Zahl der Insolvenzen zieht 2023 kräftig an
Insolvenzen 2023 über Vor-Corona-Niveau erwartet
Creditreform macht Inflation, Zinswende und Hilfen-Bumerang als Hauptursachen aus
ab Düsseldorf
Die Zahl der Firmenpleiten wird 2023 über das Niveau vor Ausbruch der Coronakrise steigen. Diese Ansicht vertritt die Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Nach einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr des Jahres um 16,2% auf 8.400 sei im Gesamtjahr mindestens mit einer Verdoppelung zu rechnen, sagte Patrik-Ludwig Hantzsch, Chefökonom der Auskunftei. Zugleich dürfte das Niveau von 2019 – in diesem Jahr zählte das statistische Bundesamt 18.749 Insolvenzen – übertroffen werden, konkretisierte Hantzsch. Seiner Einschätzung nach ist der Trend der vergangenen Jahre "nachhaltig gebrochen".
Corona-Hilfe als Bumerang
Der im ersten Semester verzeichnete Anstieg sei der relativ größte Zuwachs seit 2002. Daran werde sich so schnell nichts ändern, nicht zuletzt weil der Zyklus steigender Zentralbankzinsen noch länger anhalten werde. Steigende Refinanzierungskosten brächten manches Unternehmen in eine Schieflage. Zu konstatieren sei aber auch, dass die großzügigen staatlichen Hilfen während der Pandemie nun zum "Bumerang" würden. Denn ein Großteil der Hilfen müsse zurückgezahlt werden und überfordere so manches Unternehmen. Zumal angesichts des veränderten Wettbewerbsumfelds die Kapitaldienstfähigkeit vieler Unternehmen gesunken sei.
In einer Sonderuntersuchung zur Schuldentragfähigkeit der Unternehmen, für die Creditreform 51.000 Firmenabschlüsse für den Zeitraum 2019 bis 2021 auswertete, trat zutage, dass fast 70% der insolventen Unternehmen mit einem Zinsdeckungsgrad von unter 1 unterwegs waren, das operative Ergebnis also nicht ausreichte, um die Zinsen zu bedienen. Das verheißt nach vorne geblickt nichts Gutes, wurde die Zinswende doch erst 2022 eingeläutet, wie Hantzsch ausführte.
Von einer bevorstehenden "Insolvenzwelle" will Hantzsch jedoch nichts wissen, vielmehr spricht er von einer Normalisierung. "Wir sind noch lange nicht auf dem Niveau der Finanzkrise." Der Höhepunkt war 2009 mit 32.687 Unternehmensinsolvenzen erreicht worden.
Alle Wirtschaftszweige betroffen
Der Zuwachs der Firmenpleiten zieht sich durch alle vier Hauptwirtschaftsbereiche. Wie üblich wurden die meisten Insolvenzen im Dienstleistungssektor mit 4.820 Ausfällen ( 16,7%) gezählt, gefolgt vom Handel (1.600, 18,5%) und dem Baugewerbe (1.330, 9%). Den größten Zuwachs gab es im verarbeitenden Gewerbe. Hier erhöhte sich die Zahl der Firmenpleiten im ersten Halbjahr um 22,6% auf 650. Ursächlich dafür seien gestiegenen Energie- und Materialpreise. Das Schadenvolumen erhöhte sich im Berichtshalbjahr auf 13 Mrd. Euro. Das ist zwar deutlich mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum, als sich die Insolvenzschäden auf 9,8 Mrd. Euro beliefen. Der Wert bleibt aber spürbar unter den Schäden der Pandemiejahre 2020 und 2021.
Deutlich erhöht hat sich dagegen die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze, die im ersten Halbjahr auf 125.000 (i.V. 68.000) hochschnellte. Hierfür seien vor allem Großinsolvenzen verantwortlich. Die Zahl der Insolvenzfälle bei Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten sei um zwei Drittel gestiegen. Noch größer fiel der Zuwachs bei Unternehmen mit 51 bis 250 Beschäftigten aus, hier hat sich die Zahl der Insolvenzen auf 350 (150) mehr als verdoppelt. Wenngleich sich das Insolvenzgeschehen unbestritten auf Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten konzentriert, hat sich deren Anteil an den Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr auf 82 (86,9)% verringert.
Zu den größten Insolvenzen im ersten Halbjahr gehören die Handelsunternehmen Peek & Cloppenburg, Hallhuber und der Schuhhändler Reno. Mit Imland, Diako und Convivo zählten auch drei Unternehmen aus dem Gesundheitssektor dazu.