BRANCHEN IM KLIMAWANDEL

Zementindustrie muss grüner werden

Investoren fordern mehr Klimaschutz - CO2-neutraler Beton bis 2050

Zementindustrie muss grüner werden

Von Helmut Kipp, FrankfurtGroße Pensionsfonds und Vermögensverwalter machen Druck. “Die Zementbranche muss ihren Beitrag zum Klimawandel drastisch reduzieren”, fordert die Institutional Investors Group on Climate Change. Die Investoren aus Europa verlangen von den Herstellern, bis 2050 den Kohlendioxidausstoß auf null Prozent zu senken. Ihr Wort hat Gewicht, denn sie haben mehr als 28 Bill. Euro Anlagegelder im Rücken.Die Zementproduzenten zählen zu den größten Emittenten klimaschädlicher Treibhausgase. Der Internationalen Energieagentur zufolge sind sie für 7 % des weltweiten Ausstoßes verantwortlich. In einem Länderranking läge die Branche damit hinter den USA und China auf Rang 3. Rund 60 % der CO2-Emissionen der Zementproduktion entstehen bei der Entsäuerung des Kalksteins, der Rest durch die Befeuerung von Zementöfen. Für die Herstellung des Zwischenprodukts Klinker sind nämlich Temperaturen von etwa 1 450 Grad notwendig. Die Verringerung des Klinkeranteils im Zement durch Zumahlstoffe wie Kalkstein ist daher ein wichtiger Ansatzpunkt für die Senkung der Emissionen. Hinzu kommen eine höhere Energieeffizienz und der Einsatz kohlenstoffarmer Brennstoffe wie Biomasse und Abfälle. “Beton hat das Potenzial, zum nachhaltigsten Baustoff zu werden”, sagt Bernd Scheifele, Vorstandschef von Heidelberg Cement.Der weltweite Marktführer LafargeHolcim hat sich vorgenommen, den CO2-Ausstoß je Tonne Zement bis 2030 gegenüber 2018 um ein Zehntel auf 520 kg zu senken. Seit 1990 seien die Kohlenstoffemissionen um ein Viertel reduziert worden, versichert der Konzern. Heidelberg Cement strebt bis 2030 eine Verringerung um 30 % im Vergleich zu 1990 auf 524 kg an (siehe Grafik). Die Nummer 2 hält sich zugute, der erste Zementkonzern weltweit mit wissenschaftlich geprüften CO2-Reduktionszielen zu sein. In Deutschland seien in drei Jahren mehr als 300 Mill. Euro investiert worden, um Zementwerke zu modernisieren und den Anteil alternativer Brennstoffe auf 90 % zu erhöhen. LafargeHolcim hat im September angekündigt, in Europa 160 Mill. Franken zu investieren, um verstärkt emissionsfreie Brennstoffe und recycelte Materialien in Prozessen und Produkten zu nutzen. Im Jahr 2018 hat der Konzern nach eigenen Angaben 52 Mill. Tonnen Abfall wiederverwertet. Damit gehöre LafargeHolcim zu den größten Abfallverarbeitern weltweit.Heidelberg Cement hat sich auf die Fahnen geschrieben, bis spätestens 2050 Beton CO2-neutral zu fertigen. Dafür werden Beton- und Zementrezepturen mit geringeren CO2-Emissionen erforscht sowie industrielle Prozesse zur Abtrennung von Kohlendioxid und dessen Wiederverwertung in Baustoffen und als Rohstoff für die Chemie oder für die Produktion von Biomasse wie Mikroalgen entwickelt. LafargeHolcim arbeitet in Kanada zusammen mit der auf Carbontech spezialisierten Inventys und dem Energiekonzern Total an einer Komplettlösung zur Abscheidung und Wiederverwertung von CO2. Des Weiteren setzt die Branche auf das umstrittene Carbon Storage, also die unterirdische Speicherung von CO2. Im kanadischen Zementwerk in Edmonton untersucht Heidelberg Cement in einer Machbarkeitsstudie mit dem International CCS Knowledge Centre die Abscheidung und Speicherung von CO2 in großem Maßstab. Zuvor haben der Konzern und die norwegische Equinor ein ähnliches Projekt für das Zementwerk Brevik angestoßen. Ab 2023 soll das aufgefangene Kohlendioxid in leere Öl- und Gasfelder unter der Nordsee verbracht werden.