Vertrauen als Geschäftsmodell? – Unbedingt!
„Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern“ heißt es bekanntermaßen. Seine doppelte Berechtigung erfährt dieses Sprichwort in Zeiten der Digitalisierung, in denen es wohl nicht wenige gibt, die eine Zeitung – gleich welchen Datums – grundsätzlich für veraltet halten. Ich teile diese Einschätzung nicht. Im Gegenteil: Aus meiner Sicht sind gerade heutzutage Zeitungen ein wichtiger Bestandteil, sogar ein zentrales Standbein unserer Gesellschaft. Das sage ich nicht, weil dieser Gastbeitrag in einer Zeitung erscheint. Und auch nicht, weil ich persönlich Neuigkeiten und Hintergründe lieber der analogen Zeitungslektüre entnehme als dem Newsticker auf dem Smartphone, sofern die Rahmenbedingungen dies zulassen. Zu meiner These führen mich vor allem zwei Punkte: das Thema „Vertrauen“ und das Thema „Mensch“.
Immer mehr digital
Die Digitalisierung demokratisiert Bildung und Wissen. Wer früher noch Zugang zu Büchern benötigte, um zu lernen, der kann nun nach Lust und Laune und quasi unbegrenzt im Internet recherchieren und sich neue Bildung aneignen. Neuigkeiten oder auch „Klatsch und Tratsch“ hingegen waren noch nie in Büchern zu finden, sondern wurden per Mund-zu-Mund-Propaganda verbreitet. Daran hat sich nichts geändert – abgesehen von der Tatsache, dass Mund-zu-Mund-Propaganda zunehmend nicht mehr nur auf persönlichen Kontakten beruht, sondern immer mehr im Internet Verbreitung findet. Der Marktplatz oder die Stammkneipe sind längst digital – jenseits der Stadtmauern, ohne Markttage und ohne die Glocke für die letzte Runde im Pub.
Wir wissen alle, dass diese eigentlich positive Entwicklung auch negative Aspekte hat: Stichwort „Fake News“. Wohin es führt, wenn absurde Theorien blitzschnell und ortsunabhängig als vermeintliche Wahrheiten auf fruchtbaren Boden fallen, konnten wir vor einem Jahr beim Sturm auf das US-amerikanische Kapitol beobachten. Und wir können es in diesen Tagen vor unserer Haustür sehen, wenn Impfgegner symbolträchtig und zum Teil gewalttätig zum Kampf gegen eine angebliche Diktatur aufrufen.
Bewegte Zeiten
Wir leben in bewegten Zeiten. Für Menschen, die sich unabhängig eine Meinung bilden möchten, ist die Gemengelage manchmal unübersichtlich. Wem kann ich noch ver-trauen? Journalismus hat die wichtige Aufgabe, möglichst unabhängig von politischen Verhältnissen und auch von wirtschaftlichen Zwängen Klarheit zu schaffen, Fakten zu strukturieren, vermeintliche Wahrheiten zu hinterfragen und Orientierung zu bieten. Vertrauen als Geschäftsmodell? Unbedingt! Die Börsen-Zeitung ist ein solcher Leuchtturm im Nebel der Halbwahrheiten und Falschmeldungen. Wenn’s um Finanzmärkte geht, steht außer Frage, dass die Journalistinnen und Journalisten des Blatts stets bestens informiert sind und die Leserschaft neutral und sachkundig auf dem Laufenden halten. Die Börsen-Zeitung bietet seit 70 Jahren Orientierung am Finanzplatz. So funktioniert Vertrauen als Geschäftsmodell!
Dabei – und das ist mir sehr wichtig – funktioniert Vertrauen auch digital. Ich halte ausdrücklich nichts davon, sich am vermeintlichen Gegensatzpaar „analog versus digital“ abzuarbeiten. Nicht der Kanal zählt, sondern die Haltung, die dahintersteht. Das ist zumindest ein Motto der Frankfurter Sparkasse. In diesem Jahr feiern wir unser 200-jäh-riges Jubiläum. Wir sind regionaler Marktführer im Privatkundengeschäft und die führende Kernbank für Firmenkunden am Finanzplatz. Auf unsere Tradition und auf unsere Position in Frankfurt sind wir sehr stolz. Sie zeigt, dass auch wir unseren Kundinnen und Kunden Orientierung bieten. Auf Vertrauen basiert auch unser Geschäftsmodell!
Gleichwohl wollen wir uns nicht auf dieser Position ausruhen. Sie ist im Gegenteil ein Ansporn, uns weiterzuentwickeln. Daher modifizieren wir unsere Strukturen und passen insbesondere den Vertrieb noch stärker an die Wünsche und Bedürfnisse unserer Kundschaft an. Wie erwähnt, spielt sich das Leben vieler Menschen – auch pandemiebedingt – zunehmend digital ab. Wer im Internet einkauft, recherchiert, diskutiert, Filme anschaut, Museen besucht oder neue Freundschaften schließt, wird eher selten eine echte Filiale im Stadtteil besuchen, um über seine finanziellen Anliegen zu sprechen.
Persönliche Ansprache
Für diese wachsende Zielgruppe sowohl im Privatkunden- als auch im Firmenkundenbereich haben wir digitale Einheiten geschaffen, die in diesen Tagen in den Live-Betrieb gehen. Sie vermuten, dabei handele es sich um anonyme Callcenter, die weitgehend aus Chatbots bestehen, in die Peripherie outgesourct wurden, allenfalls Anrufe entgegennehmen und insofern nicht gerade eine Innovation darstellen? Weit gefehlt.
Unsere digitalen Einheiten funktionieren wie echte Filialen und Beratungscenter: Jede Kundin, jeder Kunde hat eine persönliche Ansprechperson. Die digitalen Beraterinnen und Berater sind ebenso qualifiziert wie unsere Mitarbeitenden vor Ort, die es selbstverständlich auch weiterhin geben wird. Damit sind wir das einzige Kreditinstitut in Frankfurt, welches gleichzeitig das dichteste Filialnetz und persönliche, digitale Beratung bietet. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit dieser Kombination aus stationärer und virtueller Präsenz unsere starke Position am Finanzplatz nicht nur verteidigen, sondern sogar neue Kundinnen und Kunden überzeugen werden.
Denn ein weiteres wesentliches Merkmal unseres Geschäftsmodells – und damit komme ich zum zweiten Punkt meines Beitrags – ist im besten Sinne der „Faktor Mensch“. Echtes Vertrauen entsteht nur zwischen Menschen. Das kann negativ sein, wenn, wie in den vorhin genannten Beispielen, Demagogen das Vertrauen der Menschen für ihre persönlichen Zwecke nutzen. Es ist jedoch positiv, wenn Menschen sich respektieren, einander zuhören und gemeinsam die richtigen Entscheidungen treffen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle Menschen von vertrauensvollen Beziehungen profitieren. Das gilt in besonderem Maße für Finanzdienstleistungen, die für den Einzelnen nicht nur sehr komplex sein können, sondern auch sehr sensibel sind. Solche Themen bespricht man nicht mit einem Roboter, sondern mit einem Menschen. Ob dies dann physisch, telefonisch oder per Videokonferenz erfolgt, ist zunächst zweitrangig.
„Banking is people business.“ Allen digitalen Plattformen, elektronischen Handelssystemen und aller künstlichen Intelligenz zum Trotz sind es vielfach die Menschen, die unseren Finanzplatz gestalten und prägen. Gerüchte beeinflussen Aktienkurse, und zumindest vor Corona stand neben dem fachlichen Austausch unter Kollegen und Konkurrenten bei manchen Veranstaltungen das „Sehen und Gesehenwerden“ im Vordergrund.
Kluge Kommentare
Die Börsen-Zeitung ist als zentrales Medium des Finanzplatzes ein ganz wesentlicher Bestandteil desselben: Ihre Journalistinnen und Journalisten genießen das Vertrauen der Akteure, sind gut vernetzt und wissen stets mehr, als man denkt. Sie menscheln, und das ist aus meiner Sicht ihr Erfolgsgeheimnis. Neben der nüchternen Berichterstattung und fachlichen Analyse – Stichwort: Orientierung bieten – kommen wir so immer wieder in den Genuss herrlich kluger und bissiger Kommentare, für die ich persönlich das Blatt ganz besonders schätze. Diese Kombination macht aus meiner Sicht den besonderen Charakter der Börsen-Zeitung aus.
Alleinstellungsmerkmal
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Ein Jubiläum bringt besondere Verantwortung mit sich, ob es sich nun um 200 oder 70 Jahre handelt. Wer neigt nicht manchmal dazu, angesichts dynamischer, herausfordernder Rahmenbedingungen die Vergangenheit zu verklären? Das ist eine menschliche Reaktion auf das Gefühl von Unsicherheit – die durch ein Jubiläum mit all seinen Rückblicken, Jubiläumsschriften und Schwarz-Weiß-Fotos potenziert wird. Die Herausforderung in einer solchen Situation besteht darin, nach dem Blick zurück wieder in die Zukunft zu denken.
Bei der Frankfurter Sparkasse sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass unsere drei zentralen Assets – die regionale Verwurzelung, aber eben auch die vertrauensvolle Bindung zu unseren Kundinnen und Kunden und der Faktor Mensch, die persönliche Beratung – absolut zeitgemäß und in dieser Form am Finanzplatz ein Alleinstellungsmerkmal sind. Das Format unseres Geschäftsmodells passen wir an, dessen Kern bleibt jedoch gleich.
Zwei starke Erfolgsfaktoren: „Vertrauen“ und „Mensch“: Ich wünsche der Börsen-Zeitung, dass sie unseren Finanzplatz weiterhin kritisch begleiten, hinterfragen und prägen wird und dabei diesen beiden charakteristischen Aspekten treu bleibt.