SCHLUSSNOTE

Aktionärsrechte statt Würstchen

Von Claus Döring Auf eine Zusatzdividende in Form von Würstchen mit Kartoffelsalat oder Kaffee und Kuchen werden die Aktionäre auch im neuen Jahr verzichten müssen. Wie schon 2020 werden nach derzeitiger Pandemielage auch die Hauptversammlungen...

Aktionärsrechte statt Würstchen

Von Claus DöringAuf eine Zusatzdividende in Form von Würstchen mit Kartoffelsalat oder Kaffee und Kuchen werden die Aktionäre auch im neuen Jahr verzichten müssen. Wie schon 2020 werden nach derzeitiger Pandemielage auch die Hauptversammlungen 2021 überwiegend virtuell stattfinden. Während manchem Kleinaktionär der Abschied vom HV-Tourismus schwerfallen wird, hatte er doch “sein” Unternehmen, an dem er einige Aktien hielt, “zom Fressa gern”, wie einst der HV-Führer der Schwäbischen Bank bezeichnenderweise hieß, treibt die institutionellen Aktionäre der erhebliche Eingriff in die Eigentumsrechte um, die sie bekanntlich treuhänderisch für ihre Anleger wahrzunehmen haben. So gerechtfertigt es im Frühjahr war, im Zeichen des Lockdowns schnellstmöglich durch eine Notgesetzgebung virtuelle Hauptversammlungen und damit auch Dividendenausschüttungen zu ermöglichen, so geboten ist es jetzt, wo die Pandemie zum Begleiter unseres Alltags geworden ist, mit weiteren Gesetzesänderungen die Aktionärsrechte in Zeiten virtueller Hauptversammlungen auf den Status quo ante zu bringen. Für die bereits laufenden Vorbereitungen der HVs jener Gesellschaften, deren Geschäftsjahr am 30. September endete, wird das zeitlich nicht mehr möglich sein. An größeren Unternehmen sind dies Siemens (HV am 3.2.), Thyssenkrupp (5.2.), Siemens Healthineers (12.2.), Metro (13.2.), Osram (17.2.) und Infineon (19.2.). Hier kann man nur hoffen, dass sich die Verwaltungen die positiven Beispiele der zurückliegenden Saison zum Vorbild nehmen und es freiwillig mit den Frage- und Antragsrechten halten wie bei Präsenzversammlungen. Technisch ist dies darstellbar, es hängt allein vom Willen der Unternehmen ab. Weil aber dieser Wille nicht überall ausgeprägt ist und am wenigsten bei jenen Gesellschaften, die ohnehin die Börse verlassen und ihre verbliebenen freien Aktionäre loswerden wollen – wie beispielsweise Springer mit der Squeeze-out-HV Ende November -, muss der Gesetzgeber schnellstmöglich die Eigentums- und Aktionärsrechte auch in der virtuellen HV-Welt garantieren. Die Zeit drängt, denn am 31. März eröffnet Daimler die über 2020 beschließende HV-Saison 2021, am 1. April folgt bereits die Deutsche Telekom. Ziel der Gesetzesänderung sollte sein, dem Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats die Wahl zwischen Präsenz-HV und virtueller HV einzuräumen, wenn die gesamte Versammlung mit Bild und Ton übertragen wird und die Aktionäre ihre Stimmrechte über elektronische Kommunikation ausüben können. Die HV sollte mindestens 30 Tage vorher einberufen werden, und die Rede des Vorstandsvorsitzenden sollte mindestens vier Tage vor der HV auf der Webseite der Gesellschaft veröffentlicht werden. Der Vorstand sollte verpflichtet werden, alle bis spätestens zwei Tage vor der HV eingereichten Fragen der Aktionäre zu beantworten, wobei der Vorstand das Recht bekommen sollte, die Fragen themen- und sachbezogen zusammenzufassen. Für letzteren Fall sollte dies wenigstens einen Tag vor der HV ebenfalls auf der Webseite der Gesellschaft veröffentlicht werden. Außerdem sollten alle Aktionäre, die Fragen eingereicht haben, in der HV das Recht zu Nachfragen haben, falls ihre Fragen nicht oder unzureichend beantwortet wurden. Was so technisch daherkommt, ist der Kern der Teilhabe und Kontrolle der Unternehmen durch ihre Eigentümer. Diese Rechte sind in einer virtuellen und damit anonymeren Welt noch wichtiger als in der Welt der persönlichen Begegnungen.