Aktive Manager wechseln auf die digitale Überholspur

Das Risiko, Opfer fortschreitender Technologisierung zu werden, ist dann umso geringer - Auf die Kunden konzentrieren und sich auf die Kernkompetenz besinnen

Aktive Manager wechseln auf die digitale Überholspur

Ein Gespenst geht um in vielen Unternehmen – das Gespenst der Disruption. Während die Digitalisierung unser Leben immer tiefer durchdringt, scheint sie in mancher Vorstandsetage eher Ängste auszulösen. Auch die Vermögensverwaltung ist mittlerweile ein Tummelfeld für Fintechs. Vielfach wird die Zukunft des aktiven Assetmanagements in dunklen Farben gemalt.Aber ist die Digitalisierung wirklich nur ein Bedrohungsszenario? Frei nach Mark Twain möchte man den Unkenrufen entgegnen: “Der Bericht über den Tod des aktiven Managements wurde stark übertrieben.” Zwar soll nicht in Abrede gestellt werden, dass es Herausforderungen gibt. Dies zeigt auch die zunehmende Fusionstätigkeit in der Branche. Gleichwohl verkennt der Abgesang auf die aktive Vermögensverwaltung zweierlei.Zum einen den wahren Erfolg aktiver Strategien in den letzten Jahren. Auf den ersten Blick sind die Vermögenszuwächse bei Passivstrategien zweifelsohne beeindruckend. Laut Boston Consulting Group (BCG) vervierfachten sich die verwalteten Vermögen global zwischen 2003 und 2015 von 3 auf etwa 11 Bill. US-Dollar. Gleichzeitig sank der Anteil traditioneller Aktien- und Rentenstrategien am global verwalteten Vermögen von 58 auf 39 %. Absolut betrachtet steckt hinter diesem prozentualen Rückgang aber ein Anstieg um etwa 8 Bill. US-Dollar, also fast ebenso viel wie bei passiven Strategien!Die echte Musik spielte laut BCG gleichzeitig bei alternativen Investments, nichttraditionellen Aktien- und Rentenstrategien sowie im von ihnen Solutions genannten Bereich (Multi-Asset-Strategien, Liability Driven Investments, spezielle Auszahlungsprofile generierende Strategien u. ä.). Deren Anteil an den weltweit insgesamt verwalteten Vermögen erhöhte sich von einem Drittel im Jahr 2003 auf 47 % im Jahr 2015, absolut von etwa 12 auf 33 Bill. US-Dollar. All die vielfältigen hierhinterstehenden Strategien sind eindeutig dem aktiven Segment zuzuordnen. Eine Krise sieht anders aus!Zum anderen verkennt die zukunftspessimistische Sicht auf das aktive Management die Chancen, die sich bieten. Gerade durch die Digitalisierung. Dies sei an ein paar Beispielen aus verschiedenen Bereichen erläutert. Kollaborationen mit FintechsErstens: Kollaborationen mit Fintech-Unternehmen – Nicht jeder Assetmanager muss zwangsläufig das Rad neu erfinden. Partnerschaften mit Fintechs sind vielfach in beiderseitigem Interesse. Die zumeist jungen Finanztechnologie-Unternehmen kommen so an das notwendige Eigenkapital, um expandieren zu können. Darüber hinaus können sie regulatorische Hürden nehmen, die bei Finanzgeschäften aufgrund des Verbraucherschutzes zu Recht hoch gesetzt sind. Gleichzeitig verschaffen ihnen Assetmanager Zugang zu Kunden. Zusammen mit der Sicherheit von Produkt und Abwicklungsprozess macht dies für Fintech-Unternehmen die Attraktivität einer Partnerschaft mit Assetmanagern aus.In der Vergangenheit fanden derartige Kollaborationen ausschließlich mit passiven Vermögensverwaltern beziehungsweise unter Einsatz von Passivstrategien statt. Doch es geht auch anders, wie die jüngst vereinbarte Zusammenarbeit von Allianz Global Investors und dem digitalen Vermögensverwalter Moneyfarm zeigt – die erste ihrer Art in Europa. Das Potenzial ist riesig, das verdeutlicht auch die eingangs beschriebene immense Kundennachfrage nach aktiven Produkten jenseits von Plain-Vanilla-Strategien.Zweitens: Disruption verlangt ein Mehr an Analyse und aktivem Management. Denn disruptive Trends verändern die Dynamik der Portfoliokonstruktion – Dies veranschaulicht der folgende Vergleich: 1960 betrug die Lebensdauer eines im S & P 500 Index notierten Unternehmens im Schnitt 60 Jahre. Aktuell liegt sie bei etwa zwölf Jahren! Durch diese Verkürzung der Lebensdauer von Unternehmen kommt verstärkt das Pareto-Prinzip zum Tragen: Bereits seit Jahren werden die langfristigen Aktienmarkterträge lediglich von etwa 20 % der Aktien getragen. Das Gros der Aktien – 80 % – erwirtschaftet einen kollektiven Gesamtertrag von null. Dies hat Implikationen für Anleger: Es kommt genauso auf das Vermeiden von Verlusten an wie auf die Auswahl von Gewinnern. Daher werden sorgfältige Unternehmens-, Markt- und Wettbewerbsanalysen sowie ein aktives Portfoliomanagement immer wichtiger. “Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen” – dies ist passiven Investments wie etwa Indextrackern naturgemäß nicht möglich. Sie sind zwangsläufig in der Welt von gestern verhaftet und können aufgehende Sterne erst berücksichtigen, wenn sie in den Index aufgenommen sind, und verglühende, wenn sie absteigen. Das Suboptimale hieran: Ein guter Teil des Trends ist dann oft schon gelaufen.Drittens: Gegenseitige Befruchtung der verschiedenen Beratungssysteme – Robo-Advisors werden vielfach als Totengräber der persönlichen Anlageberatung gesehen, als absehbarer Sieger eines “The winner takes it all”-Verdrängungswettbewerbs. Warum eigentlich? Vermögensanlage ist doch etwas zutiefst Emotionales – immerhin geht es zumeist auch um Träume wie ein Eigenheim, die Ausbildung von Kindern oder den sorgenfreien Ruhestand. Aus diesem Grund erscheint es fragwürdig anzunehmen, dass Robo-Advisors in der Breite die Finanzplanung der Bevölkerung übernehmen. Psychologie bleibt wichtig. Und gerade in der eher als nüchtern wahrgenommenen Finanzbranche wird Vertrauen in die Qualität der eingesetzten Beratungsalgorithmen letztlich vielfach erst durch die Person geschaffen, die diese für den Kunden einsetzt.Daher ist wohl eher von einer friedlichen Koexistenz und – mehr noch – einer Verzahnung beider Beratungssysteme auszugehen. Dies gerade auch vor dem Hintergrund des Durchbruchs von künstlicher Intelligenz, den wir derzeit weltweit in den verschiedensten Bereichen beobachten. Persönliche, personalisierte und aktive Beratung, unterstützt durch künstliche Intelligenz – also lernenden und große Datenmengen auswertenden Algorithmen – kann sich zu einem echten Wettbewerbsvorteil entwickeln. Und nur aktive Vermögensverwalter können diese bieten. Nebenbei bemerkt gilt Letzteres im Übrigen auch für Zugang zu künstlicher Intelligenz als Kapitalanlage, wie ein jüngst von AllianzGI aufgelegtes Produkt gezeigt hat. Unkenrufen zum TrotzAnhand dieser Beispiele wird klar: Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es auch in Zukunft einen großen Bedarf an aktiver Vermögensverwaltung. Wie so oft hat die Branche dabei ihr Schicksal zu einem guten Teil auch selbst in der Hand. Es gibt zweifelsohne in einigen Bereichen Rückstände hinsichtlich der Digitalisierung, die es aufzuholen gilt. Das Risiko, Opfer der fortschreitenden Technologisierung zu werden, ist allerdings umso geringer, je mehr Vermögensverwalter auf die digitale Überholspur wechseln, sich auf ihre Kunden konzentrieren und sich auf ihre Kernkompetenz besinnen – das aktive Management. Wenn Assetmanager dies schaffen, werden sie im besten Sinne für Kunden unverzichtbar. Für sie wird gelten: Das aktive Management ist tot – es lebe das aktive Management!—Tobias C. Pross, Head of EMEA bei Allianz Global Investors