Zoom fokussiert auf Unternehmen
hei Frankfurt
Der Videokonferenzanbieter Zoom rüstet sich mit dem Kauf der Callcenter-Firma Five9 für den beginnenden Verdrängungswettbewerb in einer Boombranche, in die unter anderem auch Microsoft, Cisco, Google und Facebook eingestiegen sind. Zoom legt für Five9 insgesamt 14,7 Mrd. Dollar auf den Tisch, was nahezu dem 30fachen Jahresumsatz des defizitären Callcenter-Unternehmens entspricht. Der im kalifornischen San Jose ansässige Konzern nutzt den rasanten Kursanstieg der eigenen Aktie während des Booms der Branche im Pandemiejahr 2020 und bezahlt die Transaktion komplett in eigenen Anteilscheinen. Die Aktionäre von Five9 erhalten 0,5533 Zoom-Aktien für jedes ihrer Papiere. Sie müssen dem Deal allerdings noch zustimmen. Die Beteiligten rechnen daher erst im ersten Halbjahr 2022 mit einem Closing der Transaktion. Nach dem Vorbild der Slack-Übernahme durch Salesforce soll auch Five9 als selbständige Unternehmenseinheit von Zoom weiterhin von CEO Rowan Trollope geführt werden.
Die Börse reagierte zwar verschnupft über den Kaufpreis der Transaktion. Zoom, die zum Zeitpunkt ihres IPO im Vorkrisenjahr 2019 mit 9 Mrd. Dollar bewertet worden war, bringt es allerdings inzwischen auf eine Marktkapitalisierung von rund 106 Mrd. Dollar und kann ihre Aktie als valide Währung für die Akquisition einsetzen. Die Verwässerung der Altaktionäre ist mit rund 12% noch moderat. Zoom-Titel gaben im frühen Handel an der Nasdaq um 3,8% nach.
Wachstumspotenzial
Zoom-Gründer und CEO Eric Yuan betonte die Wachstumssynergien des Deals für beide Unternehmen. Five9 ergänze den derzeit auf 62 Mrd. Dollar geschätzten Markt für Videokonferenzen durch das eigene Portfolio von Customer-Care-Lösungen um weitere 24 Mrd. Dollar. Gemeinsam ergebe sich ein erhebliches „Upselling-Potenzial“ in der jeweiligen Kundenbasis des anderen, heißt es in einer Investorenpräsentation. Zoom brachte es zuletzt auf einen Zwölfmonatsumsatz von 3,3 Mrd. Dollar, während Five9 in dieser Betrachtung auf 478 Mill. Dollar kam.
Interessant ist der Callcenter-Spezialist für Zoom aufgrund seiner installierten Basis von rund 2000 Unternehmenskunden weltweit, zu denen Dow-Konzerne wie IBM oder Coca-Cola ebenso zählen wie Industrieriesen wie Siemens oder Finanzdienstleister wie Paypal. Der stärkere Fokus auf große Unternehmenskunden ist daher eine wichtige Triebfeder der Transaktion, denn Zoom muss ihre Position in dem zurzeit noch fragmentierten Markt für Videokonferenzsysteme verteidigen. Derzeit ist das Unternehmen in Deutschland wie global eine starke Nummer 3 mit einem Marktanteil von knapp einem Viertel bei Unternehmenskunden mit über 1000 Beschäftigten. Global dominiert inzwischen Microsoft mit der eigenen Software-Lösung Teams mit einem Anteil von 40% etwas stärker als hierzulande und hat den vorherigen Marktführer Webex damit schon überholt. Im breiteren Markt gelten bisher noch Zoom und Webex als Marktführer. Zoom hat sich ihren Marktanteil unter anderem mit einer unkomplizierten Benutzeroberfläche erobert, musste jedoch während des rasanten Wachstums auch Kritik an Sicherheitslücken und mangelndem Datenschutz hinnehmen. So wurde bekannt, dass zeitweise ohne Zustimmung der Nutzer Daten an Facebook übertragen wurden.
Wie im Browserkrieg
Microsoft, die Teams erst 2017 herausgebracht hat, brachte die Pandemie eine schnelle Verbreitung, die der Windows-Konzern nun nutzen will, um seinerseits Marktanteile zu gewinnen. Dazu hat das Unternehmen bekannt gegeben, dass Teams in der neuesten Version des Microsoft-Betriebssystems kostenlos integriert sein wird. Die Strategie, gegen die auch der Bürokommunikationsanbieter Slack bei der EU-Kommission Wettbewerbsbeschwerde eingereicht hat, erinnert verdächtig an den sogenannten Browserkrieg, in dem Microsoft den kleineren Konkurrenten Netscape in die Knie zwang. Netscape hatte als Erste ein eigenes Internetzugangsprogramm entwickelt; die Gates-Company entwickelte den Windows Explorer und koppelte ihn kostenlos an das Betriebssystem. Damit entzog sie Netscape praktische die Geschäftsgrundlage.