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Zielkonflikt am Wohnungsmarkt

Von Helmut Kipp, Frankfurt Börsen-Zeitung, 19.11.2019 Der Berliner Senat macht Ernst. Trotz weit verbreiteter Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit, die am Wochenende auch das Bundesinnenministerium genährt hat, bringt die Koalition aus SPD, Grünen...

Zielkonflikt am Wohnungsmarkt

Von Helmut Kipp, FrankfurtDer Berliner Senat macht Ernst. Trotz weit verbreiteter Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit, die am Wochenende auch das Bundesinnenministerium genährt hat, bringt die Koalition aus SPD, Grünen und Linken den Mietendeckel für Wohnungen auf den Weg. Es geht nicht nur darum, Mieterhöhungen in Neuverträgen zu unterbinden, als überhöht eingestufte Mieten in der Hauptstadt zu senken und Bestandsmieten bis Ende 2021 einzufrieren. Im Fokus stehen auch die Modernisierungsinvestitionen. Sie haben in den vergangenen Jahren maßgeblich zur starken Verteuerung des Wohnens in Deutschland beigetragen. Denn Hauseigentümer können die Ausgaben auf die Miete umlegen. Die Erhöhungen sorgen für wachsenden Unmut bei betroffenen Mietern.Die Bundesregierung hat mit der Einführung einer Kappungsgrenze reagiert: Innerhalb von sechs Jahren kann die Monatsmiete modernisierungsbedingt noch um 3 Euro je Quadratmeter erhöht werden, bei Mieten unter 7 Euro um 2 Euro. Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia hat angekündigt, die Umlage unabhängig von der Ausgangsmiete auf 2 Euro zu begrenzen. Der Umlagesatz liegt seit Jahresanfang bei 8 % im Jahr, vorher waren es 11 %. Diese Absenkung erscheint angesichts der drastisch gefallenen Zinsen gerechtfertigt.Überschreitet die Miete nach der Modernisierung die ortsübliche Vergleichsmiete, darf sie so lange nicht erhöht werden, bis der Abstand wieder beseitigt ist. Nicht umlagefähig sind die Ausgaben für Erhaltungsmaßnahmen. Diese Kosten muss der Eigentümer tragen. In der Praxis ist die Abgrenzung zwischen Modernisierung und Instandsetzung schwierig, so dass man sich mit Schätzungen behilft. Aufgrund der komplizierten Berechnungen schrecken nach Darstellung des Hauseigentümerverbands Haus und Grund kleine Vermieter häufig davor zurück, die Ausgaben umzulegen. Für kleinere Baumaßnahmen gilt eine Vereinfachung: Bei Ausgaben bis 10 000 Euro können pauschal 30 % als Erhaltungsaufwand abgezogen und die restlichen 70 % umgelegt werden. Begrenzung auf 1 Euro Das Land Berlin will nun die Umlage auf monatlich 1 Euro je Quadratmeter deckeln. Für Modernisierungen, die darüber hinausgehen, dürfen Mieter nicht mehr herangezogen werden. Dafür sollen die Eigentümer Förderprogramme nutzen. Für eine 80-Quadratmeter-Wohnung bedeutet die vom Berliner Senat beschlossene Regelung: Der Vermieter kann nur noch Modernisierungsausgaben von 12 000 Euro weitergeben.Das geplante Gesetz zur Mietenbegrenzung wird weitreichende Folgen für die Investitionen der Hausbesitzer haben. Die Eigentümer in Berlin werden ihre Ausgaben für Modernisierung und Instandhaltung deutlich zurückfahren. Der Verband Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen, dem neben privaten auch eher gemeinwohlorientierte Vermieter wie öffentliche, genossenschaftliche und kirchliche Gesellschaften angehören, bezeichnete den geplanten Mietendeckel im Sommer als Investitionsdeckel. Selbst der Regierende Bürgermeister Michael Müller räumt ein, dass in Zukunft die Investitionen in den Wohnungsbestand wohl sinken werden, geht aber davon aus, dass weiter saniert und auch modernisiert wird.Die absehbaren Kürzungen betreffen auch Themen mit gesellschaftlich und politisch hohem Stellenwert wie den altersgerechten Umbau und die energetische Sanierung. Kritiker fürchten, dass die Voraussetzungen für Investitionen in Wärmedämmung und sparsame Heizungsanlagen zerstört werden und damit das Ziel torpediert wird, den Gebäudebestand bis 2050 nahezu klimaneutral zu machen. Damit offenbart sich ein Zielkonflikt zwischen günstigen Mieten und Klimaschutz durch CO2-Einsparung bei Gebäuden.Über Jahre war Modernisierung für gewinnorientierte Wohnungsanbieter ein lukratives Geschäft. Denn zum einen erhöhen die Ausgaben die Mieteinnahmen und damit den operativen Ertrag. Zumal die Miete auf dem erhöhten Niveau bleibt, wenn die Kosten der Modernisierung nach Jahren abgetragen sind. Zum anderen steigt der Immobilienwert. Das Hochschreiben des Bestands eröffnet gerade den großen Playern zusätzliche Finanzierungsspielräume, weil es den für die Branche wichtigen Verschuldungsgrad senkt.Eine Analyse der Ratingagentur Scope zeigt, wie stark privatwirtschaftliche Anbieter das Instrument genutzt haben. Demnach haben die 20 größten Wohnungsunternehmen in Deutschland die Ausgaben für Instandhaltung und Modernisierung in den vergangenen zehn Jahren von 1,4 Mrd. Euro auf 3,6 Mrd. Euro erhöht. “Der Zuwachs geht fast ausschließlich auf die zehn privatwirtschaftlichen Unternehmen zurück”, sagt der Analyst Philipp Wass. Bezogen auf den Quadratmeter Wohnfläche hätten diese Konzerne ihre Ausgaben von 13 auf 40 Euro verdreifacht, während sie bei den öffentlichen Firmen bei knapp 30 Euro verharrten (siehe Grafik).Dabei haben die Privatfirmen der Studie zufolge den Modernisierungsanteil an den Gesamtinvestitionen von unter 50 % im Jahr 2009 auf mehr als 70 % erhöht. Das führte zu Mietsteigerungen von durchschnittlich 3,4 % in den vergangenen fünf Jahren gegenüber 2,3 % bei öffentlichen Unternehmen.