Zweifel an Thyssenkrupps Umbauplan wachsen
Als Finanzvorstand von Thyssenkrupp hatte Guido Kerkhoff jahrelang eine Aufspaltung des Konzerns abgelehnt. Jetzt muss und will er genau dies als Vorstandschef durchziehen. Angesichts der ungelösten operativen Schwierigkeiten des Unternehmens zweifeln Investoren an schnellen Erfolgen. Der Aktienkurs fällt.cru Düsseldorf – Die Bedenken der Investoren über den Zeitplan für die vom Aufsichtsrat nun gebilligte Aufspaltung als Mittel gegen die Krise von Thyssenkrupp nehmen ebenso zu wie die Enttäuschung über die halbherzige Lösung für das zeitweilige Führungsvakuum. Der Kurs der Aktie reagierte deshalb am Montag nach der außerordentlichen Aufsichtsratssitzung, in der der bisherige Interimschef und langjährige Finanzchef Guido Kerkhoff zum dauerhaften CEO sowie der Bochumer BWL-Professor Bernhard Pellens einstimmig zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats gekürt wurden, mit einem Minus von 4,1 % auf 20,84 Euro.Laut J.P.-Morgan-Analyst Luke Nelson hätten sich viele Investoren nach der langen Suche eine externe Lösung für die Führungsspitze des Konzerns gewünscht – weil Aufsichtsratschef Pellens dem Kontrollgremium des angeschlagenen Industriekonzerns schon seit 2005 angehört und Kerkhoff bereits seit sieben Jahren Finanzchef war, bevor er im Juli den überstürzt abgetretenen Heinrich Hiesinger zunächst als Interimschef abgelöst hatte.Dabei kann Thyssenkrupp nach den Worten des nun dauerhaft bis 2023 unter Vertrag genommenen Kerkhoff bei der bis Anfang 2020 geplanten Aufspaltung des Unternehmens in einen reinen Industriegüterkonzern und einen Stahlkonzern von einer neuen Bewertung des profitablen Aufzugsgeschäfts profitieren. Durch die Aufspaltung würden stille Reserven gehoben, insbesondere im Elevator-Bereich, bekräftigte Kerkhoff am Montag seine Aussagen aus einer Telefonkonferenz.Neben der Aufzugssparte als größtem Gewinnbringer des Konzerns, deren Marktwert Analysten auf 15 Mrd. Euro schätzen und zu deren Buchwert der Konzern keine Angaben macht, wird der neu abgespaltene Industriegüterkonzern “Thyssenkrupp Industrials” auch die Geschäfte mit Automobilkomponenten und Kernanlagen umfassen, während im Schwesterkonzern “Thyssenkrupp Materials” der Werkstoffhandel samt Schmiede- und Wälzlagergeschäft sowie die 50-Prozent-Beteiligung am Stahl-Joint-Venture Thyssenkrupp Tata Steel und der Kriegsschiffbau versammelt werden. Industrials wird laut Investorenpräsentation 1,2 Mrd. Euro vom operativen Gewinn erhalten, Materials nur 550 Mill. Euro.Der Strategieplan sei ein verheißungsvolles Konzept, das den Wert für die Aktionäre steigern sollte, schreibt Ingo-Martin Schachel von der Commerzbank, der wie auch andere Analysten hofft, dass der Kapitalmarkt dem Industriegütergeschäft aufgrund der Abspaltung vom volatilen Stahlgeschäft ein höheres Vielfaches des Jahresgewinns als Bewertung zugestehen wird.Der Haupteigentümer des Konzerns, die Krupp-Stiftung mit 18 % der Anteile, stützt die Aufspaltungspläne: “Ich begrüße den Vorschlag des Vorstandes zu einer strategischen Neuausrichtung. Er hat die volle Unterstützung des Aufsichtsrates. Dieser Vorschlag besitzt eine überzeugende industrielle Logik”, sagte Stiftungschefin Ursula Gather, der lange Zeit ihr Schweigen vorgeworfen wurde. Auch der zweitgrößte Aktionär, der schwedische Finanzinvestor Cevian mit 18 % der Anteile, begrüßte die von ihm selbst maßgeblich beeinflusste Neuausrichtung. “Dies wird die Komplexität reduzieren und den Geschäften ermöglichen, durch mehr unternehmerische Freiheit und Flexibilität ihr volles Potenzial auszuschöpfen”, sagte Cevian-Mitinhaber Lars Förberg. Verzicht auf KündigungenSelbst Vizeaufsichtsratschef Markus Grolms von der IG Metall zeigte sich zufrieden: Er hat mit dem ehemaligen IG-Metall-NRW-Chef und heutigen Personalvorstand Oliver Burkhard eine Grundlagenvereinbarung über den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen ausgehandelt. Auch von der Politik wird der Schritt abgesegnet: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bewertet den Umbau als “gutes Konzept”. Die endgültige Entscheidung trifft die Hauptversammlung voraussichtlich erst 2020.Nach den Plänen Kerkhoffs sollen beide neuen Unternehmen ihren Sitz weiter in Essen haben und separat an der Börse notieren. “Das ist kein Notfallplan”, verteidigte Kerkhoff die Aufspaltung, die der größte Umbau des Unternehmens seit der Fusion von Thyssen und Krupp vor 20 Jahren ist. Einen zusätzlichen Personalabbau über die bekannten Kürzungen hinaus soll es nicht geben. Als der 50 Jahre alte Ex-Telekom-Europachef, der seit 2011 Thyssenkrupp-Finanzchef war, im Juli vom Aufsichtsrat den Posten des überraschend zurückgetretenen Vorstandschefs Heinrich Hiesinger übertragen bekommen hatte, war Kerkhoff noch als Übergangslösung gehandelt worden – und hat sich nun überraschend mit seinen Vorstellungen durchgesetzt. Kerkhoff kennt das Unternehmen in- und auswendig und war in den vergangenen Wochen auf Investoren wie den US-Hedgefonds Elliott und den schwedischen Finanzinvestor Cevian zugegangen, die mehr Rendite sehen wollen. Der studierte Betriebswirt galt zu Hiesingers Zeit stets als enger Mitarbeiter seines Chefs und als Architekt der Stahlfusion mit dem indischen Tata-Konzern, für die noch das grüne Licht der Kartellbehörden fehlt, das für Oktober erwartet wird.”Kerkhoff hat gezeigt, dass er veränderungsbereit und seiner alten Linie nicht treu geblieben ist”, sagte der Fondsmanager von Union Investment, Ingo Speich. Das sei ein Schritt in die richtige Richtung. “Auf der anderen Seite hat er natürlich ein Glaubwürdigkeitsproblem, da er jahrelang eine Aufspaltung abgelehnt hat. Wenn er sich in wenigen Wochen dreht, stellt sich die Frage, wofür er wirklich steht.”—– Leitartikel Seite 8- Personen Seite 16