Wirtschaft läuft Sturm gegen Sammelklagen

Brüssel legt Paket für mehr Verbraucherschutz vor

Wirtschaft läuft Sturm gegen Sammelklagen

ahe Brüssel – Die Vorschläge der EU-Kommission für mehr Verbraucherschutz in Europa und hier vor allem zur Einführung von Sammelklagen sind in der Wirtschaft auf massive Kritik gestoßen. Zahlreiche Verbände warnten vor einer drohenden Klagewelle und monierten einseitige Belastungen der Unternehmen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht durch die Brüsseler Pläne sogar den Rechtsfrieden in Europa gefährdet. “Sammelklagen schaden unserem fairen Rechtssystem massiv”, warnte Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. Gerichtsprozesse, die den Kläger bei den Kosten und der Beweisführung drastisch bevorzugten, öffneten Missbrauch und Klagewut künftig Tür und Tor.Die EU-Kommission hatte gestern ein ganzes Paket an Maßnahmen vorgestellt, um den Verbraucherschutz zu stärken. Hierzu gehörten auch neue Regeln für den Online-Handel, für das Verhängen von Strafen sowie zu Qualitätsstandards zum Beispiel bei Lebensmitteln. In einer globalisierten Welt, in der Großunternehmen einen riesigen Vorteil gegenüber den einzelnen Verbrauchern hätten, müsse wieder Chancengleichheit hergestellt werden, sagte EU-Justizkommissarin Vera Jourova in Brüssel. “Betrügen darf nicht billig sein.” Sie verwies aber ausdrücklich darauf, dass sich das EU-Modell für Sammelklagen deutlich von dem US-amerikanischen unterscheiden werde. Klagen auf Unterlassung und Schadenersatz könnten hier lediglich “qualifizierte Institutionen” wie Verbraucherverbände stellvertretend für die Geschädigten.Der Präsident der Europäischen Wirtschaftskammern (Eurochambres), Christoph Leitl, sieht trotzdem “die Grundrechte von Unternehmen” durch die EU-Vorschläge verletzt. Und der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) befürchtet, dass Leidtragende vor allem kleine und mittlere Unternehmen seien, die sich aufgrund begrenzter Ressourcen und der Sorge vor Reputationsverlust keine langwierigen Verfahren leisten können und sich gegebenenfalls zu teuren Vergleichen gezwungen sehen. “Der Entwurf der Kommission lädt förmlich dazu ein, Unternehmen schon beim geringsten Verdacht mit einer Flut von Klagen zu überziehen”, hieß es beim VDMA unter Verweis auf den Vorschlag, Kläger von Teilen der Prozesskosten zu befreien. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) forderte unter anderem, dass die Finanzierung von Verbandsklagen durch Dritte vollständig verboten wird.Die Vorschläge der EU-Kommission müssen jetzt zunächst noch im Europaparlament debattiert werden. Dort zeigte sich gestern ein uneinheitliches Stimmungsbild. Der grüne Abgeordnete Sven Giegold sieht das neue Recht auf Sammelklagen als einen “Durchbruch für den Verbraucherschutz in Europa” an. Das Machtgefälle zwischen Großunternehmen und Verbrauchern werde ein Stück kleiner. Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken sieht die Möglichkeit zur Sammelklage gerade bei relativ kleinen Schadensfällen als wichtig an. “Wenn es um einen geringen Schaden geht, sind Prozesskostenrisiko, Anwaltskosten und Zeitaufwand häufig unverhältnismäßig hoch.”Andreas Schwab (CDU) sieht allerdings noch einigen Diskussionsbedarf: Es werde einer großen Energieleistung bedürfen, dieses Dossier auf die europäischen Bedürfnisse zuzuschneiden und noch vor den Europawahlen 2019 abzuschließen.