Xella setzt auf Konjunkturbelebung
Der Baustoffhersteller Xella reiht sich in die Schlange der Börsenaspiranten ein. Punkten wollen die Duisburger, die seit sieben Jahren unter Kuratel von Finanzinvestoren stehen, mit ihrem soliden Geschäftsmodell. Gesetzt wird auf die Belebung der Baukonjunktur, die zu einer höheren Kapazitätsauslastung führt.Von Annette Becker, DuisburgFast so, als gäbe es kein Morgen mehr, haben sich in den vergangenen zehn Tagen gleich sieben Unternehmen auf den Weg an die Börse gemacht. Der Baustoffhersteller Xella ist eines von ihnen und setzt dabei wie der Kunststoffhersteller Covestro auf die Konjunkturkarte, die zu einer höheren Kapazitätsauslastung und damit zu höheren Ergebnissen führen soll.Wuchern können die Duisburger mit einem soliden Geschäftsmodell, einer im Vergleich zu Wettbewerbern breiteren Aufstellung und einem IPO-erfahrenen Finanzchef. Denn für Hans-Jürgen Wiecha ist es bereits der zweite Börsengang seiner beruflichen Laufbahn. Der erste war Gerresheimer, ein Hersteller von Spezialverpackungen für die Pharma- und Kosmetikindustrie, der 2007 an die Börse geführt wurde.Die Geschichten ähneln sich, ist Xella doch auch seit sieben Jahren im Besitz von Private Equity und weist die für solche Unternehmen typische Bilanzstruktur auf. Entsprechend geht es beim Börsengang in erster Linie darum, Geld für das Unternehmen einzusammeln, um die Verschuldung auf ein vertretbares Niveau zurückzuführen.”Fest eingeplant ist eine Kapitalerhöhung von um die 200 Mill. Euro, mehr Spielraum gibt es beim Emissionsvolumen”, veranschaulicht Wiecha im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die Nettoverschuldung, die zuletzt das 3,4-Fache des operativen Ergebnisses (Ebitda) ausmachte, soll bis zum Jahresende auf das 2,25-Fache zurückgeführt werden. Das übrige Material für den Börsengang stellen die Alteigentümer PAI Partners und Goldman Sachs. Als Streubesitz werden etwa 40 % ins Auge gefasst (vgl. BZ vom 23. September). Das ist wichtig, messen Investoren der Liquidität in der Aktie doch einen großen Wert bei.Eine der ersten Amtshandlungen Wiechas, der sich seit März um die Finanzen des Baustoffherstellers kümmert, war die Implementierung eines Ergebnisverbesserungsprogramms, das vom Geschäftsjahr 2017 an zu jährlichen Einsparungen von 70 Mill. Euro führen soll. Die Hälfte der Einsparungen kommt dabei aus einem Personalabbauprogramm, in dessen Rahmen 825 der 6 800 Arbeitsplätze gestrichen werden. Weitere 35 Mill. Euro sollen über die Zentralisierung des Einkaufs eingespart werden. Flexible KostenstrukturMit dem Ergebnisverbesserungsprogramm will sich Xella strukturell neu aufstellen, um die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken. Entsprechend geht es auch um die Automatisierung von Prozessen, die Investitionen von gut 30 Mill. Euro nach sich zieht. Insgesamt veranschlagt Xella einmalige Implementierungskosten von etwa 80 Mill. Euro.Neben den Einsparungen setzt Xella vor allem auf die Belebung der Baukonjunktur, die zu einer besseren Kapazitätsauslastung und mithin zu Wachstum führen soll. Die Auslastung in den Segmenten Baustoffe und Trockenbau liege derzeit etwa bei 60 bis 70 %, vor der Finanzkrise waren es 90 %. “Das Downside-Potenzial ist überschaubar”, leitet Wiecha daraus ab und betont, dass Xella auch in der Krise mit Margenstabilität glänzte.Das liegt nicht zuletzt daran, dass “wir eine flexible Kostenstruktur haben, die mit der Nachfrage atmet”, erläutert der Manager. Denn der Porenbeton – zu Xella gehören die Marken Ytong und Hebel – wird in gasdicht verschließbaren Druckbehältern, den sogenannten Autoklaven, hergestellt, und je nach Nachfrage variiert die Zahl der eingesetzten Autoklaven.Neben dem Wachstum aus der erwarteten Nachfragebelebung zieht Xella auch Akquisitionen in Betracht, um weiße Flecken auf der Landkarte auszufüllen. Allerdings weist Wiecha darauf hin, dass aufgrund der Marktposition in Kontinentaleuropa kartellrechtlich nur kleinere Arrondierungen möglich seien. Expansionsmöglichkeiten böten sich hingegen in Großbritannien, das Xella derzeit von den Niederlanden aus bedient, sowie in der Türkei. Mittelfristig rücke auch Südostasien – allen voran Indonesien, Malaysia und Thailand – ins Visier.Abheben vom Wettbewerb kann sich Xella nach eigener Einschätzung auch mit der vergleichsweise hohen Umsatzrendite, die sich seit Jahren zwischen 16 und 18 % bewegt, wie Wiecha ausführt. Nach Abschluss des Kostensenkungsprogramms wird eine Marge bezogen auf das bereinigte operative Ergebnis von 20 % angestrebt.Stabilität bringen die eigenen Kalkvorkommen, die zur Diversifikation des Geschäftsmodells beitragen, wird der nicht substituierbare Rohstoff doch auch in anderen Industrien eingesetzt. Nach den Worten Wiechas handelt es sich um ein besonders einträgliches Geschäft, das Ebitda-Margen von über 25 % abwirft. Das Beste daran: Die im Harz liegenden Kalkquellen von Xella reichen noch für mehr als 100 Jahre. Kein Mangel an LiquiditätDem Wettbewerb um die Investorengelder sieht Wiecha mit Gelassenheit entgegen: “Ich glaube nicht, dass man sich ins Gehege kommt, weil genügend Liquidität im Markt ist”, begründet der Finanzer. In die Vermarktung geht Xella aber nicht als reinrassiger Wachstumswert. Vielmehr winkt Investoren eine Dividende von 30 bis 40 % des bereinigten Nettoergebnisses. “In volatilen Märkten schauen Investoren auf die Qualität der Unternehmen. Dadurch zeichnen wir uns aus”, gibt sich Wiecha zuversichtlich. Inwieweit er mit dieser Einschätzung richtig liegt, wird sich im Laufe dieser Woche zeigen. Den Reigen will Scout 24 am Donnerstag eröffnen, einen Tag später soll die Erstnotiz der Bayer-Tochter Covestro folgen.