Hans-Jörg Mauthe

AGCS schaltet selektiv auf Expansion um

Der Allianz-Industrieversicherer AGCS greift an. Er will nach einer Sanierung die höheren Preise und eine verringerte Kapazität in Zentral- und Osteuropa nutzen. Es ist Wachstum geplant.

AGCS schaltet selektiv auf Expansion um

mic München

Der Allianz-Industrieversicherer will in Europa stärker wachsen als die Konkurrenz. Vier Teilmärkte seien interessant, sagte Hans-Jörg Mauthe, der die Region für Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) leitet, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung: Managerhaftpflicht, die Absicherung von Anlagen für erneuerbare Energieerzeugung in der technischen Versicherung, der alternative Risikotransfer sowie einzelne Segmente der Sach- und Haftpflichtversicherung.

Das Wachstumsziel ist eine Trendwende, denn im vergangenen Jahr hatte AGCS das Engagement im Heimatmarkt beispielsweise bei Rückrufen von Autos und in der Warentransportversicherung reduziert. Ein Umsatz von rund 100 Mill. Euro wurde aufgegeben, wenngleich Preiserhöhungen dies überkompensierten (siehe Grafik).

Für den Fokus auf das Expansions-Quartett gibt es Mauthe zufolge unterschiedliche Gründe. Für die Deckungen in der Managerhaftpflicht (Directors and Officers – D&O) gelte angesichts der hohen Schadenquoten in den vergangenen Jahren: „Einige Wettbewerber haben sich aus dem Markt zurückgezogen.“ Dies habe im Vergleich zu dem Jahr 2019 zu Preiserhöhungen von teilweise mehr als 50% im vergangenen Jahr geführt. Dass die Branche auch zuletzt mit hohen Schadenzahlungen konfrontiert gewesen ist (vgl. BZ vom 17. Juni), schreckt die Münchner daher nicht ab. Mittlerweile sei das Verhältnis von Preis zu Risiko in einem guten Verhältnis, sagte Mauthe. Der Markt wachse mit 2 bis 3% pro Jahr, die Allianz wolle mit einem mittleren einstelligen Prozentsatz zulegen.

Bei den technischen Versicherungen dagegen, zu denen auch die Absicherung von Windrädern und Solaranlagen gehört, habe die Allianz in den vergangenen Jahren eine stabile betriebswirtschaftliche Performance verzeichnet, sagte der AGCS-Manager. Bei großen Infrastrukturprojekten wolle die Allianz verstärkt Flagge zeigen, wenngleich der Preisanstieg bei weitem nicht so stark wie für D&O-Policen gewesen sei. Die Unterstützung erneuerbarer Energien passe zudem zum Einsatz des Versicherers für klimafreundliche Lösungen: „Wir wollen aktiv den Umbau der Energieversorgung unterstützen.“

In der aktuellen Phase relativ hoher Preise sieht AGCS mehr Aktivität im Feld alternativer Risikotransfer. Mauthe setzt in diesem dritten Bereich auf eine erhöhte Nachfrage beispielsweise nach einer Eigenversicherung großer Konzerne, die trotzdem die Schadenabwicklung oder Bilanzverbuchung der AGCS überlassen. Derartige virtuelle Captives ähneln damit letztlich einer Rückversicherung. Für die Münchner bietet der Allianz Risk Transfer derartige Lösungen. „In Hartmarktphasen war es immer so, dass Kunden über Captives nachgedacht haben“, so Mauthe.

Wachstum plant der Industrieversicherer – viertens – in Segmenten der Sachversicherung. So möchte er den Kundenkreis erweitern. Aktuell versichere sich rund ein Viertel der 1000 Unternehmen in Deutschland bei der AGCS, sagte Mauthe. Dabei handle es sich meist um die Großkonzerne. In der Haftpflichtversicherung habe die Allianz weitere 150 größere Firmen aus dem Mittelstand identifiziert, die gezielt angesprochen würden. „Da wollen wir Lösungen in der Breite finden“, erklärte Mauthe.

Der AGCS-Manager beobachtete in den zurückliegenden Quartalen weiterhin Preiserhöhungen im Markt für Industrieversicherungen, legt sich aber nicht auf eine Schätzung der Größenordnung fest. Hohe Belastungen wie die Sach- und Betriebsunterbrechungsschäden durch die Flutkatastrophe in Westeuropa sorgten in der Vergangenheit in der Regel für einen Anstieg.

Selbstkritik nach Preisanstieg

Die Kunden reagierten auf den anhaltenden Preisanstieg beispielsweise mit höheren Selbstbehalten, sagte Mauthe. Außerdem würden Deckungssummen und -umfänge auf ihren substanziellen Kern be­schränkt. Er räumte ein, dass die Firmenkunden teils verärgert gewesen seien über die Ratenerhöhungen inmitten der Corona-Krise. Mauthe übte Selbstkritik: „Industrieversicherer haben, weil sich die Ereignisse so überstürzt haben, in der Kommunikation das eine oder andere nicht so proaktiv gemacht wie gewohnt.“

Für den massiven Preisanstieg seien die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie letztlich nur der Katalysator gewesen, sagte Mauthe. Die Branche habe jahrelang versicherungstechnische Verluste eingefahren, dies habe gemeinsam mit sinkenden Kapitalerträgen zu reduzierten Reserven geführt. In der Erneuerungsrunde 2020/21 seien die Preise dynamisch gestiegen, hauptsächlich in den Sparten Sach, Financial Lines (D&O und Cyber) und Luftfahrt. Im ersten Quartal des Jahres hätten die Ratenerhöhungen bei gleichem Risiken über das ganze Buch mehr als 20% betragen, in einzelnen Sparten seien teils auch mehr als 30% registriert worden: „Der Markt hat sich in einer Schnelligkeit gedreht, wie ich sie noch nicht gesehen habe.“

Die AGCS konzentriere sich in ihrem Turnaround-Programm auf mehrere Faktoren, sagte Mauthe. Technische Exzellenz, Investition von Kapazitäten in den richtigen Märkten und Digitalisierung gehörten dazu. Außerdem sollen die Vorteile der globalen Aufstellung auch durch eine zentrale Steuerung besser genutzt werden. „Dies alles hat natürlich auch Auswirkungen auf die Kostenseite“, sagte Mauthe. Jeder Prozentpunkt, der bei der Kostenquote eingespart werde, verhelfe AGCS zu einer verbesserten Position im Wettbewerb.

Im Ergebnis soll die Schaden- und Kostenquote im Schnitt über den Zyklus 96% betragen und maximal nur drei Prozentpunkte nach oben und unten schwanken. Die verminderte Volatilität werde über bessere Portfolio-Balance, Rückversicherung und eine andere Gewichtung von Kumulrisiken erreicht: „Wir wollen nachhaltig zeigen, dass wir stabil zum Konzernergebnis beitragen.“

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