DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: JOACHIM PREISIG

"Zinslast wird 2017 deutlich sinken"

Freenet-Finanzchef geht von 20 Mill. Euro Ersparnis aus und stellt weiter steigende Dividenden in Aussicht

"Zinslast wird 2017 deutlich sinken"

– Herr Preisig, Freenet lebt seit einigen Jahren in einer besonderen Welt: Der Umsatz fällt, das Ergebnis steigt. Wie lange kann das noch so weitergehen?Unser Ziel ist grundsätzlich, dass wir das operative Ergebnis (Ebitda) und den Free Cash-flow noch lange, lange Zeit immer leicht steigern können. Den Umsatzdruck, den Sie ansprechen, beobachten wir nicht bei den hochmargigen Umsätzen. Diese wachsen bei uns ebenfalls moderat. Der Umsatzrückgang ergibt sich prinzipiell aus der Eliminierung bestimmter Hardware-Geschäfte, die wir früher gemacht haben, die aber keine Marge haben, so dass sie uns auch nicht fehlen. Davon abgesehen wollen wir von 2016 an wieder zu leicht steigenden Gesamtumsätzen zurückkehren. Wir rechnen dazu auf Basis interner Ermittlungen mit einer Stabilisierung des durchschnittlichen Monatserlöses je Kunde (ARPU).- Die Hoffnung stirbt zuletzt – von einem steigenden ARPU träumen alle Mobilfunkanbieter seit langem. Es ist aber bisher immer abwärts gegangen. Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?Wir sehen bei uns, dass der Neukunden-ARPU in der Tat stabil ist. Das liegt zum einen an einer gewissen Angleichung der Flatrates, zum anderen stellen wir fest, dass die Kunden insgesamt weniger preisgetrieben sind, sondern mehr auf die Qualität der Services und der Netze achten.- Sie haben vor einiger Zeit begonnen, Ihr Kerngeschäft durch Digital-Lifestyle-Angebote zu ergänzen. Wie entwickeln sich diese Umsätze?Das wächst sehr dynamisch. Wir haben in den einzelnen Produktgruppen und Services wie Antiviren-Programm oder Smart Home oder Flatrates für Musik und Spiele 2013 rund 50 Mill. Euro umgesetzt und im vergangenen Jahr 78 Mill. Euro. 2015 wird dieser Wert definitiv erneut ansteigen. Ich betrachte das durchaus als Erfolg, denn insgesamt im Markt entfalten die Kunden noch keine allzu große Nachfrage nach solchen Produkten und Applikationen. Das wird kommen, keine Frage, aber es dauert noch ein, zwei Jahre. Dafür sind die Margen dieser Digital-Lifestyle-Produkte aber durchaus überdurchschnittlich gemessen an unserem Gesamtportfolio.- Wollen Sie diese Aktivitäten auch durch Zukäufe noch stärken?Wir sind nach wie vor dabei, uns den Markt anzuschauen und Akquisitionen zu prüfen. Wir halten dabei einerseits Ausschau nach neuen Vertriebskanälen oder ,brands’, wie das bei Gravis der Fall war, und andererseits nach Kundengruppen für unser Mobilfunkportfolio.- In welchem finanziellen Rahmen könnten sich solche Zukäufe bewegen?Wir wollen grundsätzlich unsere ,financial policy’ beibehalten, dass wir 50 bis 75 % des Free Cash-flow ausschütten. Wir sind da zuletzt eher an das obere Ende gegangen, und das wird sich auch nicht grundsätzlich verändern. Wegen der prognostizierten steigenden Cash-flows könnte die Dividende dabei ebenfalls weiter steigen. Die verbleibenden freien Mittel stehen uns für Zukäufe zur Verfügung.- Aufgrund der spezifischen Dynamik von Umsatz und Ergebnis ist Ihre operative prozentuale Marge zuletzt stetig gestiegen. Bis wohin kann das gehen?Mich interessiert die prozentuale Marge eigentlich nur sekundär. Für uns steht der stetige Anstieg des absoluten Ergebnisses und des Free Cash-flows im Fokus, denn das ist der Dreh- und Angelpunkt für die Dividende, und wir wollen eine nachhaltig steigende Aktionärsvergütung erzielen.- Wenn Sie die operative Entwicklung im Kerngeschäft betrachten, welchen Einfluss erwarten Sie durch die Marktkonsolidierung nach der Fusion von Telefónica Deutschland und E-Plus, etwa durch die zusätzliche Netzkapazität, die Drillisch erworben hat?Kurz- bis mittelfristig sehe ich da eigentlich überhaupt keine Auswirkungen. Wir machen unser Geschäft mit sämtlichen Netzbetreibern und Vertriebskanälen und sind mit rund 600 Shops, Media Saturn Deutschland, 5 600 Fachhändlern und dem Online-Kanal sehr gut aufgestellt. Wir verfügen über 9 Millionen Kunden (davon 6 Millionen mit Zweijahresverträgen), die wir natürlich weiter ausbauen wollen und denen wir zusätzliche Produkte aus dem Bereich Digital Lifestyle verkaufen. Damit sind und bleiben wir mit Abstand der größte netzunabhängige Anbieter im deutschen Markt.- Was man bei allen Marktteilnehmern, vor allem auch bei den Netzbetreibern beobachten kann, ist, dass ein stärkerer Fokus auf die eigenen direkten Vertriebskanäle gelegt wird. Erwarten Sie davon Verschiebungen im Markt und Ihrem Geschäft?Diese Diskussion ist eigentlich so alt wie das Service-Provider-Geschäft. Naturgemäß möchten die Netzbetreiber möglichst viel Direktgeschäft machen. Andererseits sind wir ein zuverlässiger Vertriebspartner und liefern qualitativ gute Kunden in deren Infrastruktur ein. Sie sehen unterm Strich, dass wir unsere Kundenbasis ausbauen können.- Ein weiterer Trend ist der zu integrierten Angeboten. Mobilfunk allein ist out, könnte man sagen. Müssen Sie Ihr Geschäftsmodell auch hinterfragen?Natürlich treibt uns diese Frage auch um, aber letztlich liegt unser Vorteil darin, ein Reseller zu sein. Wenn der Markt diese integrierten Angebote verstärkt nachfragt, werden wir sie auch vertreiben. Allerdings lehrt die Erfahrung aus dem Ausland, dass hier Vorsicht geboten ist. Für die Netzbetreiber, die diese integrierten Pakete geschnürt haben, bedeuteten sie im Ergebnis oft, dem Kunden mehr zu bieten für weniger Geld. Das ist nicht im Interesse der Unternehmen. Deshalb habe ich den Eindruck, dass die Netzbetreiber hierzulande dabei eher vorsichtig voranschreiten.- Von der besonderen operativen Welt zur neuen Bilanzwelt. Die Zeiten einer strapazierten Bilanz liegen lange hinter Freenet, heute pflegen Sie eine sehr hohe Eigenkapitalquote. Ist das angesichts des aktuell äußerst billigen Fremdkapitals zeitgemäß?Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass wir noch einen 2011 aufgelegten Bond über 400 Mill. Euro haben, der mit einem Kupon von 7,125 % relativ teuer ist. Der wird im April 2016 Geschichte sein. Darüber hinaus sind wir auf der Fremdkapitalseite schon recht gut aufgestellt. Wir haben ein 120-Mill.-Euro-Schuldscheindarlehen, dessen Fristigkeit sich bis 2018/19 erstreckt, und einen Revolver über 300 Mill. Euro.- Werden Sie den Bond im nächsten Jahr refinanzieren oder tilgen?Also wir haben sicher keine Veranlassung, den Bond vollumfänglich zu refinanzieren, allenfalls einen geringen Teil. Auf jeden Fall wird 2017 die Zinsbelastung deutlich sinken. Auf Basis der heutigen Marktbedingungen könnte sich die Entlastung auf über 20 Mill. Euro belaufen.- Demnach wird die Eigenkapitalquote eher noch steigen?In der Tat sollte sie sich auf einem Niveau um oder sogar oberhalb von 50 % stabilisieren. Fremdkapital ist zurzeit tatsächlich sehr günstig, aber das kann sich wieder ändern. Ich denke, es ist gut, wenn man in gewisser Weise eine konstante ,financial policy’ hat und diese nicht immer opportunistisch anpasst. Wir haben da unseren Leverage und unsere Eigenkapitalquote, wie wir sie anstreben, definiert. Das soll langfristigen Charakter haben und den Investoren Sicherheit geben. Außerdem ist nicht zu vergessen, dass wir auf der Aktivseite der Bilanz auch noch eine Goodwill-Position von 1,1 Mrd. Euro haben.- Beunruhigt Sie die?Nein, sie verursacht mir keine schlaflosen Nächte. Sie wird regelmäßigen Impairmenttests unterworfen und stellt kein Problem dar. Dennoch muss man sie bei der Betrachtung der Eigenkapitalseite im Blick haben.- Sie finanzieren sich bereits sehr günstig, haben Sie daran gedacht, ein Rating einzuholen?Wir finanzieren uns auch ohne Rating zu Investment-Grade-Bedingungen. Deshalb verzichten wir derzeit auf ein formales Rating. Es kostet Geld, das wir sparen können. Wir haben einen Namen bei den Investoren und eine offene, transparente Kommunikation, bei der wir eine Zwei-Jahres-Guidance bis 2016 herausgelegt haben. Das schafft hinreichend Vertrauen.- Eine längerfristige Guidance wird auch von größeren Telekomanbietern, zum Beispiel der Deutschen Telekom, benutzt, um gezielt bestimmte Investorengruppen anzusprechen. Ist das bei Ihnen auch der Fall?Ja, wir haben uns bemüht, gezielt Value-Investoren anzusprechen, und inzwischen auch eine Zielstruktur erreicht, wie wir sie uns vorgestellt haben, also größtenteils Dividendenfonds beziehungsweise Investoren mit langfristigem Anlagehorizont. Auch geografisch haben wir uns diversifiziert und auch Anleger aus dem angelsächsischen Raum, sowohl aus den USA als auch aus Großbritannien, sowie aus der Schweiz, Norwegen und Frankreich gewonnen. Früher war unsere Aktionärsbasis stark durch deutsche Investoren geprägt. Heute sind sie nur noch durchschnittlich repräsentiert.—-Das Interview führte Heidi Rohde.