CORPORATE FINANCE AWARD: DIE KANDIDATEN (5)

ZF schafft Sprung vom Bodensee nach Übersee

Stiftungsunternehmen stößt mit TRW-Akquisition über 12,4 Mrd. Dollar in neue Dimension vor - Mit großem Schuldschein und Anleihen in Dollar und Euro finanziert

ZF schafft Sprung vom Bodensee nach Übersee

Von der “Zackenbude” zum Weltkonzern: ZF Friedrichshafen hat als Stiftungsunternehmen mit der Akquisition von TRW in den USA für 12,4 Mrd. Dollar den großen Sprung geschafft. Im 100. Jahr des Bestehens wurde erstmals der Anleihemarkt angezapft sowie der größte Schuldschein aller Zeiten platziert.Von Walther Becker, Frankfurt”Ich hätte mich nicht getraut, eine solche Idee zu präsentieren – aus Angst rausgeschmissen zu werden”, erinnert sich ein Investmentbanker, der seinen Namen in diesem Zusammenhang lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Die Idee: Das Stiftungsunternehmen ZF Friedrichshafen nimmt Milliarden in die Hand und schluckt den amerikanischen Autozulieferer TRW. Die Gesellschafterstruktur, die auf den ersten Blick wie eine Restriktion für größere M&A-Sprünge aussieht, entpuppt sich als enormer Hebel, um die Schuldenlast abtragen zu können – so jedenfalls betrachtet es Konzernchef Stefan Sommer.Dem Deal mit TRW, der ein Volumen von 12,4 Mrd. Dollar hat, kann man eines nicht vorwerfen: dass auf Transaktionen dringende Investoren das Management in ungewisse Abenteuer gestürzt hätten. Denn das hat die Zeppelin-Stiftung gar nicht nötig. Und so ist die Übernahme denn auch alles andere als ein Ritt über den Bodensee. Die Stiftung ist eine rechtlich unselbständige Gemeindestiftung. Sie hält 93,8 % an ZF und ist Eigentümerin der Luftschiffbau Zeppelin GmbH und der Zeppelin GmbH. Mit den Erträgen finanziert sie satzungsgemäß mildtätige und gemeinnützige Zwecke. Sie geht zurück auf die Zeppelinspende des deutschen Volkes von 1908, die der Förderung des Luftschiffbaus dienen sollte.Der Deal, bei dem Citi und Deutscher Bank Schlüsselrollen zukommen, gleicht einem Deal à la Schaeffler mit friedlichen Mitteln und ohne Finanz-Harakiri. In industrieller Logik und Refinanzierung gibt es zwar Parallelen. Doch vermeiden die Schwaben die einstigen Fehler der Franken und setzen statt auf Anschleichen und Attacke auf Verhandlung und Einigung.Wie das Familienunternehmen aus Herzogenaurach ist auch das Stiftungsunternehmen aus Friedrichshafen stark in Mechanik und benötigt Elektronikkompetenz. Die fand Schaeffler 2008 in Continental. ZF hatte selbst auf globaler Ebene eine geringe Auswahl. US-Unternehmen sind aufgrund ihrer Aktionärsstruktur mit institutionellem Streubesitz zu haben – anders als Rivalen in anderen Teilen der Welt.Einzige Panne des Deals: Die Transaktion sickerte aus Sicht von ZF zu früh durch. Minuziös ist das Vorgehen vorbereitet, nur wenige Vertraute sind eingeweiht. Doch durchkreuzen indiskrete Informanten den Plan – um den Preis für die von Goldman Sachs beraten TRW hochzutreiben.In weniger als einem Jahr hat ZF-Chef Stefan Sommer eine der größten Übernahmen der Zulieferbranche mit Geschick, Diplomatie und Hilfe der Notenbankpolitik des billigen Geldes durchgezogen. ZF zählt nun zu den größten Ausrüstern der Autoindustrie. Der traditionsreiche Konzern wird sich von Grund auf wandeln. Ein langfristig orientiertes deutsches Traditionsunternehmen trifft auf eine amerikanische Kultur, die weit kurzatmiger ist. An diesem Punkt sind schon ganz andere Konzerne gescheitert. Die Integration von TRW setzt ZF-Chef Sommer auf drei bis fünf Jahre an. Auf PartnerschauAm Anfang steht die Analyse: Ende 2013 kam Sommer zu dem Ergebnis, dass das Geschäft mit Getrieben, Achsen, Stoßdämpfern, Spurstangen oder Lenkungen nicht mehr reiche. Das fahrerlose, digitale Auto werde kommen, Elektrik und Elektronik spielten eine immer größere Rolle, um Sicherheitssysteme zu steuern, Sprit zu sparen und Staus zu vermeiden.Sommer sieht sich nach Partnern um – und findet in TRW die ideale Ergänzung. Schließlich war er einst selbst bei Conti. Der seit 1. Mai 2012 als Nachfolger von Hans-Georg Härter an der ZF-Spitze stehende Manager hatte seine berufliche Karriere bei ITT Automotive in Frankfurt begonnen, die an Continental ging; er war von 1997 bis 2008 für diese tätig. Der Westfale – Sommer stammt aus Münster – ist zwar kein Vabanque-Spieler, doch Nervenkitzel muss für den Sammler alter Porsches sein. ZF setzte im Jahr vor dem Deal 16,8 Mrd. Euro um und verdiente operativ (Ebitda) 1,7 Mrd. Euro. 2014 waren es 18,4 Mrd. und 2 Mrd. Euro. TRW ist mit Erlösen von 13,1 Mrd. (2013) und 1,3 Mrd. Euro Ebitda etwas kleiner.TRW hatte hierzulande damit Schlagzeilen gemacht, dass der Zulieferer sich damals noch als Portfoliofirma des Finanzinvestors Blackstone um die Siemens-Sparte VDO Automotive bemühte und den Preis trieb. Für 11,4 Mrd. Euro ging VDO dann 2007 an Conti. Diese wiegte sich wegen der hohen Schulden als vermeintlicher Giftpille in Sicherheit, bis Schaeffler zur Attacke blies.Was im September 2014 ungläubiges Staunen auslöste, ist Mitte Mai 2015 in trockenen Tüchern: ZF Friedrichshafen schließt die Übernahme von TRW Automotive Holdings ab. Das US-Unternehmen wird als neue Division unter dem Namen Aktive & Passive Sicherheitstechnik eingegliedert. Das vereinte Unternehmen firmiert als ZF Friedrichshafen AG. Vereint sei die Gruppe ein “Kraftpaket” in automobiler Technologie, Fahrerassistenz und Insassenschutz, Antriebsstrang und Getriebe sowie Brems- und Lenksystemen. Der Kaufpreis beträgt 12,4 Mrd. Dollar und ist mit einem Dollarkurs von 1,29 Euro gegen Währungsrisiken abgesichert. Die Gruppe ist mit einem Pro-forma-Umsatz von über 30 Mrd. Euro und 134 000 Beschäftigten der nach Conti und Bosch global größte Autozulieferer.Doch Sommer ist noch nicht zufrieden und setzt umgehend ein Zeichen, dass mit ZF auch nach dem Megadeal zu rechnen ist: Er übernimmt das Großgetriebegeschäft von Bosch Rexroth. Dies bedeutet den Einstieg ins Geschäft mit Industriegetrieben für Ölbohrplattformen, Tunnelbohrer, Minenfahrzeuge und Seilbahnen. Außerdem stärkt er das Windgetriebegeschäft.Die TRW-Aktionäre erhalten mit 105,60 Dollar je Aktie eine Prämie von 16 % auf den unbeeinflussten Kurs. Der implizierte Eigenkapitalwert liegt bei 12,4 Mrd. Dollar, der Enterprise Value bei 13,5 Mrd. Dollar, was einem Multiple bezogen auf das operative Ergebnis (Ebitda) von 7,6 entspricht. Kurz vor offizieller Ankündigung des TRW-Deals wird bekannt gegeben, dass die ZF Lenksysteme ganz an Joint-Venture-Partner Bosch gehen. Der nicht genannte Preis wird auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt.Finanziert wird TRW zunächst mit einem Paket über 12,5 Mrd. Euro von Citi und Deutscher Bank, die anschließend an 23 Banken syndizieren, einschließlich zweier Kredite: 2,5 Mrd. Euro auf drei Jahre und 1 Mrd. Euro auf fünf Jahre. 7,5 Mrd. Euro sind als Brückenfinanzierung für den “Take-out” am Kapitalmarkt vorgesehen. Teil der Ablösung ist ein Schuldscheindarlehen über 2,2 Mrd. Euro – das mit Abstand größte Volumen, das es bisher mit diesem Instrument gegeben hat. Zur Finanzierung tragen zudem die positive Nettofinanzposition von ZF über 1,4 Mrd. Euro und der Erlös aus dem Verkauf der Lenksysteme bei. Nach 100 Jahren erster BondIm April 2015 werden die ersten Anleihen begeben: 2,25 Mrd. Euro auf vier und acht Jahre mit Kupons von 2,25 und 2,75 %. Bookrunner sind Barclays, BNP Paribas, Commerzbank und Deutsche Bank. Dabei geht ZF mit ihrem ersten Rating – “Ba 2” mit positivem Ausblick von Moody’s und “BB”, stabil von S & P – an den Start. Es folgt eine US-Transaktion mit Treffen in New York und Boston, wobei ZF mit mehr als 50 Investoren einzeln spricht und mit etwa 120 auf einer gemeinsamen Präsentation Kontakt hat. Hier sind Citi, BoA Merrill Lynch, HSBC und J.P. Morgan als Buchführer mandatiert. Das Orderbuch füllt sich auf 15 Mrd. Dollar an. Begeben werden Papiere über 1 Mrd. Dollar auf fünf Jahre zu 4,0 %, 1 Mrd. auf sieben Jahre zu 4,5 % und 1,5 Mrd. Dollar auf zehn Jahre mit einem Kupon von 4,75 %, wobei jeweils am unteren Ende der Spanne gepreist werden kann.”Indem wir einen Teil der Anleihen in US-Dollar begeben, sichern wir uns auf natürliche Weise gegen Währungsrisiken ab”, sagt CFO Konstantin Sauer. Die Finanzierung habe ein ausgewogenes Laufzeitenprofil und die Übernahme sei “entsprechend unserer konservativen Finanzpolitik solide durchfinanziert.”Angesichts der zu erwartenden Gewinne erkennt ZF keine besonderen Belastungen. “Die Ertragskraft sorgt dafür, dass wir uns relativ schnell wieder entschulden können”, sagt Sommer mit Blick auf die historisch niedrigen Zinsen. Der Cash-Zufluss, den TRW bisher an die Aktionäre ausschüttete, bleibt nun im neuen Konzern. Es kommen zwei nahezu schuldenfreie Unternehmen zusammen. “Dazu kommt, dass beide Unternehmen ertragsstark sind, über ein sortiertes Produktportfolio verfügen und es keinen großen Restrukturierungs- und Investitionsbedarf gibt. Vielmehr können wird uns darauf konzentrieren, die komplementäre Technologiestrategie umzusetzen”, sagt Sommer.Rechtlich setzte ZF auf Sullivan & Cromwell. TRW mandatierte Simpson Thacher & Bartlett sowie Gleiss Lutz. Den ZF-Eignern stand Clifford Chance zur Seite, Cleary Gottlieb der Citi. Bei den Anleihen vertrat Freshfields Bruckhaus Deringer ZF und Allen & Overy die Banken. Freshfields war auch für den Schuldschein mandatiert. Für den Verkauf der Lenksysteme war es Glade Michel Wirtz, die auch beim Kauf der Rexroth-Sparte mit Baker & McKenzie beriet.—-Zuletzt erscheinen:- Der Bondmarkt hat als Reiseziel für SAP Saison, 9.6.- Hella (er)findet den sicheren Weg an die Börse. 2.6.- Wohnungsriese Deutsche Annington auf Kurs für den Dax, 27.5.- Bayer und die Transaktion der Superlative, 19.5.