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"Aktien sind die attraktivste Anlageklasse"

Interview mit Stefan Keitel

"Aktien sind die attraktivste Anlageklasse"

Stefan Keitel,CEO von Deka Investments und CIO der DekaBankHerr Keitel, wie dürfte sich die Konjunktur 2020 entwickeln?Wir sehen zwar keine tiefgreifende Rezession, aber vor allem in Europa eine ausgeprägtere Wachstumsdelle. Die Hoffnung ist, dass es 2020 wieder zu einer leichten Beschleunigung der Konjunktur kommt. Wird das Null- beziehungsweise Niedrigzinsumfeld in Euroland Bestand haben?Das Niedrigzinsumfeld wird uns noch sehr lange begleiten. Wir erwarten mindestens bis Mitte des neuen Jahrzehnts keine Änderung. Das Zinsdilemma für Sparer und institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen bleibt also bestehen.Setzt die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Politik Mario Draghis fort?Ja, sie vertritt dieselbe Schule. Insofern wird die Geldpolitik der EZB locker bleiben. Allerdings sollten nach der starken Medizin, die die Notenbank dem Euroraum bislang verschrieben hat, langsam mildere Mittel folgen.Und die US-Notenbank?Nachdem sie zuletzt die Zinsen vorbeugend gesenkt hat, ist sie jetzt mit den Senkungen weitgehend durch. Ein bis zwei weitere kleine Schritte nach unten schließen wir aber nicht aus, notwendig sind diese nicht.Stellt der Brexit noch eine Gefahr dar?Der Brexit ist inzwischen alles andere als ein schwarzer Schwan. Er stellt daher für die Kapitalmärkte keinen echten Belastungsfaktor mehr dar, zumal er in der Praxis ohnehin dauernd verschoben wird.Welche Auswirkungen dürfte die US-Präsidentenwahl im nächsten Jahr haben?Die typischen. Im Vorfeld der Wahlen wird der amtierende Präsident alles rosarot malen und freundliche Maßnahmen für die Märkte ergreifen. Rückt der Wahltermin näher, könnte Unsicherheit aufkommen und es könnte ungemütlicher für die Märkte werden.Was bedeutet dieses Umfeld nun für den Anleger? Wie kann er sein Vermögen sichern und mehren?Die konservativen Elemente auf der Zinsseite fallen aus. Insgesamt rutscht die Kapitalmarktlinie nach unten, sprich bei einem bestimmten Risiko liegt der erwartete Ertrag niedriger als früher. Für den Anleger, der längerfristig denkt, führt an der Aktienanlage kein Weg vorbei. Denn Aktien sind in diesem Umfeld die attraktivste Assetklasse. Gibt es überhaupt noch Chancen bei Anleihen?Deutlich weniger als früher. Staatsanleihen fallen weitgehend aus, lediglich bei US-Treasuries könnten sich noch Chancen ergeben. Auch bei Unternehmens- und Hochzinsanleihen bestehen noch selektive Möglichkeiten. Dies aber bei deutlich verschlechtertem Risikoprofil. Hingegen bieten Schwellenländer-Anleihen zum Teil noch attraktive Risikoprämien.Aber in Schwellenländer-Bonds oder Aktien zu investieren ist nicht immer einfach?Deshalb ist gerade in diesem Umfeld aktives Management gefragt. Während die großen, effizienten Märkte insbesondere für taktische Positionierungen teilweise durchaus auch mit ETFs abgebildet werden können, sind aktive Selektionsansätze in den eher komplexeren Regionen unabdingbar.Sind die Aktienmärkte aber nicht bereits hoch bewertet?Wir haben ein ganz anderes Zinsniveau als früher, auch am langen Ende. Dies gilt es natürlich bei der Bewertung zu berücksichtigen. Während der US-Aktienmarkt in den vergangenen Jahren markant geklettert ist, haben sich Europa, Japan und die Schwellenländer im Vergleich unterdurchschnittlich entwickelt. Hier würden wir die Bewertungen als gesund einstufen. Langfristig sind in allen Regionen weitere Renditepotenziale vorhanden, jedoch in geringerer Ausprägung als früher.Wenn es für Anleihen kaum mehr Zinsen gibt, sollten Aktien da nicht in einem Portfolio höher gewichtet werden?Definitiv, wenn wir die relative Attraktivität betrachten, liegt langfristig das größte Potenzial bei Aktien. Es ist daher falsch, allzu prozyklisch zu agieren. Wer Ende 2018 panisch aus dem Aktienmarkt ausgestiegen ist, hat die Hausse in diesem Jahr verpasst. Antizyklisches Handeln ist gefragt. Was erwarten Sie kurz- und mittelfristig bei Aktien?Der Markt bewegt sich in einem Hoffnungs­zyklus nach oben, der durchaus noch mehrere Monate anhalten könnte. Derzeit holen zyklische Titel auf. Das Jahr 2020 dürfte gut starten, aber im Verlauf schwieriger werden. Insofern besteht die Hoffnung, im ersten Quartal einen Performancepuffer für das Gesamtjahr aufzubauen.Ist die Beimischung von Gold sinnvoll?Ja, Gold hat inzwischen keine Opportunitätskosten mehr und profitiert von strukturellen Problemen. Zudem trägt es zur Diversifikation eines Portfolios bei. Anleger sollten daher etwa 5 % bis 10 % ihres Portfolios in Gold investieren.Und wie gelingt der Einstieg in die lukrative Assetklasse Aktien?Unter Risikoaspekten ist ein gestaffelter Einstieg über mehrere Tranchen sinnvoll. Und ein Sparplan ist langfristig das Beste, was es gibt, löst er doch das Timing-Problem.Das Interview führte Werner Rüppel.