DIE FONDSBRANCHE ZIEHT BILANZ

Absatzmaschine der Fondsbranche gerät ins Stottern

Geschäft mit Publikumsfonds bricht nach Ausnahmejahr auf 6,5 Mrd. Euro ein - Vertrieb von Spezialfonds läuft aber wie geschmiert

Absatzmaschine der Fondsbranche gerät ins Stottern

jsc Frankfurt – Die deutsche Fondsbranche hat nach dem Rekordjahr 2015 im zurückliegenden Turnus ein gemischtes Vertriebsergebnis erzielt. Während Spezialfonds mit netto 96,3 Mrd. Euro das zweitbeste Absatzjahr in Deutschland erzielten, erreichte das Neugeschäft von Publikumfonds mit 6,5 Mrd. Euro weniger als einen Zehntel des Vorjahreswertes. Der Verband verwies auf schwache Börsen zu Jahresbeginn, die Brexit-Entscheidung, einen knappen US-Wahlsieg und das italienische Referendum zur Verfassungsreform. “Vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis der Branche mehr als respektabel”, erklärte Tobias Pross, Präsident des deutschen Fondsverbands BVI, anlässlich der Vorlage der Branchenzahlen. Das Vertriebsergebnis von Publikumsfonds falle nach dem starken Vorjahr mit einem Nettozufluss von damals 72,0 Mrd. Euro nun vergleichsweise bescheiden aus, wie Hauptgeschäftsführer Thomas Richter auf der Jahrespressekonferenz am Dienstag sagte.Bereits vor einem Jahr hatte der Verband nach einem Kurssturz an den Börsen die Erwartungen für 2016 etwas gedämpft. Der Jahresauftakt fällt im Publikumssegment erfahrungsgemäß etwas stärker aus, so dass die Marktturbulenzen zu Beginn des vergangenen Jahres offenbar ins Gewicht fielen. Auch in anderen ausländischen Märkten sei der Fondsabsatz deutlich zurückgegangen, betonte Pross. In Europa erzielte die gesamte Fondsbranche mit als OGAW-Produkten regulierten Publikumsfonds bis Ende November einen Absatz von 254 Mrd. Euro, nachdem im gesamten Jahr zuvor 573 Mrd. Euro zusammenkamen. Der Rückgang sei ein “Trend durch die Länder hinweg”, sagte Pross. In den USA verzeichnet die Branche mit Publikumsfonds einen Rückgang von 206 Mrd. auf 165 Mrd. Dollar. Unter der NulllinieDie Schwäche im Publikumsfondsgeschäft zeigte sich in verschiedenen Kategorien: So erzielten Geldmarktfonds mit netto minus 1,2 Mrd. Euro und auch etliche geldmarktähnliche Rentenfonds auf Jahressicht einen negativen Absatz. Darüber hinaus verbuchten börsengehandelte Fonds (ETF) im Aktiensegment einen Abfluss von netto 3,0 Mrd. Euro. Geldmarktprodukte und ETF werden häufig von institutionellen Investoren genutzt, die hier in hoher Frequenz Mittel neu anlegen oder auch abziehen und damit für ein volatiles Neugeschäft sorgen. Der erfasste Absatz im ETF-Segment umfasst allerdings nicht den Börsenhandel, so dass eine Zuordnung zum deutschen Markt nur eingeschränkt möglich ist. Im Renten-Segment flossen Unternehmensanleihefonds netto 3,1 Mrd. Euro zu, während Euro-Anleihefonds einen Absatz von minus 3,3 Mrd. Euro ausweisen.Ein Rückgang im Neugeschäft zeigt sich aber auch bei den privaten Sparern. Mischfonds, die hier besonders oft zum Einsatz kommen, stachen im zurückliegenden Jahr zwar mit 11,6 Mrd. Euro hervor, allerdings hatte die Branche im Ausnahmejahr 2015 noch netto 38,8 Mrd. Euro in dieser Kategorie erzielt. Der Absatz von Mischfonds verlief über anderthalb Jahre rückläufig, nachdem Anfang 2015 noch Spitzenwerte erzielt worden waren. Im Sommer 2016 fiel der Absatz dann zwischenzeitig unter die Nulllinie, zum Jahresende hin stabilisierte sich das Neugeschäft allerdings wieder und erreichte annähernd 1,1 Mrd. Euro im Dezember. Auch aktiv verwaltete Aktienfonds erzielten mit 1,2 Mrd. Euro im Gesamtjahr einen positiven Wert.Eine besonders hohe Nachfrage erlebte die Branche allerdings im Geschäft mit offenen Publikums-Immobilienfonds, die mit 4,2 Mrd. Euro nach zuvor 3,3 Mrd. Euro das Ergebnis ausgeweitet haben. Das Neugeschäft wäre noch höher gewesen, hätten die beiden Marktführer Union Investment und DekaBank das Neugeschäft nicht spürbar eingeschränkt. Da Fonds in Abwicklung insgesamt 2,7 Mrd. Euro auskehrten, liegt das Neugeschäft der noch im Vertrieb aktiven Produkte bei 6,9 Mrd. Euro.Der BVI erneuerte gestern die Forderung, Finanzwissen stärker in den Schulen zu verankern, etwa als eigenes Schulfach. Um Fehler in der Geldanlage zu vermeiden, komme es aber auch darauf an, Sparer über den Vertrieb zu erreichen, sagte Pross. Eine vernünftige Streuung der Geldanlage sei entscheidend, nicht allein eine Einzelfondsbetrachtung, also zum Beispiel, ob das Produkt aktiv oder passiv verwaltet sei. Investoren schichten umIm Geschäft mit Spezialfonds, die für institutionelle Investoren maßgeschneidert werden, erzielt der Verband ebenfalls weiter hohe Werte. Waren bisher vor allem Versicherer eine wichtige Neukundengruppe, steuerten 2016 Altersvorsorgeeinrichtungen mit netto 37,5 Mrd. Euro den größten Anteil bei, während die Assekuranz 25,1 Mrd. Euro in Spezialfonds neu anlegte. Altersvorsorgeeinrichtungen investierten verstärkt in alternative Anlagen, öffentliche Infrastruktur und Immobilien und zogen zugleich Mittel aus freien Mandaten ab, wie Pross sagte. Von hohen Zuflüssen profitierte 2016 insbesondere Universal-Investment, die einen überproportionalen Anteil an Altersvorsorgeeinrichtungen aufweist und einen Spezialfondsabsatz von 27,9 Mrd. Euro erreichte.Investoren setzen dabei nicht nur auf Einzelfondslösungen, sondern zugleich auf übergeordnete Konzepte in Form eines Master-KVG-Konstruktes. Lag der Anteil “segmentierter” Lösungen im Spezialfondsmarkt 2006 bei 50 %, so erreicht der Wert mittlerweile 70 %, wie Pross erklärte. Weniger die Wertentwicklung, sondern das Risikomanagement, Reporting-Dienstleistungen und Hilfen beim Erfüllen regulatorischer Vorgaben seien den Investoren wichtig.Das Neugeschäft fiel aber branchenweit unterschiedlich aus. So dominierte im Publikumssegment die Fondsgesellschaft Union Investment mit einem Nettoabsatz von 9,7 Mrd. Euro. Die zu den Volks- und Raiffeisenbanken gehörende Gesellschaft legt am morgigen Donnerstag Geschäfts- und Vertriebszahlen vor. Mit 4,6 Mrd. Euro schaffte es auch die Kölner Flossbach von Storch, die für den Mischfonds “Multiple Opportunities” bekannt ist, in der Statistik nach oben. Die rote Laterne hält die Deutsche Asset Management, die Tochter der Deutschen Bank, mit minus 12,5 Mrd. Euro. Rekordhohes FondsvermögenInsgesamt verwaltete die deutsche Fondsbranche per Jahresende ein Vermögen von 2,80 Bill. Euro und weist damit einen Höchststand aus. Vor einem Jahrzehnt lag der Wert noch bei 1,53 Bill. Euro. Mit 1,48 Bill. Euro entfällt heute der überwiegende Teil auf Spezialfonds, während 915 Mrd. Euro in Publikumsfonds und 403 Mrd. Euro in freien Mandaten liegen. Der BVI deckt den Absatz in Deutschland mit der Statistik überwiegend ab.