschwung vorhergesehen hätten.- Die Conti-Aktie hat 2018 nach dem im Januar erreichten Allzeithoch von 257 Euro mehr als 50 % ihres Werts verloren. Wie beurteilen Sie den Kursverlust?Wir sind enttäuscht, keine Frage. Mit der Kursentwicklung bewegen wir uns aber im Mittelfeld der Autozuliefererbranche insgesamt.- Sind die Gewinnwarnungen ein Fingerzeig, dass Prognosen von Autoherstellern und Zulieferern generell schwieriger werden – wegen zunehmender konjunktureller Risiken oder auch zunehmender Regulierung?Wir bewegen uns in einer zyklischen Industrie, für die es schon immer schwer war, Wendepunkte in der Absatzentwicklung genau vorauszusehen. Neu ist, dass es inzwischen mehr Produktfelder gibt, in denen die Regulierung stärker eingreift. So zum Bespiel bei der Elektromobilität. In Märkten wie China kann die Regierung vergleichsweise kurzfristig Rahmenbedingungen ändern und somit auch die Zusammensetzung der Produkte beeinflussen, die auf den Markt kommen. Prognosen werden dadurch erschwert. Markteinschätzungen werden aber auch schwieriger, wenn Administrationen wie derzeit die amerikanische immer wieder über Änderungen der Rahmenbedingungen diskutieren.- Welche Folgen hätte es für Conti, sollten höhere US-Importzölle auf Autos aus Deutschland und der EU eingeführt werden?Das lässt sich, wie gerade gesagt, nicht einfach vorhersagen. Grundsätzlich gilt, dass sich unsere Produkte in einem in Europa gefertigten Auto nicht stark von den Produkten in einem in den USA gebauten Auto unterscheiden. Wenn also die Autos, die in Europa nicht gebaut und folglich auch nicht in die USA exportiert werden, stattdessen als amerikanische Fahrzeuge in den USA gekauft werden, dann sollten uns erhöhte Zölle nicht so stark betreffen. Wir sind in Europa und Nordamerika sehr gut aufgestellt.- Das ist eine Hypothese.Das stimmt. Prognosen bleiben schwierig. Die Handelsstreitigkeiten könnten auch zu einer größeren Zurückhaltung bei Autokäufern führen, weil diese möglicherweise darauf hoffen, dass sich Regelungen kurzfristig wieder ändern oder dass staatliche Konjunkturprogramme zur Unterstützung der Autobranche aufgelegt werden. Eine solche Kaufzurückhaltung würde uns sofort treffen, denn für die Zulieferindustrie ist vor allem die Zahl der produzierten Autos maßgeblich.- Womit rechnen Sie im kommenden Jahr?Die Risiken volatilerer Marktentwicklungen bestehen nach wie vor. Das gilt etwa mit Blick auf Zollstreitigkeiten zwischen den USA und China, aber auch zwischen den USA und Europa. Die Marktschwäche in China wird sich nach unserer Einschätzung in den ersten beiden Quartalen 2019 fortsetzen, ebenso sind die Probleme in Europa im Zuge der Umstellung auf den neuen Abgasprüfstandard WLTP noch nicht vom Tisch. Konjunkturrisiken ergeben sich aus dem italienischen Schuldenstand, es gibt die Brexit-Diskussion. Wir rechnen aber im kommenden Jahr mit einem leichten Wachstum der weltweiten Produktion von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen um 1 %. Dabei sollten die Wachstumsimpulse in der zweiten Jahreshälfte aus den genannten Gründen stärker sein als in der ersten.- Lässt sich das in diesem Jahr bei Investoren und Stakeholdern verspielte Kapital mit Blick auf den geplanten Konzernumbau und den ab Mitte 2019 geplanten Teilbörsengang der Antriebssparte (Powertrain) wieder aufholen?Wir sind mit unserem Produktportfolio im Konzern sehr gut aufgestellt. Das gilt auch für den Bereich Powertrain. Insofern sind wir sehr zuversichtlich, was die Zukunftsfähigkeit von Continental angeht.- Der Brandbrief, den der Konzernvorstand Anfang September an die “Senior Executives” schickte und auch in die Öffentlichkeit trug, sollte wohl auch dazu beitragen, den Vertrauensverlust mit Blick auf das kommende Jahr zu stoppen. Wie beurteilen Sie die Wirkung des Schreibens?Die Zielgruppe des Briefs waren unsere etwa 400 Top-Führungskräfte weltweit, nicht die breite Öffentlichkeit. Wir hatten den Eindruck, dass im Unternehmen nicht jeder verstanden hatte, dass alle anpacken müssen, um die mittel- und langfristige Zukunftsfähigkeit von Continental zu sichern. Gleichzeitig haben wir gesehen, dass sich wichtige Märkte schwächer entwickeln als ursprünglich angenommen. Umso wichtiger ist es, dass wir alle intensiv daran arbeiten, unsere Ziele zu erreichen. Den Brief haben wir geschrieben, um diese Botschaften in das Unternehmen zu tragen. Wir haben die gesamte Continental-Führungsmannschaft damit aufgerüttelt. Fairerweise sei hinzugefügt, dass wir den Brief aus heutiger Sicht sicherlich in der ein oder anderen Passage etwas anders formulieren würden.- Inwiefern?Wir würden die Gesamtverantwortung von allen, den Teamgedanken, noch stärker in den Vordergrund stellen.- Sie haben in dem Brief von einem halben Dutzend Geschäftseinheiten gesprochen, die hinter den Erwartungen zurückliegen. Wie entwickelt sich die Umsetzung der Verbesserungsmaßnahmen?Maßnahmenpläne sind bereits erarbeitet, und deren Umsetzung hat in weiten Teilen auch schon begonnen.- Wann werden diese Einheiten da sein, wo Sie sie gerne hätten?Das Ziel ist die vollumfängliche Umsetzung der Maßnahmen bei Contitech und Bereichen der Automotive Group im Jahr 2020. Erste Ergebnisse sollten sich schon im Jahr 2019 zeigen.- Wie groß ist die Verunsicherung im Unternehmen zum Ende dieses Jahres?Die Marktentwicklung hat kurzzeitig in Teilen der Organisation für Verunsicherung gesorgt. Wir haben aber schnell umgeschaltet. Wir alle arbeiten daher weiterhin hochkonzentriert an der Erfüllung unserer angepassten Jahresziele. Darüber hinaus sind wir mit unserem Portfolio unverändert sehr gut aufgestellt. Was den Powertrain-Börsengang angeht, liegt es an uns selbst, die Verselbständigung des Bereichs und die Vorbereitungen auf den IPO erfolgreich zu bewältigen. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingen wird.- Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit der Börsengang der Powertrain-Sparte 2019 stattfinden kann?Wir streben den Carve-out des Bereichs zum Jahreswechsel an. Die Vorbereitungen auf den Teilbörsengang haben auch schon begonnen, auch sie laufen nach Plan. Wir sind gut unterwegs, um wie angekündigt ab Mitte 2019 mit dem Powertrain-Bereich IPO-fähig zu sein.- Es soll ein Anteil von bis zu 25 % an die Börse kommen. Wovon hängt die Höhe des zu platzierenden Anteils ab?Entscheidend wird das Marktumfeld sein. Eine im zweiten Halbjahr stärker wachsende weltweite Fahrzeugproduktion sollte passende Bedingungen für einen Börsengang bieten. Aber es muss dann auch ein passendes IPO-Zeitfenster am Kapitalmarkt geben.- Welche Konsequenzen hätte ein Fehlschlag der Börsenpläne im kommenden Jahr?Wenn das Marktumfeld in der zweiten Hälfte nächsten Jahres aus unserer Sicht nicht attraktiv genug sein sollte, würden wir einen Börsengang verschieben.- Den Börsengang verschieben, ist das Ihr Plan B?Ja. Ein schlechteres Marktumfeld wird sich auch wieder verbessern.- Wofür soll der Mittelzufluss aus dem IPO verwendet werden?Unsere Ziele sind unverändert. Zum einen wollen wir langfristig unseren Anteil an dem zyklischen Erstausrüstungsgeschäft mit den Automobilherstellern von jetzt 70 auf 60 % reduzieren beziehungsweise unseren Anteil an dem weniger zyklischen Geschäft in den Reifen- sowie Autoteile-Ersatzmärkten und im Industriegeschäft von 30 auf 40 % erhöhen. Zum anderen wollen wir unsere Technologiekompetenz da verstärken, wo es uns hilft, unsere Geschäftsfelder weiter auszubauen.- Mit welchem Mittelzufluss kalkulieren Sie?Darüber zu sprechen, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch zu früh.- Wie wahrscheinlich ist nach dem IPO ein großer Zukauf zum Ausbau der Softwarekompetenz?Ein solcher Zukauf ist nicht auszuschließen. Wir wollen unsere speziellen Fähigkeiten im Software-Bereich ausbauen. Bereits heute sind mehr als 60 % unserer Produkte im Automotive-Bereich digitalisiert oder mit Sensoren ausgestattet. Ein Drittel unserer mehr als 47 000 Ingenieure hat bereits einen Software- oder IT-Hintergrund. Diese Trends werden sich weiter verstärken.- Wie groß könnte ein Zukauf sein?Wir sehen uns aktuell ohne Weiteres in der Lage, bis zu 5 Mrd. Euro für ein oder für auch mehrere Unternehmen zu bezahlen.- Was schwebt Ihnen nach dem Powertrain-IPO für die Sparte mit Blick auf das Geschäft mit Hybrid- und Elektroantrieben sowie auf die Batterieaktivitäten vor?Wir gehen unverändert davon aus, dass die Hybrid- und Elektroantriebe von 2020 an stärker wachsen werden, und erwarten, dass im Jahr 2025 rund 10 % der produzierten Pkw weltweit reine Elektrofahrzeuge sein werden. Die Produktentwicklung in diesem Geschäftsfeld wird das Wachstum deutlich beschleunigen.- Wann ist das Geschäft profitabel?Zum Ausblick unseres Geschäfts mit Hybrid- und Elektrofahrzeugen werden wir uns im Zuge des geplanten Teilbörsengangs äußern.- Wovon hängt Ihre Entscheidung ab, in die Batteriezellfertigung einzusteigen?Es muss sich ein für uns attraktives Geschäftsmodell aus einer passenden Technologie ergeben. Wir müssen über Know-how verfügen, das uns erlaubt, Technologien frühzeitig und idealerweise mit einem Alleinstellungsmerkmal an den Markt zu bringen. Nur dann, wenn eine nachhaltig attraktive Verzinsung in diesem kapitalintensiven Bereich möglich ist, wird Continental in diesen Bereich einsteigen. Wir erwarten, dass wir erst nach 2020 zu einer endgültigen Einschätzung kommen werden.- Werden Sie sich Partner suchen?Partnerschaften oder ein Konsortium wären sicherlich notwendig, sowohl mit Blick auf das notwendige Know-how als auch was die Risikostreuung angeht.- Ist es aus Ihrer Sicht unbedingt notwendig, dass es eine Kompetenz zur Batteriezellfertigung in Deutschland und Europa gibt?Die Fahrzeugindustrie braucht in Europa eigene Fertigungskapazitäten. Alleine schon aus logistischen Gründen.- Sollten deutsche Unternehmen künftig eine führende Rolle in der Batteriezellfertigung spielen?Wir begrüßen die Diskussion in Deutschland und Europa, denn es handelt sich um ein strategisch wichtiges Thema. Es ist eine gemeinsame Aufgabe von Politik und Industrie, Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsfähige Zellproduktion in Deutschland zu schaffen.- Was bedeutet der Konzernumbau, der über den Powertrain-Börsengang hinausgeht, für die Finanzierungsstrategie?Die Finanzierungsstrategie ändert sich mit dem Umbau nicht. Wir verfolgen unverändert einen nachhaltigen Finanzierungsmix.- Im Juli wurde eine 750-Mill.-Euro-Anleihe zurückgezahlt. Im Februar 2019 wird eine 500-Mill.-Euro-Anleihe fällig, 2020 zwei Anleihen im Volumen von insgesamt 1,35 Mrd. Euro. Was planen Sie hier?In diesem Jahr gab es keine Refinanzierungsaktivitäten, weil wir ausreichend finanziert waren. Wir werden unser Liquiditätspolster auch in der Zukunft in einem Rahmen halten, den wir für angemessen und notwendig erachten. In den vergangenen Jahren haben wir eine Liquidität von rund 5 Mrd. Euro vorgehalten. Neue Fremdmittel hängen vom Tilgungsprofil ab sowie von der Entwicklung des Geschäfts und des zugrunde liegenden Cash-flows. Als Unternehmen mit gutem Rating, mit niedriger Verschuldung und einer starken Eigenkapitalquote sind wir nicht besorgt, dass wir uns nicht, wenn erforderlich, erfolgreich am Kapitalmarkt refinanzieren können.- Wie beurteilen Sie die Cash-flow-Entwicklung in diesem Jahr?Der Cash-flow wird sich im Rahmen dessen bewegen, was wir für 2018 angekündigt haben – rund 1,6 Mrd. Euro. Die Summe ist bereinigt um M&A-Aktivitäten und um die Dotierung der US-Pensionen.- Bleibt Ihre Dividendenpolitik im Zuge des geplanten Umbaus unverändert?Ja. Wir sind ein Total Return Stock. Wie in den vergangen Jahren auch soll sich die Ausschüttungsquote in einem Band von 15 bis 30 % bewegen.- Wie wird die Dividende für 2018 bei geringerem Gewinn ausfallen, nachdem die Ausschüttung für 2017 um 25 Cent auf 4,50 Euro je Aktie im sechsten Jahr in Folge gestiegen ist?Natürlich wissen wir auch, dass die Erwartungen am Kapitalmarkt in einem Umfeld, in dem der Aktienkurs zurückgegangen ist, auf einer stabilen Dividendenzahlung liegen. Wie gesagt sind wir bilanziell sehr gut aufgestellt.- Werden Sie in diesem Umfeld die obere Grenze des Ausschüttungskorridors überschreiten?Das könnte in einem solchen Umfeld der Fall sein.- Eine Frage noch: Ihr Vertrag läuft bis Ende 2019. Machen Sie weiter?Über die Vertragsverlängerung entscheidet der Aufsichtsrat. Sie kann frühestens in der März-Sitzung des Aufsichtsrats beschlossen werden.—-Das Interview führte Carsten Steevens.