IM INTERVIEW: THOMAS GUTSCHLAG, DEUTSCHE ROHSTOFF

"Wir werden Öl und Gas noch ziemlich lange brauchen"

Der Vorstandschef über den schlechten Ruf des Fracking, die Krise in der US-Schieferölindustrie, den unterschätzten Ölbedarf und die laufende Bond-Emission

"Wir werden Öl und Gas noch ziemlich lange brauchen"

Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der Deutsche Rohstoff AG ist die Erschließung und Ausbeutung von Öl- und Gaslagerstätten in den USA. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt Vorstandschef Thomas Gutschlag, warum das Unternehmen mit Sitz in Mannheim in der Förderung auf das umstrittene Fracking setzt, die US-Schieferölindustrie in einer Krise steckt und wieso fossile Brennstoffe noch für Jahrzehnte zum modernen Leben dazugehören werden. Zudem erläutert er die hohe Ergebnisvolatilität des Small Caps (rund 70 Mill. Euro Marktkapitalisierung) und wozu die 100 Mill. Euro, die das Unternehmen mit einer Anleihe einzunehmen hofft, verwendet werden sollen. Herr Gutschlag, die Ölindustrie und die Fracking-Technologie stehen seit Längerem in der Kritik. Zum Vorwurf der Umweltverschmutzung kam der des Klimakillers hinzu. Stattdessen sind erneuerbare Energien und Elektromobilität angesagt. Brauchen wir die Öl- und Gasförderung noch?Wir werden Öl und Gas noch ziemlich lange brauchen. In der Projektion der Internationalen Energieagentur (IEA) bis 2040, die voriges Jahr veröffentlicht wurde, geht der relative Anteil von Öl, Kohle und Erdgas am Gesamt-Primärenergieverbrauch der Welt zwar zurück, doch absolut wird die Nachfrage der Studie zufolge auch die nächsten 20 Jahre noch steigen. Hinzu kommt, dass für die Prognose alle Einsparziele bei fossilen Energieträgern von Regierungen für bare Münze genommen wurden. Wenn das nicht realisiert wird – was ja viel wahrscheinlicher ist -, dann wird der Verbrauch an Öl, Kohle und Gas noch deutlich stärker steigen. Im World Energy Outlook 2018 der IEA bis 2025 wird von einer Steigerung des Verbrauchs von heute etwa 100 Mill. Barrel Öläquivalente pro Tag auf 105 Mill. Barrel ausgegangen. Bis dahin soll die Produktion aus gegenwärtig betriebenen Feldern stark sinken, die Förderung von Öl und Gas aus Schiefergestein aber deutlich zunehmen. Sind Sie auch so zuversichtlich?Das ist schon ein ziemlich ehrgeiziges Ziel, zumal gerade in der US-Schieferölindustrie, auf der ein Großteil der IEA-Wachstumserwartung aufbaut, ziemlich starke Bremsspuren zu beobachten sind. Hier wächst die Produktion beileibe nicht so stark, wie man das vielleicht noch vergangenes Jahr erwartet hatte. Wenn ich mir dann das Nachfrage-Basisszenario der IEA für die nächsten Jahre ansehe, frage ich mich schon, wo die zusätzliche Produktion herkommen soll. Welche Gründe hat das ausbleibende Förderwachstum in der US-Schieferölindustrie?Vor allem gibt es Finanzierungsprobleme. Gerade in den USA ist die Beschaffung von Eigen- und Fremdkapital zurzeit sehr schwierig. Auch sieht man jetzt, dass es mit der großen Flexibilität im Hoch- und Runterfahren von Anlagen zur Schieferöl- und -gasproduktion, mit der lange Zeit Förderkürzungen in anderen Teilen der Welt kompensiert werden sollten, doch nicht so weit her ist wie gedacht. Daher haben viele Produzenten momentan eher das Problem, ihre Existenz zu sichern, als über Wachstum nachzudenken. Erklärt das die Tiefstkurse bei börsennotierten Ölfeldausrüstern, die ja von Neu- und Ersatzinvestitionen leben?Zum Teil sicher. Auch wir spüren die Folgen der Branchenkrise – allerdings positiv, nämlich ganz stark an den Service-Preisen. Die Deutsche Rohstoff ist gerade dabei, in Colorado zu bohren; jetzt stellen wir fest, dass die Bohrungen wahrscheinlich deutlich günstiger werden als budgetiert, weil die Dienstleister mit ihren Margen nach unten gegangen sind. Die sind zurzeit froh, wenn sie überhaupt was zu tun haben. Nicht jeder ist Fracking-Experte. Können Sie in wenigen Worten den Unterschied zu konventionellen Bohrungen erklären?Im Gegensatz zu konventionellen Ölbohrungen, wo auf fünf Versuche im Schnitt ein Treffer kommt, hatten wir noch keine Bohrung, bei der wir nicht auf Öl gestoßen sind. Unser Erfolgsgeheimnis ist aber nicht, dass wir besonders genial sind, vielmehr geht es um unterschiedliche geologische Voraussetzungen, die auch zu unterschiedlichen Geschäftsmodellen führen. In der konventionellen Ölförderung sucht man nach “Taschen”; dabei ist Öl aus dem Muttergestein tief in der Erde in Richtung Oberfläche migriert und dann in einer “Falle” – bestehend aus Tonen oder Gestein – gefangen worden. In diesen Taschen sammelt sich das Öl an und ist dann abgeschirmt von der Umgebung. Andernfalls, wenn das Öl nicht gestoppt wird, wird es im Laufe der Zeit von Mikroben zersetzt. Das Problem der konventionellen Ölsuche ist, dass es schwierig ist, solche Taschen zu finden. Man kann – bei allen technischen Möglichkeiten, die man heutzutage hat – relativ leicht an solchen Taschen vorbeibohren oder man findet sie erst gar nicht. Und bei der Schieferförderung?… bohrt man direkt in das Muttergestein hinein, und zwar erst vertikal und dann horizontal. Das sind viel größere Strukturen, die tiefer in der Erde liegen. Wir bohren etwa in 3 bis 3,5 Kilometer Tiefe. Wenn man solche Bohrungen in Gebieten vornimmt, in denen es schon erfolgreiche Bohrungen gegeben hat, dann ist die Trefferwahrscheinlichkeit eben 100 %. Man hat dann keine trockenen Bohrungen. Nebenbei bemerkt: Wenn des Öfteren von der Sorge um das Grundwasser die Rede ist – die Grundwasserleiter liegen in maximal 150 Meter Tiefe. Daraus wird deutlich, wie fundiert diese Kritik am Fracking ist. Beim Fracking kommt es im Gegensatz zum konventionellen Förderung aber zum Einsatz von Chemikalien.Das ist korrekt. Unter hohem Druck wird Wasser und Sand in das Bohrloch gepresst; dadurch entstehen in dem ölhaltigen Gestein einer Lagerstätte Risse, die sich auch noch weiten. Dadurch erhöht sich die Durchlässigkeit. Das Öl kann dann leichter und beständiger zur Bohrung fließen und gewonnen werden. Die in das Bohrloch eingeleiteten Additive sind vor allem dazu da, Bakterien abzuhalten, die sonst mit dem Öl verkleben könnten. Das würde den Fluss des Öls beziehungsweise seine Förderung behindern oder unmöglich machen. Diesen Chemikalien oder Additiven wird nachgesagt, giftig oder zumindest gesundheitsschädlich zu sein.So toxisch können sie nicht sein. John Hickenlooper, der ehemalige demokratische Gouverneur von Colorado – ein Bundesstaat, in dem man bei einem Verstoß gegen die sehr strikten Umweltgesetze übrigens sehr schnell empfindliche Strafen aufgebrummt bekommt oder gar im Gefängnis landet – hat sich mal in einer Präsentation hingestellt und diese Additive sogar getrunken. Und bevor Sie nachhaken: Er lebt noch; “ehemalig” ist er nur, weil er sein Amt aufgab, um sich für das Präsidentenamt zu bewerben. Um den Reigen der Anti-Fracking-Argumente zu komplettieren: Wie sieht es denn mit Erdbebengefahr aus?Das war in Großbritannien kürzlich ein Thema und hat dort zu einem Moratorium geführt. Neu sind solche Bedenken nicht, aber es kommt auf die jeweiligen geologischen Gegebenheiten an, ob dort überhaupt ein Problem entstehen kann. In unseren Bohrgebieten in den USA, Colorado, North Dakota und Utah existieren Gesteinsformationen, die so aufgebaut sind, dass keinerlei Erdbebengefahr besteht. Es gibt in den Vereinigten Staaten dazu zahlreiche Untersuchungen, die eine deutliche Sprache sprechen. Besonders in Colorado, wo in den vergangenen zehn Jahren rund 3 000 Horizontalbohrungen erfolgten, hätte es sonst auch schon anderslautende praktische Erfahrungen geben müssen. Für unser Geschäft ist das also absolut kein Thema. Vor kurzem hat die Deutsche Rohstoff die Neunmonatszahlen veröffentlicht (siehe Tabelle). Wieder einmal gab es erratische Bewegungen: Der Umsatz sank im Jahresvergleich um fast zwei Drittel auf 31,2 Mill. Euro, das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) brach um drei Viertel auf 19,2 Mill. Euro und das Konzernergebnis um 84 % auf 2,4 Mill. Euro ein. Was sind die Gründe für diese starken Ausschläge, die ja fast kennzeichnend für die Deutsche Rohstoff sind, und welche Erwartungen hegen Sie mit Blick auf die nächsten Jahre?Dieser Rückgang war von uns erwartet worden, da wir in den Quartalen davor schlichtweg keine neuen Bohrungen vorgenommen hatten, um nach dem Powerjahr 2018 erst einmal durchzuatmen. Seit Jahresmitte bohren wir wieder und fangen in wenigen Wochen mit der Ölproduktion an. Für das nächste Jahr erwarten wir entsprechend deshalb wieder einen starken Anstieg des Umsatzes auf 75 bis 85 Mill. Euro und des Ebitda auf 55 bis 65 Mill. Euro. Wir wollen zudem auch 2020 weitere Bohrungen niederbringen, die dann mit der Produktion beginnen, und wir eruieren den Ankauf weiterer Bohrflächen in North Dakota und Utah. Fast zeitgleich mit dem Zwischenbericht haben Sie die Emission einer Unternehmensanleihe mit einem Volumen von bis zu 100 Mill. Euro angekündigt. Es wird der dritte Corporate Bond der Deutschen Rohstoff sein. Der erste wurde 2018 zurückgezahlt, der zweite hat noch eine Restlaufzeit von rund 20 Monaten. Welche Konditionen wird die neue Anleihe bieten?Die Laufzeit der neuen Anleihe beträgt fünf Jahre. Der jährliche Zinssatz beläuft sich auf 5,25 % und wird halbjährlich ausgezahlt. Zudem haben wir noch Covenants eingebaut wie eine Mindesteigenkapitalquote von 25 % und eine Klausel, dass unsere Ölreserven und Liquidität das ausstehende Anleihevolumen stets übersteigen müssen. Das öffentliche Angebot in Deutschland läuft noch bis zum 4. Dezember. Zudem findet eine Privatplatzierung bei institutionellen Investoren in Deutschland und mehreren europäischen Ländern statt. Die neue Anleihe wird voraussichtlich ab dem 6. Dezember im Open Market (Quotation Board) der Frankfurter Wertpapierbörse gehandelt. Begleitet wird die Emission von der ICF Bank AG aus Frankfurt. Inhabern der 2021 auslaufenden Anleihe wird ein Umtauschangebot gemacht?Ja. Sie werden zur Abgabe von Umtauschangeboten bis zum 29. November eingeladen. Die Anleihegläubiger können je 1 000 Euro nominal der Anleihe 2016/21 in den gleichen Betrag der neuen Anleihe 2019/24 tauschen. Zusätzlich erhalten sie die aufgelaufenen Stückzinsen sowie eine Barzahlung von 20 Euro pro 1 000 Euro nominal. Was haben Sie mit dem Emissionserlös des Bonds vor?Der Emissionserlös soll dazu dienen, unser Öl- und Gasgeschäft in den USA weiter auszubauen. Die Deutsche Rohstoff ist dort seit fast zehn Jahren am Markt aktiv. Sie fördert momentan aus insgesamt 8 044 Horizontalbohrungen. Zurzeit werden die bereits erwähnten weiteren elf Bohrungen fertiggestellt, die voraussichtlich ab Dezember 2019 Öl und Gas produzieren. Wie steht es um Ihre Öl- und Gasreserven?Die sicheren, gutachterlich bestätigten Ölreserven der Deutschen Rohstoff belaufen sich auf 29 Mill. Barrel Öläquivalente. Daraus resultieren ein Umsatzpotenzial von 987 Mill. Euro und ein erwarteter Cash-flow von 340 Mill. Dollar. Das Interview führte Martin Dunzendorfer.