DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: MICHAEL PONTZEN

"Wir wollen ein verlässlicher Dividendenzahler sein"

Lanxess-Finanzchef: Joint Venture im Kautschukgeschäft strebt aktive Rolle in Konsolidierung an - Fokus liegt aber auf Geschäften mit weniger Zyklizität

"Wir wollen ein verlässlicher Dividendenzahler sein"

– Herr Pontzen, der Abschluss des Vertrags mit Saudi Aramco im Kautschukgeschäft war im vergangenen Jahr für Lanxess ein Meilenstein. Was bringt Ihnen das Joint Venture (JV) operativ?Mit dem Joint Venture Arlanxeo, das wir mit Saudi Aramco gegründet haben, schließen wir eine strategische Lücke. Denn anders als unsere größten Wettbewerber im Kautschukgeschäft waren wir bislang nicht rückwärtsintegriert. Zwar sind wir derzeit noch in langfristigen Verträgen an andere Lieferantengebunden, wir gehen aber davon aus, in den nächsten vier bis fünf Jahren auch mit Saudi Aramco Rohstoffverträge abschließen zu können.- Heißt das im Umkehrschluss, dass Lanxess auf Sicht der nächsten drei Jahre keine operativen Vorteile aus dem Joint Venture zieht?Es ist eine strategische, langfristige Entscheidung. Kurzfristig haben wir Überkapazitäten im globalen Kautschukmarkt, die sich in den nächsten zwölf bis 18 Monaten noch vergrößern werden, weil weitere Kapazitäten auf den Markt kommen und der Preisdruck folglich bestehen bleibt. Diese Herausforderungen kann das Joint Venture von zwei starken Partnern besser meistern als einer allein. Ab 2019 sollte sich die Situation dann wieder verbessern.- Die JV-Partner haben sich für die Dauer von fünf Jahren aneinander gebunden. Was passiert danach?Wir haben uns für fünf Jahre auf einen gemeinsamen Weg verpflichtet und wollen dabei auch die erwartete Konsolidierung des Marktes begleiten. Wie es nach fünf Jahren weitergeht, entscheiden wir später.- Arlanxeo will die erwartete Konsolidierung begleiten. Wie hat man sich das vorzustellen? Gibt es Vereinbarungen, wie sich Lanxess und Saudi Aramco im Falle einer Großakquisition die Finanzierung aufteilen?In einem Joint Venture ist es wichtig, dass sich die Eigentümer in der strategischen Ausrichtung einig sind. Es besteht Einigkeit in der Einschätzung, dass sich der Markt in den nächsten Jahren konsolidieren wird. Es besteht auch Einigkeit darin, dass wir – Lanxess als größter Hersteller von synthetischem Kautschuk und Saudi Aramco als größter integrierter Energiekonzern der Welt – uns mit Arlanxeo aktiv an der Konsolidierung beteiligen und uns entsprechende Opportunitäten anschauen.- Rechnet man bei Lanxess das Kautschukgeschäft heraus, stand der Konzern 2015 für einen Umsatz von 5 Mrd. Euro und ein operatives Ergebnis vor Abschreibungen (Ebitda) von gut 500 Mill. Euro. Reicht das für die Eigenständigkeit?Das sind rein hypothetische Zahlen. Die ganze klare Marschroute für die “neue” Lanxess heißt Wachstum. Wir wollen dabei die Qualität des Portfolios und der Ergebnisse erhöhen. Das heißt, wir wollen uns von zyklischen Geschäften in Massenmärkten mit hohen Rohstoffkostenanteilen wegbewegen und uns stärker auf kleine und mittlere Märkte mit weniger Zyklizität fokussieren. Diesen Weg werden wir in den nächsten Jahren beschreiten – durch organisches und anorganisches Wachstum.- Das hört sich so an, als hätten Sie das Kautschukgeschäft zumindest gedanklich schon abgeschrieben.Im Gegenteil: Wir haben uns mindestens für die nächsten fünf Jahre gebunden und sind davon überzeugt, dass sich dort Opportunitäten ergeben werden. Wir konsolidieren das Geschäft noch für drei Jahre im Lanxess-Konzern und werden das Joint Venture eng begleiten. Der mittelfristige Fokus liegt aber eindeutig auf der neuen Lanxess – also den Geschäften mit Spezialchemikalien, Zwischenprodukten und Hochleistungskunststoffen.- Die Frage ist aber doch, ob Lanxess ohne das Kautschukgeschäft noch groß genug ist, um den Weg als eigenständiger börsennotierter Konzern fortsetzen zu können.Für uns ist entscheidend, den Unternehmenswert zu steigern. Das gelingt, wenn wir das zur Verfügung stehende Geld so investieren, dass die Qualität des Ergebnisses steigt – zum einen, indem der Kuchen wieder größer wird, und zum anderen durch stabilere operative Ergebnisse.- Als börsennotiertes Unternehmen kann man das Größenthema jedoch nicht ausblenden. Lanxess hat selbst einschlägige Erfahrung gemacht. Nach dem Aufstieg in den Dax im Jahr 2012 folgte im vergangenen Jahr der Abstieg in den MDax und damit der Verlust einer Reihe institutioneller Investoren.Die Bewertung des Unternehmens erfolgt immer auf Basis der vorliegenden Daten und der Erwartungen. Wir treten an, um den Wert zu steigern, und wir sind überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Dies sehen auch unsere Investoren so.- Gerade vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum Lanxess 200 Mill. Euro in den Aktienrückkauf stecken will? Am Unternehmenswert ändert sich dadurch nichts.Mit Abschluss des Joint Ventures haben wir einen Erlös von 1,2 Mrd. Euro erhalten. Wir haben uns entschieden, einen Teil der Mittel in organisches Wachstum, einen Teil in den Schuldenabbau und einen Teil in den Aktienrückkauf zu stecken. Diese Form der Allokation halten wir für angemessen und sinnvoll. Und mit dem Rückkauf erhöhen wir den Unternehmenswert je Aktie.- Gab es Druck von Investoren?Nein. Wir wollen einfach transparent sein. Wir haben verschiedene Stakeholder, denen wir gerecht werden wollen. Den Beschäftigten haben wir signalisiert, dass wir investieren, den Kreditgebern, dass wir Schulden zurückführen und den Aktionären, dass wir ihnen etwas zurückgeben, weil sie uns vor zwei Jahren beim Start unserer Neuausrichtung geholfen haben.- Sie wollen 400 Mill. Euro in organisches Wachstum investieren. Haben Sie neben dem angekündigten Ausbau einer Produktionsanlage in der Feinchemie schon weitere Projekte identifiziert?Der Ausbau der Anlage unseres Tochterunternehmens Saltigo ist derzeit das prominenteste Projekt. Weitere Optionen loten wir gerade aus. In erster Linie geht es dabei um Ausbaumaßnahmen und nicht notwendigerweise um den Bau neuer Anlagen. Wir haben aber keine Eile. Das gilt auch für Akquisitionen. Die Investitionen in organisches Wachstum strecken wir über die nächsten drei bis vier Jahre.- Sind Sie sicher, dass es keine Eile für Akquisitionen gibt? Die Branchenkonsolidierung in der Chemie ist doch in vollem Gange.Auf der einen Seite läuft die Konsolidierung, auf der anderen Seite gibt es aber auch Bereiche, die dekonsolidiert oder abgespalten werden. Auch in den letzten Jahren sind immer wieder Assets auf den Markt gekommen. Aufgrund unserer bisherigen angespannten Finanzlage konnten wir bis vor kurzem an diesem Prozess gar nicht teilnehmen. Das ist jetzt anders. Aber am Ende des Tages geht es darum, Wert zu schaffen. Darum lassen wir uns bei M & A-Transaktionen auch nicht hetzen, zumal wir mit dem Erwerb des Hygiene- und Desinfektionsgeschäfts von Chemours gerade erst eine Akquisition angekündigt haben. Wir haben es in den vergangenen 18 Monaten geschafft, den Konzern zu entschulden, die Kostenstrukturen anzupassen, den Cash-flow wieder in Gang zu setzen, das Kautschukgeschäft in ein Gemeinschaftsunternehmen einzubringen und eine Akquisition initiiert. Wir haben also in kurzer Zeit eine Menge geleistet.- Wenn heute ein attraktives Geschäft zum Verkauf gestellt wird, ist es in sechs Monaten sicher nicht mehr da.Wir begeben uns ganz bewusst nicht in eine Situation, in der wir bis zu einem Zeitpunkt X eine Akquisition tätigen müssen. Wichtig ist, dass es strategisch und finanziell passt. Dann sind wir auch in der Lage schnell zu handeln, wie man am Beispiel Chemours sieht.- Ihre Feinchemie-Tochter ist eine “verlängerte Werkbank” der Agrochemiekonzerne. Was bedeutet die gerade laufende Konsolidierung in dieser Industrie – Chemchina erwirbt Syngenta, Bayer wirbt um Monsanto und aus dem Zusammenschluss von DuPont und Dow Chemical entsteht ein weiterer großer Agrochemiekonzern – für Saltigo?Das betrachten wir als neutral bis positiv für unser Geschäft. Insbesondere im Fall von DuPont und Dow ergeben sich sicher auch noch neue Chancen für starke Vorproduzenten wie uns. In Summe zeigt die Konsolidierung doch, dass alle Player das Segment als Wachstumsmarkt ansehen. Und diese Einschätzung teilen wir.- Sie haben angekündigt, die ratingrelevanten Schulden um 400 Mill. Euro abzubauen. Schaut man sich an, was Bayer für Monsanto zu zahlen bereit ist, könnte man meinen, Verschuldungsrelationen sind heute nicht mehr so wichtig. Wie schätzen Sie das ein?Wir haben eine Losung, die seit dem ersten Tag von Lanxess Gültigkeit besitzt: Wir wollen ein Investment-Grade-Rating haben. Das ändert sich auch dadurch nicht, dass aktuell sehr viel Liquidität in den Märkten vorhanden ist und auch Unternehmen mit schwächeren Bonitätsnoten guten Zugang zu Liquidität haben. Es ist gerade einmal sieben Jahre her, dass es für Unternehmen ohne Investment-Grade-Rating schwierig war, überhaupt an Liquidität zu kommen. Damals waren wir heilfroh, über ein Investment-Grade-Rating zu verfügen.- Haben Sie innerhalb des Investment Grade ein konkretes Zielrating?Heute werden wir mit “BBB-” bewertet und bewegen uns dabei am unteren Rand für ein Investment-Grade-Rating. Durch die Kapitalzufuhr aus der Joint-Venture-Transaktion im April wurden unsere Nettofinanzverbindlichkeiten per Ende März quasi ausgeglichen. Die Verschuldung wird demnach durch die Pensionsrückstellungen definiert, die zum 31. März rund 1,4 Milliarden Euro betrugen. Die aktuellen Finanzkennzahlen erlauben eine Rückkehr in den “BBB”-Bereich. Ob die Ratingagenturen diese Einschätzung teilen, werden wir im Sommer sehen, wenn die Jahresgespräche stattgefunden haben.- Mit der weiteren Ausfinanzierung der Pensionen um 200 Mill. Euro kommen Sie auf einen Ausfinanzierungsgrad von 51 %. Die Dax-Werte kommen im Schnitt auf 65 %. Streben Sie mittelfristig einen höheren Ausfinanzierungsgrad an?Die Höhe des Ausfinanzierungsgrads ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Pensionsrückstellungen mit den Zinssätzen atmen. Ein Swing um 100 Basispunkte macht bei uns eine Änderung von etwa 250 bis 300 Millionen Euro bei den Pensionsrückstellungen aus, obwohl sich im Cash-flow nichts tut. Daher fühle ich mich mit dem aktuellen Ausfinanzierungsgrad wohl. Beim Blick auf die Dax-Werte muss man auch berücksichtigen, dass die Finanzinstitute eine sehr hohe Ausfinanzierung haben. Grenzt man den Blick auf die Industriekonzerne ein, bewegen wir uns auf Augenhöhe.- Wie hoch sind die Pensionsverbindlichkeiten, die Arlanxeo mit auf den Weg bekommt?Es sind nur geringe Pensionsrückstellungen auf das Joint Venture übergangen, denn das Gros der Mitarbeiter von Arlanxeo ist im Ausland beschäftigt. Die großen Kautschukanlagen stehen in den USA, Brasilien, China, Singapur und Belgien. Dort gibt es meist Pensionspläne, die eine Finanzierung über Rückstellungen, wie sie in Deutschland üblich ist, in aller Regel nicht erlauben. In der Bilanz von Arlanxeo stehen de facto keine Schulden. Das haben wir ganz bewusst gemacht, um zum einen den Mitarbeitern zu zeigen, dass die Gesellschaft ordentlich finanziert und strukturiert ist, und zum anderen an der erwarteten Konsolidierung teilnehmen zu können.- Pensionsverbindlichkeiten, man denke beispielsweise an Thyssenkrupp, können zum ernsthaften Problem werden. Ist der deutsche Sonderweg suboptimal?Pensionsverbindlichkeiten sind vor allem auch mit Volatilität verbunden. Von daher ist die Innenfinanzierung nur zu einem gewissen Grad gut. Es gilt, ein gutes Maß zu finden.- Spielen Pensionsrückstellungen im Gespräch mit Aktionären, allen voran mit angelsächsischen Investoren, eine Rolle?Angelsächsische Investoren schauen nicht so sehr auf die Pensionsrückstellungen, sondern auf die Cash-flows. Es sind vor allem die Ratingagenturen und Fremdkapitalgeber, die genau auf die Pensionsrückstellungen schauen. Sie interpretieren diese als ein von den Mitarbeitern gegebenes Darlehen.- Welche Betrachtungsweise gibt nach Ihrer Einschätzung das zutreffendere Bild?Es ist der Dreiklang aus Bilanz, Gewinn-und-Verlust-Rechnung sowie Kapitalflussrechnung. Zur Steigerung des Unternehmenswertes müssen wir den Cash-flow in Ordnung bringen, das heißt, wir müssen die Kosten im Griff haben und vernünftige Investitionen tätigen. Doch der schönste Cash-flow nutzt nichts, wenn dafür zu viele Schulden auf die Bücher genommen werden. Das im Gleichklang zu haben, ergibt am Ende ein Investment-Grade-Rating und danach steuern wir den Konzern.- Cash zu generieren ist für Aktieninvestoren aber nur dann attraktiv, wenn zugleich eine ansprechende Dividende gezahlt wird. Gerade was die Ausschüttungsquote betrifft, ist Lanxess – abgesehen von der Auszahlung für 2014 – nicht sonderlich generös gewesen. Wie lösen Sie diesen Widerspruch auf?Wir haben die Dividende zuletzt um 20 % erhöht. Zugleich haben wir das Ziel formuliert, die Dividende zumindest stabil zu halten, nach Möglichkeit aber jedes Jahr zu steigern. Man muss zwischen Ausschüttung und Investition abwägen, um letztlich eine höhere Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu erreichen. Das versuchen wir in Balance zu bringen.- Die Ausschüttungsquote ist für Sie demnach kein relevanter Maßstab?Natürlich schauen wir uns auch die Ausschüttungsquote an. Aber wir legen uns nicht auf eine feste Quote fest.- Mit der Aussage, eine mindestens stabile, nach Möglichkeit steigende Dividende auszuzahlen, schlagen Sie einen neuen Weg ein. Was hat Sie dazu bewogen?Die Konkretisierung der Ausschüttungspolitik geht Hand in Hand mit der Zielsetzung, bei stetigem Wachstum die Zyklizität zu verringern und den Cash-flow zu erhöhen. Wir wollen für unsere Aktionäre ein verlässlicher Dividendenzahler sein.- Die Neuausrichtung der vergangenen 18 Monate ist am Aktienkurs spurlos vorbeigegangen. Woran liegt das nach Ihrer Einschätzung?Wenn man sich überlegt, wo wir zu Beginn unserer Neuausrichtung vor zwei Jahren gestartet sind, dann haben wir viel erreicht. Die Verschuldungsrelationen sind wieder in Ordnung gebracht, das Portfolio wurde bereinigt und wir haben uns wieder Handlungsspielraum erarbeitet.- Die Kapitalerhöhung platzierten Sie vor zwei Jahren zu 52 Euro je Aktie, aktuell billigt der Aktienmarkt Lanxess nur gut 40 Euro je Aktie zu.Zum einen kann man den Kurs nicht losgelöst vom Gesamtmarkt betrachten. Zum anderen sagen wir auch, dass sich die Situation im Kautschukgeschäft in den kommenden zwölf bis 18 Monaten weiter verschlechtern kann. Das genau ist der Grund, warum wir weniger zyklisch werden und die Qualität der Ergebnisse erhöhen möchten. So wollen wir mittelfristig zu einer anderen Bewertung der Aktie gelangen.- Lanxess ist gut in den neuen Turnus gestartet. Mit der Anhebung der Prognose haben Sie jedoch zugleich gewarnt, dass die Entwicklung nicht nachhaltig sei. Warum?Trotz der guten Entwicklung, die sich auch im zweiten Quartal fortsetzt, stehen wir im Kautschukgeschäft vor großen Herausforderungen. Wir haben Überkapazitäten und Preisdruck. Wir gehen davon aus, dass sich der Druck im zweiten Halbjahr noch einmal verstärken wird, weil neue Kapazitäten in den Markt kommen. Entsprechend rechnen Analysten damit, dass die Ergebnisse in diesem Geschäft im zweiten Halbjahr etwas nach unten gehen werden. Bei unseren anderen Geschäften sollten die Ergebnisse dagegen weiter aufwärtsgehen.—-Das Interview führte Annette Becker.