Zulieferer arbeiten am Gehirn für autonome Trucks
igo/jh Hannover/München – Autonomes Fahren ist neben der Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen der Schwerpunkt der Branchenmesse IAA. Angefangen bei Fahrerassistenzsystemen wie Brems- und Abbiegeassistenten bis hin zur Vision von Kolonnenfahrten, sogenannten Platoons, bei denen mehrere schwere Lastwagen miteinander kommunizieren, während sie im Abstand von wenigen Zentimetern hintereinander über die Autobahnen und Highways der Welt brettern. Das Versprechen der Branche: Durch autonome Trucks werde der Warentransport sicherer, weil menschliche Fehler minimiert würden. Zudem ließen sich neben Treibstoffkosten auch Personalkosten einsparen. Die beiden Posten stehen bei Logistikunternehmen im Schnitt für bis zu ein Drittel der gesamten Betriebskosten. Statt von den Lkw-Herstellern wird dieser Trend allerdings hauptsächlich von den großen Zulieferkonzernen der Industrie befeuert und gestaltet.ZF Friedrichshafen investiert in den kommenden fünf Jahren alleine in Elektrifizierung und autonomes Fahren 12 Mrd. Euro. Sowohl in die Entwicklung als auch die Produktion entsprechender Komponenten und Systeme. Im vergangenen Geschäftsjahr lag das Budget für Forschung und Entwicklung insgesamt bei 2,2 Mrd. Euro. Autonomes Fahren im Nutzfahrzeugbereich will der Stiftungskonzern mit einem Partner entwickeln, der seinen Namen allerdings noch nicht genannt wissen will. “Wir haben mit einem großen Logistikunternehmen eine Vereinbarung getroffen, um das autonome Fahrsystem zur Serie zu entwickeln”, sagte ZF-Chef Wolf-Henning Scheider auf der IAA. In der ersten Stufe soll der Transporter automatisch in eine freie Lücke einparken können, dann sollen schrittweise weitere Funktionen hinzukommen. Das System soll dann auf sämtliche Fahrzeugmodelle aufgesetzt werden können, unabhängig also davon, für welchen Transporter welchen Herstellers sich der Logistik-Partner letztlich entscheide. Fehlende RegelnBis zum vollautonom fahrenden Transporter oder Truck seien indes “noch einige regulatorische Dinge zu klären”, so Scheider. Er sei allerdings zuversichtlich, dass “sich in dem Bereich in der Entwicklungszeit hin zur Serienreife etwas bewegt”. Mit der Politik stehe ZF in dieser Hinsicht im Austausch. “Der Validierung der Systeme kommt eine hohe Bedeutung zu”, so Scheider. Um Daten zu sammeln, die dann analysiert und der Politik zur Verfügung gestellt werden, startet der Konzern mit dem Aachener Start-up Ego Mobile ab Herbst 2019 einen Pilotversuch in Friedrichshafen. Auf einer öffentlichen aber abgesteckten Strecke sollen dann die gemeinsam entwickelten Ego Mover als Busersatz zwei Linien bedienen. Zunächst noch mit einem Sicherheitsingenieur an Bord, der das System beobachtet und im Notfall eingreifen kann.Mit Knorr-Bremse und Continental haben sich zwei klassische Zulieferer zu einer Zusammenarbeit in diesem Feld entschlossen. Gemeinsam wollen der Münchner Hersteller von Schienen- und Nutzfahrzeugbremsen und der Autozulieferer Systeme für das hochautomatisierte Fahren von Lastwagen entwickeln. Geplant ist ein Angebot für die Serienproduktion von Lkw aller Größen, das von Knorr-Bremse – die in etwa vier Wochen an die Börse gehen will – vertrieben werden soll.Als erster Schritt soll von Anfang 2019 an ein sogenannter Platooning- Demonstrator Kunden präsentiert werden: eine Kolonne von drei elektronisch gekoppelten Lkw unterschiedlicher Hersteller. Dieses automatisierte Kolonnenfahren ist die erste Stufe der Zusammenarbeit beider Unternehmen. “In der weiteren Entwicklung folgt das automatisierte Fahren auf der Autobahn”, kündigt Knorr-Bremse an.Continental bringt nach eigenen Angaben die langjährige Erfahrung mit assistiertem und automatisierten Fahren aus dem Pkw-Bereich ein sowie Produkte wie Sensoren. Knorr-Bremse beteiligt sich mit ihrem Wissen über die Bremssystemsteuerung. Mit Platooning ließen sich 15 % Kraftstoff einsparen, heißt es. Der Lkw-Hersteller MAN rechnet mit einem 10 % geringeren Verbrauch.Platooning sieht auch Bosch als einen Ansatzpunkt, das eigene Produktangebot an Assistenzsystemen sowie Sensor- und Radartechnik zu einem gesamtheitlichen System zusammenzuschließen. Die Radarsensoren etwa sind Basis für die Abbiegeassistenten, die dem derzeitigen Wunsch der EU-Kommission zufolge ab 2022 verpflichtend sein sollen. Bosch verzeichne daher vermehrt Anfragen jener Hersteller, die das Thema bisher weniger auf dem Radar hatten. Lkw oder Busse mit einem solchen Assistenten gibt es bisher aber kaum auf der Straße. Daimler stellte bei der IAA mit dem neuen Schwerlaster Actros eines davon vor.”In den USA sehen wir große Chancen für autonomes Fahren, da dort bereits heute Fahrermangel herrscht und auf den Highways oft dieselben langen Strecken gefahren werden”, so Bosch-Geschäftsführer Rolf Bulander. Bosch beschäftigt sich daher mit einer Hub-to-Hub-Automatisierung, also autonomem Fahren zwischen zwei oder drei festen Depots oder Logistikhöfen.