Kartellverfahren

Zuckerproduzenten müssen weit weniger Schadenersatz zahlen als gefordert

Für Südzucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen hätte es viel schlimmer kommen können. In zwei Pilotverfahren verurteilte das Landgericht Mannheim die drei größten deutschen Zuckerproduzenten wegen Kartellabsprachen zu Zahlungen von insgesamt knapp 15 Mill. Euro. Selbst bei Addition fälliger Zinszahlungen in gleicher Höhe liegt der Gesamtwert weit unter den geforderten 83 Mill. Euro Schadenersatz.

Zuckerproduzenten müssen weit weniger Schadenersatz zahlen als gefordert

Zuckerproduzenten kommen in zwei Kartellverfahren glimpflich davon

Gericht erkennt Schadenersatzansprüche gegen Südzucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen an – Millionenstrafe liegt weit unter den Forderungen

md Frankfurt

Südzucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen, die drei größten Zuckerproduzenten in Deutschland, sollen Schadenersatz in Millionenhöhe zahlen, weil sie nach Kartellabsprachen zu hohe Zuckerpreise kassiert haben. Die Kartellkammer am Landgericht Mannheim entschied, dass Nestlé Deutschland rund 8,4 Mill. Euro und der Molkerei Alois Müller knapp 6,3 Mill. Euro zustehen. Hinzu kommen nach den Angaben noch jeweils Zinszahlungen in ähnlicher Dimension, die teilweise bis 1998 zurückreichen. Doch selbst dann liegen die Strafen weit unter den Forderungen der beiden Kläger. Diese hatten in den zwei Pilotverfahren Preisüberhöhungsschäden von insgesamt rund 83 Mill. Euro geltend gemacht. Rechtskräftig sind die Urteile noch nicht, da die beklagten Parteien Berufung einlegen können. Anleger schienen vom Urteil wenig beeindruckt zu sein. Der Aktienkurs von Südzucker, die als einzige der drei Firmen börsennotiert ist, tendierte am Montag leichter.

Die Marke "Diamant" des Kölner Zuckerproduzenten Pfeifer & Langen hat eine lange Tradition. Das schützt jedoch nicht vor Strafen wegen Rechtsverstößen. (Foto: Pfeifer & Langen)

Erstmals ein Schuldspruch

Pfeifer & Langen mit Sitz in Köln weist darauf hin, dass es das erste Urteil ist, mit welchem Klägern im Zusammenhang mit dem Zuckerkartell Schadensersatz zugesprochen wird. Zuvor waren Klagen in Köln und Dortmund abgewiesen worden. Der zugesprochene Betrag bleibe weit hinter den geltend gemachten Klageforderungen zurück, betont der Hersteller von "Diamant"-Zucker und beziffert die Strafe mit "80% weniger als gefordert". Pfeifer & Langen werde nun den Eingang der Entscheidungsgründe abwarten und anschließend analysieren; in ähnlicher Weise äußerte sich Nordzucker. Auch von Südzucker hieß es, das Urteil werde geprüft. Aus der Bilanz für 2022/23 (28. Februar) geht hervor, dass das Mannheimer Unternehmen 127 (i.V. 151) Mill. Euro an Prozessrückstellungen gebildet hatte, davon 101 (103) Mill. langfristig.

Das Bundeskartellamt hatte im Februar 2014 gegen die drei großen deutschen Zuckerhersteller Bußgelder wegen wettbewerbsbeschränkender Gebiets-, Quoten- und Preisabsprachen im Bereich von Zucker für die weiterverarbeitende Industrie – sogenannter Verarbeitungszucker – verhängt. In der Folge wurden am Landgericht Mannheim rund 40 Kartellklagen verschiedener Lebensmittel- bzw. Getränkehersteller eingereicht, in denen Ersatzforderungen von insgesamt mehreren hundert Millionen Euro (einschließlich Zinsforderungen) erhoben wurden. In den Verfahren machten die Kläger geltend, sie und mit ihnen verbundene Unternehmen hätten wegen des Zuckerkartells erheblich überhöhte Preise für Verarbeitungszucker gezahlt, den sie von den Beklagten und Dritten zwischen 1996 und 2010 bzw. 2014 bezogen hätten.

Sechs Pilotverfahren

Die Kartellkammer hatte für ein Sachverständigengutachten sechs Pilotverfahren ausgewählt. Dabei handelte es sich um die Klagen der Lebensmittelhersteller Goldeck Süßwaren, Jung & Schmitt, Katjes Fassin, Molkerei Alois Müller, Nestlé Deutschland und Zott. In zwei Anhörungsterminen – der letzte Ende Januar 2023 - erläuterte der Gutachter Prof. Dr. Justus Haucap nach Angaben des Gerichts, dass er im Rahmen seiner Schadensschätzung von der Preisentwicklung in Frankreich in den Jahren 2001 bis 2014 darauf geschlossen habe, dass die analysierten Zuckerpreise in Deutschland zwischen 2001 und 2009 ohne die verbotenen Absprachen um rund 2% niedriger gewesen wären. Nach der Sitzung im Januar nahmen Goldeck Süßwaren und Zott ihre Klagen zurück. Katjes Fassin erklärte ihre Klage teilweise für erledigt. Dort sowie im weiteren Verfahren von Jung & Schmitt werde die Verhandlung wiedereröffnet, teilte das Landgericht mit.

Preise um 2 Prozent überhöht

In der Begründung der Urteile in den beiden Pilotverfahren von Nestlé Deutschland und Molkerei Alois Müller gegen die Zuckerproduzenten folgte die Kammer weitgehend dem Gutachten. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Preise für Verarbeitungszucker in Deutschland von 1997 bis September 2009 wegen des Zuckerkartells um rund 2% überhöht waren. Die Kammer räumte ein, dass zwar die damals bestehende Regulierung der europäischen Zuckermärkte den Wettbewerb zwischen Anbietern von Verarbeitungszucker erheblich beschränkte. "Auch ließen die übrigen Marktcharakteristika bereits ohne verbotene Absprachen in erheblichem Umfang erwarten, dass die Zuckerhersteller vorwiegend Kunden in der Nähe ihrer Zuckerfabriken beliefern, die ursprünglich historisch bedingt in Norddeutschland (Nordzucker), Westdeutschland (Pfeifer & Langen) und Süd- und Mitteldeutschland (Südzucker) konzentriert waren", wie es in der Urteilsbegründung heißt. Wesentlicher Restwettbewerb um Absatzgebiete, Kunden und Kundenpreise sei aber dennoch möglich gewesen und sei durch die über 13 Jahre andauernden verbotenen Absprachen mit preisüberhöhender Wirkung beschränkt worden. Die Zuckerkonzerne bestritten, dass ihren Kunden ein Schaden entstanden sei.

Auch wenn es so aussieht, als bliebe der zu zahlende Schadenersatz in den Kartellverfahren weit unter den Forderungen, so ist die Mannheimer Südzucker doch das Unternehmen, das die mit Abstand höchsten Strafen zu tragen hat. (Foto: Südzucker)

Bußgeld von 280 Mill. Euro

Das Bundeskartellamt hatte 2014 Südzucker, Pfeifer & Langen sowie Nordzucker wegen verbotener Absprachen Bußgelder von insgesamt 280 Mill. Euro aufgebrummt. Zahlen mussten vor allem Südzucker und Pfeifer & Langen, denn die Braunschweiger Nordzucker profitierte von einer Art Kronzeugenregelung, die einen weitgehenden Straferlass nach sich zog. Nordzucker zahlte ein Bußgeld in einstelliger Millionenhöhe, wohingegen Südzucker nach eigenen Angaben 195,5 Mill. Euro überweisen musste. Aus Sicht des Kartellamts hatten die Unternehmen über mehrere Jahre hinweg bis 2009 Verkaufsgebiete, Quoten und Preise abgesprochen. Unter anderem in Köln gab es entsprechende Klagen von Molkereien, Gebäck- und Feinkostherstellern sowie Brauereien gegen die Zuckerhersteller. Das dortige Landgericht hat jedoch 2020 mehrere Klagen mit der Begründung abgewiesen, ein Schaden sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Auch das Landgericht Dortmund hat kürzlich eine entsprechende Klage abgewiesen.

Wertberichtigt Seite 2