Zeitarbeitsunternehmen stöhnen über hohen Aufwand
Von Helmut Kipp, FrankfurtMit der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) haben sich die Rahmenbedingungen für die Zeitarbeitsbranche in Deutschland verschärft. Die neuen Regelungen sind zwar schon Anfang April 2017 in Kraft getreten, doch wirken sich wichtige Punkte erst im laufenden Jahr aus. So greift die Equal-Pay-Vorschrift, wonach Leiharbeiter die gleiche Entlohnung erhalten müssen wie die Stammbelegschaft, erst nach neun Monaten im selben Betrieb, also ab Anfang 2018. Die neue Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten kommt erst ab Oktober 2018 zum Tragen. Sie soll verhindern, dass Stammbelegschaften durch Zeitarbeitnehmer verdrängt werden.Bisher gab es zu diesen Punkten zwar eine Reihe tariflicher Vereinbarungen, aber keine gesetzliche Vorschrift. Branchenverbände können das neue Gesetz allerdings durch branchenindividuelle Modelle lockern. So gibt es im Metall- und Elektrobereich einen neuen Tarifvertrag, der eine längere Überlassungsdauer als 18 Monate ermöglicht.Die Zeitarbeitsbranche, die in Deutschland knapp 1 Million Personen beschäftigt und als Flexibilitätsreserve der Wirtschaft gilt, hält die Auswirkungen der Gesetzesänderungen für überschaubar, wie eine Befragung unter börsennotierten Unternehmen zeigt. Einige Konzerne befürchten, dass sich die Zeitarbeit verteuert. Kritik entzündet sich vor allem am bürokratischen Aufwand, der zur Umsetzung der neuen Vorschriften erforderlich ist. Außerdem herrscht noch immer viel Verunsicherung über die Folgen der AÜG-Änderungen. Vor allem seien die Lohnbestandteile, die unter den Equal-Pay-Begriff fallen, nicht ausreichend definiert, monieren die Unternehmen. IT stärker betroffen”Bei der Umsetzung von Equal Pay und der Höchstüberlassungsdauer gibt es nach wie vor Unwissenheit und Unsicherheit auf dem Markt”, sagt Aleksandar Amidzic, Geschäftsführer der Hays Professional Services GmbH, die zur britischen Hays-Gruppe gehört. Durch die Fokussierung auf hoch qualifizierte Fachkräfte und aufgrund der diversifizierten Kundenstruktur seien die gesetzlichen Auswirkungen in Summe für Hays überschaubar. Es gebe zwar Geschäftsfelder wie IT, die stärker betroffen sind, doch rechnet der Konzern weiter mit hohem Wachstum.Nach Einschätzung von Adecco erschweren die Regulierungen den Verleih von Arbeit erheblich, “da es zahlreiche individuelle Kundenlösungen gibt, die einen einheitlichen Umgang mit der Gesetzesänderung extrem anspruchsvoll machen”. Der in der Schweiz ansässige Konzern, der als weltweit größter Anbieter von Personaldienstleistungen gilt, erwartet Beeinträchtigungen für das Geschäft aufgrund des höheren administrativen und rechtlichen Aufwands. Adecco erwirtschaftet in Deutschland (und Österreich) 7 % des Gesamtumsatzes.Grundsätzlich können die AÜG-Änderungen in Branchen, für die ein Zuschlagstarifvertrag gilt, einfacher umgesetzt werden als in anderen Bereichen. Diese Verträge sehen vor, dass Zeitarbeitskräfte nach einer Einarbeitungszeit gestaffelte Zuschläge auf ihr Entgelt erhalten, die zum Beispiel in der Metall- und Elektroindustrie bis 65 % und in der Chemie bis 67 % auf den Tariflohn reichen. Nach Angaben des Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister wurden für elf Branchen Zuschlagsverträge eingeführt.Auch der deutsche Personaldienstleister Amadeus Fire erwartet, dass die neue Gesetzgebung die Zeitarbeit teurer macht. Die Komplexität steige, der administrative Aufwand sei immens. Hays-Manager Amidzic sieht die Hauptbelastung darin, dass die AÜG-Novelle neue systemgestützte Prozesse erfordert. Nur so könne man komplexe und weitreichende Kundenanforderungen bedienen sowie die gestiegenen gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen erfüllen.Beim US-Konzern Manpower, der knapp 6 % seiner Erlöse in Deutschland erzielt, geht man davon aus, dass die Equal-Pay-Regelung nur bedingt zu einer Verteuerung führt. Begründung: Viele Unternehmen zahlten durch die tariflichen Regelungen wie Branchentarifverträge schon ein höheres Entgelt. Des Weiteren macht die Manpower-Sprecherin geltend, dass eine gleiche Bezahlung die Motivation in der Belegschaft und so in vielen Fällen auch die Produktivität erhöhe.Von der Umstellung auf Equal Pay seien vor allem Dienstleistungsbranchen wie IT und Telekommunikation betroffen, da hier noch kein Tarifvertrag für Branchenzuschläge greife, heißt es bei Hays, während Manpower die Logistik sowie alle industriellen Betriebe als Hauptbetroffene nennt. Insgesamt fällt mehr als die Hälfte der Leiharbeiter unter die Equal-Pay-Vorschrift. Nach den Daten der Bundesagentur für Arbeit bestanden 57 % der Beschäftigungsverhältnisse von Leiharbeitskräften am Stichtag 31. Dezember 2016 seit mindesten neun Monaten, 38 % sogar seit mindestens 18 Monaten.In der qualifizierten Zeitarbeit scheint das Thema eine geringere Rolle zu spielen: “Wir stellen immer wieder fest, dass qualifizierte Zeitarbeitnehmer genauso viel verdienen wie ein vergleichbarer Festangestellter”, versichert eine Sprecherin der auf Fach- und Führungskräfte spezialisierten Robert Half. Auch der Adecco-Sprecher beteuert, dass es bereits vor der AÜG-Reform zahlreiche Bereiche gab, in denen die Mitarbeiter gleich viel oder besser verdient hätten als nun gesetzlich vorgeschrieben: “Dort ändert sich also nichts.”