Abbau von NPL stehen viele Hürden im Weg

Untaugliche Vorlagen, schlechte Datenqualität, unkoordinierte Verkaufswellen - Sekundärmarktbetreiber Debitos öffnet Aktionariat

Abbau von NPL stehen viele Hürden im Weg

Der Abbau fauler Kredite in den Bilanzen der Banken, aus deutscher Sicht Voraussetzung für eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung, läuft schleppend. Ein liquider Sekundärmarkt hat sich noch nicht etabliert. Die Frankfurter NPL-Forderungsbörse Debitos setzt auf den Effekt neuer EZB-Vorgaben.Von Bernd Neubacher, FrankfurtBeim Versuch der europäischen Bankenaufseher und -regulierer, den Berg an notleidenden Krediten in Euroland abzubauen, steckt der Teufel im Detail. Dies zeigt sich zum Beispiel an den Datenvorlagen, welche die European Banking Authority (EBA) im Dezember vergangenen Jahres publiziert hat. Die Templates sollten endlich “einen EU-einheitlichen Datensatz für die Sichtung, die finanzielle Due Diligence und Bewertung von Non-Performing Loans (NPL)” bilden, wie Londoner Behörde damals mitteilte. Ihre Verwendung dürfte die Anlegerbasis verbreitern, Eintrittshürden für potenzielle Investoren verringern, die Datenqualität verbessern und die Entwicklung eines NPL-Sekundärmarktes fördern, hieß es seinerzeit. “Die nutzt in der Regel keiner”Seither hat man von der Initiative nicht mehr viel gehört. Tatsächlich lässt der Markt die Templates links liegen wie Timur Peters, Chief Executive Officer und Gründer von Debitos, einer Online-Sekundärmarkt-Plattform für den Verkauf notleidender Forderungen, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung festhält. Peters: “Die nutzt in der Regel keiner, da sie für NPLs zu umfangreich sind”, sagt er über die Vorlagen des Regulators, deren Umfang dem eines aufsichtlichen Meldeblatts ähnelt und rund 180 Datenfelder pro Kredit vorsieht. “Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens. Eigentlich müsste man das auf 20 bis 25 % der Felder einstampfen. Denn den Banken liegen viele der abgefragten Daten gar nicht vor. Das wissen die Investoren, deshalb gibt es ja Abschläge.”Das Problem der faulen Kredite in Euroland gilt als ein Haupthindernis auf dem Weg zum Aufbau einer vergemeinschafteten Einlagensicherung Edis. Europas Bankenaufsicht fordert Edis, um die Bankenunion nach Einrichtung einer einheitlichen Aufsicht und eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus zu vollenden. Die Länder Nordeuropas dringen dagegen darauf, durch einen Abbau der NPL in den Bankbilanzen zuvor die Risiken im System deutlich zu reduzieren. Obwohl sich Europas Bankenaufsicht schon seit längerem um einen Abbau der NPL bemüht, wird deren Volumen in Europa noch immer auf rund 1 Bill. Euro geschätzt. Peters weist darauf hin, dass in dieser Zahl nur die Bestände der Banken erfasst seien. Leasing-Gesellschaften dazugezählt, dürften 300 Mrd. Euro dazukommen.Mit seinem Geschäftsmodell dürfte Debitos den Vorstellungen der Europäischen Zentralbank (EZB), die schon vor längerer Zeit eine Handelsplattform für notleidende Verbindlichkeiten forderte, um des Problems Herr zu werden, sehr entgegenkommen. Derzeit öffnet die Gesellschaft ihre Aktionärsstruktur und sucht neue Anteilseigner, wie Peters erklärt: “Das ist mein Job in diesem Jahr: Ich reise durch die Lande und schaue, wer als Aktionär in Frage kommt.” Dabei dürfte er eher im Ausland als bundesweit unterwegs sein, entsprechend der Verteilung notleidender Kredite in Europa. Nach potenziellen Ansprechpartnern gefragt, erwähnt er Bad Banks wie die österreichische Heta, die spanische Sareb, aber auch Großbanken wie Santander oder Intesa Sanpaolo. Ziel sei eine ausgeglichene Aktionärsstruktur, die Plattform solle allen Marktteilnehmern Vorteile bringen, sagt er. Zur Frage der Bewertung des Frankfurter Fintechs, das derzeit die Berliner Venture-Capital-Gesellschaften Paua Ventures und RI Digital Ventures sowie Otto Capital zu seinen Aktionären und zu seinen Beratern den Frankfurter Bankbetriebsprofessor Mark Wahrenburg sowie Ex-HRE-Chef Axel Wieandt zählt, äußert sich Peters nicht. Seit anderthalb Jahren arbeitet die 15 Mitarbeiter beschäftigende Gesellschaft profitabel; 2017 verdoppelte sich der Umsatz auf 1,2 Mill. Euro.Seitdem die Gesellschaft 2013 ihren Betrieb aufnahm, hat Debitos 4 Mrd. Euro an NPL-Volumen umgeschlagen. Im Vergleich zum europaweiten NPL-Volumen wirkt dieser Betrag doch noch recht übersichtlich. Derzeit seien 260 Transaktionen anhängig, die nächste Milliarde dürfte bald erreicht werden, heißt es bei Debitos. Geholfen habe die Internationalisierung des Geschäfts Anfang 2017, nachdem in den ersten drei Jahren bundesweit Verkäufe über 1,5 Mrd. Euro zustande gekommen seien. In Italien etwa, wo das Volumen an NPL besonders hoch ist (siehe Grafik) und die EZB stark auf dessen Abbau dringt, kooperiert die Gesellschaft, die zumindest europaweit in ihrer Nische keine Konkurrenz ortet, seit dem dritten Quartal vergangenen Jahres mit den Prüfern von EY, die dort auf den von den Frankfurtern angebotenen Online-Handelsplatz zurückgreifen. Die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften organisierten NPL-Verkäufe ab einem Volumen von 200 Mill. Euro, sagt Peters. Debitos beginne schon bei 500 000 Euro, im Mittel hätten die Transaktionen einen Umfang von 5 Mill. Euro.Mit spezialisierten NPL-Managern wie DoBank oder Intesa, die ihrerseits Banken die Organisation von NPL-Verkäufen anbieten, sei gerade in Italien die Infrastruktur sehr gut, berichtet Peter Riedel, bei Debitos Head of Illiquid Products. “Was fehlt, ist die Historie.” Dies zeige sich etwa darin, dass Käufer “sehr aggressive” Preise zahlten. Hinzu komme, dass die Verwertungszeit im Falle von Immobilien nach wie vor sechs bis acht Jahre betrage. Andere Länder, andere Probleme. In Griechenland dauerten Zwangsversteigerungen sogar doppelt so lang wie in Italien, berichtet Riedel. Auch lasse die Qualität der Daten zu wünschen übrig, weil sich die meisten Darlehensnehmer nicht sehr kooperativ verhielten und etwa den Zugang zu Objekten verweigerten. Riedel: “Oft wird dann ein Haus verkauft, von dem der Käufer nur ein von außen aufgenommenes Foto zu sehen bekommt.” Während sich für besicherte Portfolios in Hellas 30 bis 35 % des Nominalwerts erzielen ließen, vor allem wenn es um Sicherheiten aus dem Freizeit- oder Touristiksektor gehe, liege die Spanne bei unbesicherten Forderungen zwischen 0,5 % und 10 %.Derzeit offerieren griechische Banken Debitos zufolge Schuldnern im Falle von Kreditkarten- oder Verbraucherkreditforderungen sowie von unbesicherten Krediten an Kleinunternehmen je nach Alter der Verbindlichkeiten einen Verzicht auf bis zu 70 bis 90 %, falls die Debitoren innerhalb gewisser Fristen zahlen. Damit würden sie noch immer besser fahren, als wenn sie bei einem Verkauf unbesicherter Forderungen 5 % erhielten, heißt es. Verkauft für 3 ProzentSo hatte die Eurobank schon im Oktober ein 1,5 Mrd. Euro schweres Portfolio für 3 % des Nominalwertes oder 45 Mill. Euro abgestoßen. Inzwischen sind sechs griechische Portfolien mit einem Nominalwert von 9 Mrd. Euro auf dem Markt. Dies sei “kein gutes Zeichen”, meint Riedel. Denn Verkäufe mit diesem Volumen in einem Markt, der vielleicht 30 Investoren zähle, die Portfolios dieser Größe kaufen könnten, “sollten koordiniert sein”. In Kroatien und Zentral- sowie Osteuropa wiederum zeigten sich die Märkte sehr aktiv, aber auch überaus fragmentiert. In der Ukraine drohten Banken überdies Compliance-Probleme, da die Herkunft der von Investoren eingesetzten Mittel vielfach unklar sei, weiß er zu berichten. Grundsätzlich bleibe das Problem, dass Banken zu selten NPL veräußerten. Wenn es ihnen gut gehe, verspürten sie keinen Druck; und wenn es ihnen schlecht gehe, wollten sie erst recht nicht verkaufen, da sie befürchteten, damit einhergehende Abschreibungen nicht verkraften zu können. Mehr Liquidität in dem noch stotternden NPL-Sekundärmarkt könnte mit der jüngsten Initiative der EU kommen, die unter anderem vorsieht, dass sich Banken und Kreditnehmer bereits im Vorfeld auf einen beschleunigten Mechanismus einigen können, damit Sicherheiten bei Ausfall unverzüglich eingezogen werden können.Peters äußert darüber hinaus die Hoffnung, dass die neuen Leitlinien der EZB zum Umgang mit neuen NPL deren Abbau beschleunigen werden. Die Aufseher schreiben darin vor, dass unter direkter Aufsicht der Notenbank stehende Großbanken künftig nicht besicherte Kredite, die faul werden, innerhalb von zwei Jahren und besicherte Ausreichungen binnen sieben Jahren durch Risikovorsorge vollständig abdecken.Für unbesicherte NPL-Portfolien erzielten Banken bei einem Verkauf nach zwei Jahren noch oft 10 bis 15 %, erklärt Peters. Sollten sie ihren Wert künftig zu diesem Zeitpunkt schon auf null reduziert haben, winkten ihnen mit Veräußerungen entsprechende Wertaufholungen. Peters: “Dies wird automatisch zu mehr Verkäufen und einer aktiveren Portfoliosteuerung führen.”