Zusicherung der Anonymität für Whistleblower deutlich erschwert
– Herr Dr. Kaiser, Ombudssysteme spielen in der Compliance-Praxis für Unternehmen eine immer wichtigere Rolle. Welche Funktion übernimmt der Ombudsmann in dem Zusammenhang?Unternehmensbezogene Straftaten und Compliance-Verstöße können auch durch ausgefeilte Compliance-Management-Systeme nicht vollständig verhindert werden. Aus diesem Grund kommt der Aufdeckung von Fehlverhalten durch anonyme Hinweisgeber in der Praxis eine wichtige Bedeutung zu. Als Hinweisgeber kommen sowohl Unternehmensangehörige als auch externe Personen in Betracht. Es bestehen verschiedene Möglichkeiten der Kommunikation mit dem potenziellen Whistleblower. In der Praxis ist häufig das Modell des Ombudsmanns anzutreffen. Hier wird meist ein externer Rechtsanwalt damit beauftragt, als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Hinweisgeber zu fungieren. Der Anwalt nimmt Hinweise über unternehmensbezogene Straftaten, zum Beispiel Korruption, Insidergeschäfte oder Untreue, entgegen, filtert diese und leitet sie in der Regel anonym an das Unternehmen, zum Beispiel den Compliance-Officer oder den Integrationsbeauftragten, weiter.- Was ist der Vorteil einer externen Anlaufstelle gegenüber einem internen Adressaten?Der Vorteil eines externen Ombudsmannes besteht darin, dass dieser nicht in das Unternehmen eingegliedert ist und damit grundsätzlich eine größere Unabhängigkeit als ein unternehmensinterner Ansprechpartner besitzt. Ein externer Rechtsanwalt genießt bei potenziellen Hinweisgebern meist ein größeres Vertrauen, die Hemmschwelle zur Offenlegung von Compliance-Verstößen ist niedriger. Auch die besonderen Privilegien von Rechtsanwälten, wie das Zeugnisverweigerungsrecht und das Beschlagnahmeverbot mandatsbezogener Unterlagen, erhöhen die Anreizwirkung für den Tippgeber. Das Privileg des Beschlagnahmeverbots für Ombudsleute hat das Landgericht Bochum in einer Entscheidung aber jüngst deutlich aufgeweicht.- Das Landgericht Bochum hat jüngst Leitlinien vorgegeben, die bei der Einrichtung von Compliance-Ombudssystemen zu beachten sind. Woran müssen Unternehmen unbedingt denken?In dem vom Landgericht Bochum entschiedenen Fall setzte das betroffene Unternehmen eine Rechtsanwältin als Ombudsfrau ein, um Hinweise auf Compliance-Verstöße entgegenzunehmen. Ein Hinweisgeber übermittelte ihr eine anonyme Anzeige mit schweren Untreuevorwürfen gegen den Geschäftsführer des Unternehmens. Die Staatsanwaltschaft erwirkte einen Durchsuchungsbeschluss für die Räumlichkeiten der Ombudsfrau und beschlagnahmte die anonyme Anzeige. Im Ergebnis gab das Landgericht der Staatsanwaltschaft Recht. Im Kern begründete das Gericht die Beschlagnahmefähigkeit der Unterlagen bei der Ombudsfrau damit, dass zwischen ihr und dem Hinweisgeber weder eine Mandatsbeziehung noch ein mandatsähnliches Vertrauensverhältnis bestanden habe. Die Ombudsfrau sei lediglich vom Unternehmen beauftragt und in dessen Interesse tätig geworden. Ein wichtiger Bestandteil von Ombudssystemen besteht bislang häufig in der Zusicherung der Anonymität gegenüber dem Hinweisgeber. Diese Zusicherung kann der durch das Unternehmen als Ombudsmann eingesetzte Anwalt nach der Entscheidung des Landgerichts Bochum nicht mehr uneingeschränkt geben.- Unter welchen Voraussetzungen können die Kanzleiräume des Ombudsmanns durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt werden, die er von einem anonymen Whistleblower erhalten hat?Sofern ein Unternehmen einen externen Rechtsanwalt als Ombudsmann damit beauftragt, anonyme Hinweise auf Compliance-Verstöße entgegenzunehmen, können diese Unterlagen nach der Entscheidung des Landgerichts Bochum grundsätzlich im Rahmen einer Durchsuchung der Kanzleiräume des Ombudsmannes beschlagnahmt werden. Dies gilt zumindest dann, wenn der Ombudsmann – wie in der Praxis der Regelfall – lediglich vom Unternehmen beauftragt wird und keine Mandatsbeziehung zwischen dem Hinweisgeber und dem Ombudsmann besteht.—-Dr. Daniel Kaiser Anwalt bei CMS in Deutschland. Die Frage stellte Sabine Wadewitz