Was zwei alte Weggefährten verbindet
Was haben eine Tageszeitung mit Schwerpunkt Wirtschaft und Börse und eine Fondsgesellschaft gemeinsam? Auf den ersten Blick wenig, möchte man meinen. Andere Branche, andere Eigentümerstrukturen, anderes Geschäftsmodell. Aber auch andere Kunden und andere Themen? Bei genauerem Hinschauen gibt es doch einige Ähnlichkeiten, die man erst auf den zweiten Blick erkennt.
Beginnen wir mit der ersten und offensichtlichen, dem Alter. Die ehrwürdige Börsen-Zeitung feiert ihren siebzigsten Geburtstag, Union Investment ist ganze vier Jahre jünger. Das Leben fängt allerdings nicht erst mit 66 Jahren an, wie einst Udo Jürgens sang, denn in dem Alter blickt man einerseits bereits auf eine bewegte Geschichte mit vielen Erinnerungen zurück, und andererseits steht man noch voll im Saft und ist gewillt, den vielen Änderungen, die man im bisherigen Leben durchlaufen hat, weitere hinzuzufügen.
Wie alles begann
Aber der Reihe nach: Als die Börsen-Zeitung und Union Investment 1952 beziehungsweise 1956 gegründet wurden, hatte die junge Bundesrepublik gerade die größten Trümmer der Naziherrschaft beseitigt, und es begann die Blütezeit des Wirtschaftswunders und der Sozialen Marktwirtschaft, die entscheidend durch Ludwig Erhard geprägt wurde. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren dieser Epoche war neben dem technischen Know-how, das den Krieg überdauert hatte, die Bildung und Akkumulation von Kapital.
Während die Börsen-Zeitung für die Wirtschaftselite schrieb – ein Monatsabonnement kostete damals 40 DM und damit rund 20% des Durchschnittsverdienstes eines Arbeitnehmers –, begann Union Investment 1956 mit der Auflage ihres ersten Aktienfonds, des UniFonds, um die Kapitalmärkte breiteren Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen. Ein wichtiger Meilenstein war dabei die erstmalige Einführung von Fondssparplänen, die man bereits für 50 DM starten konnte. Damit hat Union Investment früh zur Demokratisierung der Kapitalanlage beigetragen.
Doch die Zeiten blieben nicht immer rosig. Die erste Wirtschaftskrise fand zu Beginn der 1970er Jahre mit den beiden Ölkrisen statt. Erstmals begegnete man dem Gespenst der Stagflation. Die Angst vor niedrigem Wirtschaftswachstum bei hoher Inflation flammt auch aktuell immer wieder an den Märkten auf. Wir sind jedoch optimistisch, dass die relativ hohe Inflationsrate sinken wird, sobald einige Basiseffekte auslaufen und das Wirtschaftswachstum sich verstetigen wird, sobald wir aus der Pandemie in eine endemische Lage kommen werden.
Abgesehen von dem Börsencrash im Jahr 1987, der nach spätestens zwei Jahren wieder ausgestanden war, folgte die nächste große Krise an den Kapitalmärkten erst wieder mit dem Platzen der TMT-Blase (Technologie, Medien, Telekommunikation) im Salami-Crash Ende 2000 bis Anfang 2003. Dies hatte nicht nur Auswirkungen auf die Ertragslage der Assetmanagement-Branche, die unter anderem als Folge ihr Anzeigenvolumen deutlich zurückfuhr. Es setzte die erste große Medienkrise ein, dem auch einige Wirtschaftsmagazine zum Opfer fielen. Sehr viel größere Auswirkungen hatte die sich 2007 anbahnende und 2008 voll zum Ausbruch kommende Subprime-Krise auf die Märkte. Denn aus einer Bankenkrise drohte ein globaler Flächenbrand zu werden. Erst in einem gemeinsamen Kraftakt von Notenbanken und Staaten konnte das Schlimmste verhindert werden. Danach war die Welt nicht mehr dieselbe.
Gegenseitige Unterstützung
Die Staatsverschuldung war deutlich gestiegen, und der Zins befand sich auf einem verstärkten Sinkflug und landete bald in fast allen großen Volkswirtschaften bei fast null. Der Aufkauf von Staatsanleihen durch die Notenbanken führte erstmals zu negativen Renditen bei soliden Staatsanleihen, die nun als sichere Häfen galten. Union Investment überstand nach einem kurzen Einbruch im Herbst 2008 diese schwierige Phase und kam bereits im Frühjahr 2009 gestärkt zurück auf den Wachstumspfad. Währenddessen verschärfte sich die Medienkrise. Prominentestes Opfer war die „Financial Times Deutschland“, die 2012 vom Markt genommen wurde. Die Börsen-Zeitung hingegen hat diese kritische Phase gut überstanden. In der starken WM Gruppe unterstützt man sich bei Bedarf gegenseitig, ähnlich wie es in der genossenschaftlichen Finanzgruppe der Fall ist.
Die zweite Ähnlichkeit besitzen beide Unternehmen bei ihren Kunden. Die Leser der Börsen-Zeitung möchten sich tiefer gehend über das tagesaktuelle Geschehen in der Wirtschaft und an den Kapitalmärkten informieren. Es sind oft dieselben Menschen, die entweder als Kunden bei Union Investment Gelder anlegen, wie Treasurer von großen Versorgungswerken oder Banker der Genossenschaftsbanken, die ihre Eigenmittel oder das Geld ihrer Kunden von Union Investment verwalten lassen. Dabei haben beide Häuser im Umgang mit ihren Kunden verschiedene Phasen durchlaufen.
Hatte Union Investment in den 1950er Jahren mit Aktien- und offenen Immobilienfonds begonnen und die Produktpalette in den späten 1960er Jahren um die ersten Rentenfonds erweitert, so war spätestens zur Jahrtausendwende der Ausbau zum Vollsortimenter abgeschlossen. Bis 2004 hatten sich verschiedene Anlageformate wie Publikumsfonds, Spezialfonds sowie Depotlösungen und ein Angebot an Drittfonds durch die attrax ausgebildet. Ab 2006 wechselte der Fokus von Produkten immer mehr auf Anlagelösungen für die Kunden. Diese Orientierung steht bis heute im Mittelpunkt der Geschäftspolitik von Union Investment und hat durch eine moderne Form der Fondsvermögensverwaltung in Kooperation mit den Genossenschaftsbanken eine aktuelle Fortentwicklung erfahren.
Behutsame Anpassungen
Auch die Börsen-Zeitung hält es mehr mit einem behutsamen Kurs der Evolution als der revolutionären Umbrüche. Lange Zeit ist sie ihrem äußeren Erscheinungsbild treu geblieben. Es gab nur sehr behutsame Anpassungen des Druckbilds, und erst vor 15 Jahren erfolgte die durchgehende Umstellung auf farbige Grafiken. Personenfotos werden in Farbe erst seit einigen Jahren genutzt.
Inzwischen ist eine neue Generation herangewachsen, sowohl der Leser als auch der Kapitalanleger. Das Sparverhalten der jungen Generation hat sich verändert. Sie, die als erste Generation ohne das achte Weltwunder, den Zinseszins, aufgewachsen ist, nimmt zunehmend Abstand von der Risikoaversion früherer Generationen in Deutschland, die sich nie durch eine breite Börsenaffinität hervorgetan haben. Hier findet gerade eine Evolution des Sparens statt, was sich sehr gut an dem rasanten Anstieg der Fondssparpläne in den vergangenen Jahren ablesen lässt. Es dauerte 60 Jahre, bis unser Haus die erste Million Fondssparpläne verwalten konnte, jedoch nur weitere drei Jahre bis 2018, bis sich diese Zahl verdoppelte. Heute verwalten wir bereits rund 3,5 Millionen.
Diese Veränderung im Anlegerverhalten der jungen Generation wurde auch kürzlich bei einer Untersuchung von Prof. Stolper von der Philipps-Universität in Marburg belegt, die Union Investment beauftragt hatte. So legen von den 18- bis 29-Jährigen 90% und davon fast zwei Drittel regelmäßig Geld zur Seite. Und immerhin befinden sich die Investmentfonds auf Platz 2 der beliebtesten Anlageformen in dieser Alterskohorte.
Diese jungen Erwachsenen räumen dem Thema Geld und Finanzen einen sehr großen Stellenwert ein. Denn 90% von ihnen betrachten das Thema als sehr wichtig oder wichtig, um gut auf das Leben vorbereitet zu sein. Damit liegt es nur hauchdünn hinter dem Thema Gesundheit und Ernährung (91%) und mit einem gewissen Abstand vor Schwerpunkten wie Technik und IT (81%) und aktiv Sport treiben (77%).
Aber nicht nur das Spar-, auch das Leseverhalten hat sich verändert. Junge Leser von heute fragen verstärkt mobile Medienangebote nach. In dem Bereich hat die Börsen-Zeitung durchaus noch Aufholpotenzial. Der Online-Auftritt kommt – ganz dem Stil der Börsen-Zeitung entsprechend – seriös, sachlich, aber auch entsprechend nüchtern rüber. Man sollte aber darüber nicht vergessen, dass der Hauptzielgruppe in den Chefetagen der Unternehmen noch mehrheitlich eine ältere Generation angehört, die gerne ihre Zeitung noch haptisch erfassen will.
Spagat wird gelingen
Die Börsen-Zeitung wird also den Spagat meistern müssen zwischen verstärkten Investitionen im mobilen Auftritt, ohne die Druckausgabe zu vernachlässigen. Ich bin mir sicher, dass dies der Börsen-Zeitung gelingen wird. Und so wünsche ich ihr, dass sie bei allen anstehenden Veränderungen sich selbst immer treu bleiben möge. Und dies bedeutet seriöser und sachlich fundierter, kenntnisreicher Journalismus ohne ideologischen Ballast, der oft keine Unterschiede mehr zwischen Berichterstattung und Kommentar zu kennen scheint. Denn die Börsen-Zeitung kennt und versteht die Spielregeln, aber auch die Bedürfnisse und manchmal Nöte der Finanzdienstleistungsbranche wie kaum ein anderes Medium hierzulande. Und so kann ich ihr nur zurufen: Auf die nächsten mindestens 70 Jahre!