Zum Lululemon-Sportdress einen Yoga-Kurs
Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtEine Hand- bzw. Aktentasche von Louis Vuitton oder Gucci, eine Uhr von Rolex, Omega oder Cartier und ein Kostüm bzw. Anzug von Christian Dior oder Prada. Das ist die Welt des Luxus. Zumindest stellt man/frau sie sich so vor. Doch so einfach ist es nicht mehr. Zumindest nicht laut zweier Studien der US-Managementberatung Bain und des Schweizer Vermögensverwalters GAM. Demnach erfährt der Luxussektor derzeit einen tiefgreifenden Wandel. Statt Produkte einer Marke nur zu besitzen, erwartet die Millennials-Generation – die zwischen den frühen 1980er und späten 1990er Jahren Geborenen – zunehmend eine Kombination von Marke und Konsumerlebnis, stellt GAM fest. Der Trend sei eine Folge der digitalen Revolution im Einzelhandel und dürfte anhalten, wodurch traditionelle Luxusgüter langfristig unter Druck geraten. Traditioneller Ansatz überholtHersteller von Luxusgütern gelten als produktorientierte Unternehmen, die auf hohe Preisniveaus angewiesen sind und ihre Preisdurchsetzungsmacht durch gezielte Marketingmaßnahmen stärken. Dies erhöht die Markteintrittsbarrieren, die den Markeninhabern Schutz vor Konkurrenz bieten. Im Kern hält Swetha Ramachandran, Spezialistin für Luxusmarken bei GAM Investments, diese Vorgehensweise unverändert für richtig, wie die anhaltende Outperformance weltweit führender Marken wie Louis Vuitton (LVMH), Gucci (Kering) und Cartier (Richemont) zeige, die in ihren jeweiligen Kategorien hohe und weiter wachsende Margen erzielen.”Wir leben in einer Zeit, in der klassische Luxusgüter über mobile Apps praktisch überall und für jeden verfügbar sind”, heißt es in der GAM-Studie. Bain zufolge wird ein Viertel aller Luxusgüter bereits über das Internet verkauft. Da sich Kleidung und Accessoires zunehmend leichter leihen und wieder verkaufen ließen, so Ramachandran, habe der reine Besitz solcher Produkte etwas an Prestige verloren. Auch Bain weist darauf hin, dass sich die Sharing Economy mit Leihmodellen und Secondhand-Käufen im Luxusmarkt immer mehr durchsetzt. Dies hat nach Einschätzung des Schweizer Assetmanagers dazu geführt, dass Konsumenten ihre Ausgaben zunehmend vom Erwerb von Luxusgütern auf ein breites Spektrum einzigartiger “Erlebnisse” verlagern. Daher hätten Statussymbole wie Reisen, edle Weine und Spirituosen und der Besuch erstklassiger Restaurants in den vergangenen zehn Jahren stärkeres Wachstum verzeichnet als der Erwerb persönlicher Luxusgüter.GAM erwartet eine Fortsetzung dieses Trends, da die mit digitalen Medien aufgewachsenen Konsumenten – die Millennials und die Generation Z (Jahrgänge 1995 bis 2012) – eigene Markenbeziehungen aufbauen. Dies geschehe durch den Kontakt über soziale Medien, Influencer oder exklusive Marken-Events. Diese Konsumenten zählten – wie Marketing-Studien gezeigt hätten – zu den treuesten und wertvollsten Kunden, betont GAM. Sie entwickelten sich zu “inoffiziellen Markenbotschaftern”, indem sie ihre “Luxuserlebnisse” in sozialen Netzwerken präsentierten.Dass Communitys und Kundennetzwerke für die Luxushersteller noch wichtiger werden, meinen auch die Experten von Bain. Einen intensiven Dialog mit den Kunden zu pflegen, werde bald bedeutender sein als Markenimage oder Produktdesign.Dieser Ansatz, eine Marke auf Erlebnissen aufzubauen, habe frischen Auftrieb erhalten, als Premium-Sportmodemarken wie Lululemon damit begannen, Yoga- und Sportkurse in ihren Geschäften anzubieten, stellt GAM fest. Gerade zu Lululemon, einem kanadischen Einzelhändler für Sportbekleidung, passte das hervorragend, wurde das Unternehmen doch nach eigener Darstellung von Yoga inspiriert. Stärkere KundenloyalitätDer Zusatznutzen aus solchen individuellen Erlebnissen kann zu starker Kundenloyalität führen. Der britische Spirituosenanbieter Diageo hat kürzlich erläutert, wie sein “erlebnisorientierter Flagship Store” – das Johnnie Walker House in Madrid – dazu beigetragen habe, schottischen Whisky jüngeren Konsumenten näherzubringen. Und mit der Übernahme des Luxushotelbetreibers Belmond habe die französische LVMH, der größte Luxusgüterkonzern der Welt (siehe Grafik), deutlich gemacht, wie wichtig ihr erlebnisorientierter Luxuskonsum ist. Auch die Zusammenarbeit mit Designern oder Prominenten bei der Gestaltung von limitierten Auflagen könne ein sehr effektives Mittel sein, um Kunden für ein Produkt zu begeistern.Stationäre Händler von Luxuswaren, die ihr Geschäftsmodell wegen des digitalen Wandels grundlegend erneuern wollen, konzentrieren sich auf den Trend zu “Erlebnissen”. So bietet das Londoner Nobelkaufhaus Harrods einen Service für individuell kreierte Parfüms an; ein Jahr nach der Markteinführung machte das bereits einen Anteil von 25 % am Harrods-Geschäft mit Duftstoffen aus.Die nächsten Jahre werden nach Ansicht von Bain für die Luxusindustrie überaus positiv verlaufen: “Das globale Luxusgütergeschäft hat sich auf einem hohen Wachstumsniveau eingependelt”, stellt Oliver Merkel, Partner und Luxusgüterexperte von Bain, fest. “Und diese neue Normalität wird sich bis 2025 mit jährlichen Zuwachsraten von 3 bis 5 % fortsetzen.” Die anhaltende Dynamik beruhe vor allem auf der Kauflust asiatischer Konsumenten, wird betont.China dominiert den Luxusmarkt. Dort habe sich die modebewusste Generation Z mit ihrer Neigung zu Spontankäufen “zur spannendsten Kundengruppe” entwickelt, heißt es in der Bain-Studie. Die Beraterfirma prognostiziert, dass der Absatz von Premiummarken in China 2019 um bis zu 20 % steigen wird. Die Experten wagen eine kühne Voraussage: “2025 werden chinesische Konsumenten mehr als 45 % aller weltweiten Luxuskäufe tätigen.” Der Luxusgütermarkt werde dann 365 Mrd. Euro schwer sein. Für 2019 prognostiziert Bain ein Wachstum des globalen Luxusmarktes von 4 bis 6 (i.V. 6) %. Währungsbereinigt werde der Umsatz von 260 Mrd. Euro auf 271 bis 276 Mrd. Euro zulegen.Auch außerhalb Chinas boome das Luxusgeschäft in Asien; Bain erwartet einen Zuwachs von 10 bis 12 %, was vor allem der wachsenden Mittelschicht in Indonesien, Vietnam und auf den Philippinen zu verdanken sei. Die gesättigten Märkte legen dagegen nur noch mäßig zu: Für Europa sagt Bain ein Umsatzplus von 1 bis 3 % in diesem Jahr voraus, für Nord- und Südamerika 2 bis 4 %.