Zum Unicorn-Jagen tragen
Von Ulli Gericke, BerlinSieht so ein Unicorn, ein Einhorn aus, also ein Start-up mit einer Bewertung von über 1 Mrd. Dollar? Ein Unternehmen wie Hellofresh, das Kochboxen passgenau für ein, zwei oder drei Mahlzeiten verschickt, Rezepte beilegt und damit rasant expandiert? Und das der Mehrheitsaktionär, die Start-up-Schmiede Rocket Internet, zu ihren “Proven Winners” zählt? Bei denen Verluste nicht so wichtig sind, wenn der Umsatz nur explodiert. So wie bei Rocket selbst, die angesichts des nicht enden wollenden Kursverfalls irgendeine Kursrakete starten müssen, um ihre Investoren zu befrieden. “Extrem gut finanziert”Nachdem unlängst nicht nur der Online-Möbelhändler Westwing, sondern auch der Essenslieferdienst Delivery Hero, der hierzulande als Lieferheld firmiert, ein Initial Public Offering (IPO) für die nähere Zukunft ausgeschlossen hatten, wächst der Druck auf Hellofresh, an der Börse anzutreten. Mit Morgan Stanley und Goldman Sachs seien auch schon Investmentbanken mit den Vorbereitungen für eine Emission beauftragt worden, wurde unlängst gestreut.Dagegen verweist Mitgründer und CEO Dominik Richter darauf, dass seit der bisher letzten Finanzierungsrunde, bei der 110 Mill. Euro eingesammelt wurden und Rocket zum Mehrheitsaktionär avancierte, Hellofresh “extrem gut finanziert” sei und das Geld locker für die nächsten 36 Monate reichen dürfte. Damit gibt er indirekt zu verstehen, dass ein IPO weder nötig noch sinnvoll ist, weil es vom Kerngeschäft, der schnellen Markteroberung mit einer neu aufzubauenden Marke, ablenkt. Kein Zweifel, hier muss einer zum Jagen getragen werden.Vorsichtshalber gibt Richter aber ganz offiziell zu Protokoll, dass er sich “auf keinen Fall unter Druck gesetzt fühlt” für ein IPO. Neben Rocket und dem Management, das Richter zufolge auch nach der jüngsten Finanzierungsrunde noch signifikant an dem Unternehmen beteiligt ist, sind mit Insight Venture Partners und Phenomen Ventures zwei renommierte Wagnisfinanzierer an Bord. Zudem ist auch Vorwerk Selling Ventures bei der 2001 gegründeten Firma engagiert. Ist es da ein Zufall, dass der CEO ankündigt, neben den Kochboxen künftig auch Obst und Snacks sowie Küchengeräte versenden zu wollen?Zugleich versichert er, dass das rasante Umsatzwachstum von 380 % im Vorjahr und 370 % im ersten Quartal 2015 nahtlos weitergehe. Im gesamten Beteiligungsportfolio von Rocket Internet expandiert kein Unternehmen derart rasant wie die in Berlin ansässigen Essensversender, die außerhalb Deutschlands noch in sechs anderen Ländern aktiv sind – darunter mit den USA auch in einer Region, die Rocket ansonsten meidet, da ein Großteil der kopierten Geschäftsideen von dort kommt.Nach den Zahlen für 2014 ist der Nettoumsatz von Hellofresh von knapp 15 Mill. auf gut 70 Mill. Euro explodiert. Da sich der Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) trotz der flotten Expansion lediglich auf 12 Mill. verdoppelte, verringerte sich die operative Negativ-Marge von 36 auf 17 %. Damit gehört Hellofresh zu den “profitabelsten” Firmen im Rocket-Imperium. Nur zwei weit entfernte Online-Modehändler und Westwing sind ähnlich aufgestellt. Und Westwing will bekanntlich noch nicht an die Börse …Mit der Finanzierungsrunde im Februar, an der sich Rocket mit gut 130 Mill. Euro beteiligt hatte, wurde Hellofresh auf 624 Mill. Euro bewertet. Angesichts des anhaltenden Wachstums bei rückläufigen Verlusten könnte die Bewertung im Zuge des Börsengangs auf etwa 1 Mrd. Euro steigen, hoffen Investmentbanker und Beteiligte. Also doch ein Unicorn – wenn alles gut geht. ——–Der Chef von Hellofresh leistet Widerstand gegen einen raschen Börsengang.——-