Billigfluggesellschaft

Wizz Air kehrt No-Hedging-Politik den Rücken

Die ungarische Billigfluggesellschaft Wizz Air sichert sich wieder gegen Schwankungen der Treibstoffkosten ab und hat dafür viel Lob von Analysten und Investoren bekommen.

Wizz Air kehrt No-Hedging-Politik den Rücken

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Die ungarische Billigfluggesellschaft Wizz Air sichert sich wieder gegen Schwankungen der Treibstoffkosten ab und hat dafür viel Lob von Analysten und Investoren bekommen. Allerdings hat sich die Fluglinie mit diesem Schritt reichlich Zeit gelassen. Viele Fluggesellschaften hatten während der Pandemie die Finanzgeschäfte zur Absicherung stark zurückgefahren, weil wegen des damals gesunkenen Ölpreises hohe Verluste daraus anfielen. Wizz Air hatte deshalb ganz auf Absicherung verzichtet, während die meisten Wettbewerber ihre Hedging-Politik fortsetzten, wenn auch deutlich eingedampft. „Das Timing von Wizz Air war zugegebenermaßen schlecht. Das Unternehmen hat die Absicherung bei niedrigen Preisen eingestellt und muss derzeit Spotpreise zahlen, die mehr als doppelt so hoch sind wie vor der Pandemie“, kommentieren die Analysten von Bernstein.

Umso euphorischer fielen nun die Reaktionen aus. Die Rückkehr zu den Absicherungsgeschäften werde den Kostenvorteil, den Wizz Air durch seine „überlegenen Flugzeuge“ hat, für jede andere Fluggesellschaft in Europa uneinholbar machen, glaubt Bernstein. Das Unternehmen betreibt eine der jüngsten Flugzeugflotten der Welt, die derzeit aus rund 150 Flugzeugen der Typen Airbus A320, A321 sowie Airbus A320neo und A321neo mit einem Durchschnittsalter von fünf Jahren besteht. Die Ungarn haben 329 weitere Airbus-Neo-Flugzeuge bestellt und wollen ihre Flotte bis 2030 auf rund 500 Maschinen mehr als verdreifachen.

Wer derzeit mit neuen, verbrauchsärmeren Fliegern unterwegs ist, ist angesichts der Treibstoffpreise auf Rekordniveau tatsächlich im Vorteil gegenüber denen, deren Flotte in die Jahre gekommen ist.  Wobei ein Vergleich zwischen Wizz Air und etwa Lufthansa zeigt, dass bei den Ungarn die Kerosinausgaben zuletzt einen deutlich größeren Teil der Umsätze aufgezehrt haben als beim deutschen Netzwerk-Carrier. Selbst wenn man bei der Lufthansa nur die Verkehrserlöse aus dem reinen Fluggeschäft betrachtet – also Netzwerk-Airlines, Eurowings und Lufthansa Cargo –, machten die Ausgaben für Flugbenzin 2021 rund 21 % der Umsätze aus und im letzten Vorkrisenjahr 2019 rund 24 %, bei Wizz Air wurden in beiden Jahren jeweils 28 % der Erlöse aufgezehrt. Lufthansa dürfte dabei von den höheren Umsätzen im Interkontinentalverkehr und mit Premium-Tickets profitieren, Wizz Air ist dagegen nur im Kurz- und Mittelstreckengeschäft unterwegs. Eine viel größere Lücke als bei den Treibstoffausgaben klafft zwischen Wizz Air und Lufthansa bei den Personalkosten, dem mit Abstand größten Ausgabenblock bei den Deutschen. 2019 stand der Personalaufwand für ein Viertel der Erlöse, 2021 sogar für 38%. Bei der Billigfluglinie waren es 8,5 bzw. 18 %.

Höherer Jet Crack

Der Wizz-Air-Vorstand will nun dank seiner 18-monatigen Hedging-Strategie „den Treibstoffpreis als Wettbewerbsunterscheidungsmerkmal wieder neutralisieren“. Dabei werden im jeweils ersten Quartal des Absicherungszeitraums 65% des Bedarfs gehedgt, und der gesicherte Anteil sinkt dann schrittweise ab auf 15% im letzten Quartal des Absicherungshorizonts. Das Unternehmen wird zudem das „transaktionsbedingte Dollar-Risiko in Bezug auf Flugzeugtreibstoff“ absichern, wie weiter mitgeteilt wird. In Europa ist Absicherung gegen Treibstoffkostenschwankungen übrigens die Norm, in den USA betreibt keine Fluggesellschaft Hedging.

Gegen jegliche Verwerfungen durch den hohen Ölpreis geschützt sind Fluglinien indes nicht durch das Hedging. Denn auch die Preissicherungsgeschäfte sind angesichts der hohen Preise teurer geworden. Rohöl der Sorte Brent wird aktuell für über 100 Dollar pro Barrel gehandelt, gegenüber 79 Dollar zu Beginn des Jahres 2022. Die Ratingagentur Moody’s schätzt, dass ein Anstieg des Treibstoffpreises um 50 bis 60% für eine Airline, die rund 60% ihres Bedarfs abgesichert hat, zu einem Anstieg der Kerosinausgaben um rund 20 bis 25% führen dürfte.

Erschwert wird die Situation dadurch, dass insbesondere der Markt für Flugzeugtreibstoff unter Druck geraten ist. Laut Lufthansa- CFO Remco Steenbergen ist die Preisdifferenz zwischen Kerosin und Rohöl, der sogenannten Jet Crack, von knapp 20 Dollar Anfang März auf zuletzt über 50 Dollar angestiegen. „Dies ist ein Vielfaches des historischen Niveaus“, führte Steenbergen kürzlich aus. Besonders prekär an dieser Entwicklung ist, dass Airlines sich wegen der in der Vergangenheit nur minimalen Volatilität des Jet Crack und der Illiquidität des Jet-Crack-Hedging-Marktes bei ihrer Ab­sicherung auf Rohöl konzentrieren. Wird die „Verfeinerung”, also die Umwandlung in Flugbenzin, teurer, schlägt sich dieser zusätzliche Aufwand eins zu eins nieder. Allerdings hat die Lufthansa reagiert und laut Steenbergen „einige Jet-Crack-Absicherungen für den Sommer“ geschlossen. Man werde allerdings dennoch mit einer „erheblichen Treibstoffkostenbelastung“ konfrontiert sein. Das dürfte auch bei den anderen Fluggesellschaften so sein, selbst bei der gerade hoch gelobten Wizz Air.

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