Aktives Management muss sich weiterentwickeln

Unrestringierte Strategien und alternative Anlageklassen rücken in den Fokus - Active Share als zentrales Maß

Aktives Management muss sich weiterentwickeln

Das aktive Asset Management steht unter Druck. So stark unter Druck, dass mittlerweile auch bereits Branchen-Insider in den Totengesang einstimmen. Ein Grund hierfür: Nachdem global anlegende, aktive Aktienfondsmanager drei Jahrzehnte lang erheblichen Mehrwert für Kunden geschaffen hatten, konnten sie seit 2009 im Schnitt keine Outperformance mehr gegenüber den jeweiligen Vergleichsmaßstäben erzielen. Dies gibt den Befürwortern passiver Investmentstrategien Auftrieb und stellt die Existenzberechtigung des aktiven Asset Management in Frage.Gleichwohl möchte man den Kritikern frei nach Mark Twain entgegenhalten: “Die Berichte über den Tod des aktiven Managements sind stark übertrieben.” Das Gegenteil ist der Fall: Angesichts des vermutlich noch lange andauernden Spannungsfelds zwischen Niedrigzinsen auf der einen Seite und den im Vergleich hierzu höheren Renditeerfordernissen von Investoren auf der anderen Seite ist ein aktives Management wichtiger denn je! Denn die Finanzmarktverhältnisse haben sich grundlegend geändert. In der Vergangenheit konnten sich Investoren für das Erzielen auskömmlicher längerfristiger Renditen noch weitgehend auf die Marktrendite – das Beta – verlassen; Outperformance – Alpha – kam quasi als Sahnehäubchen hinzu. Mittlerweile, in Zeiten der finanziellen Repression, ist es genau andersherum: Alpha, der Mehrertrag, ist zur wichtigsten Ertragskomponente geworden und Beta kommt “on top” hinzu.Die neuen Gegebenheiten erfordern eine Anpassung des aktiven Managements. Es muss sich noch konsequenter als zuvor darauf ausrichten, Alpha zu generieren. In welche Richtung die Weiterentwicklung im Aktienbereich zu gehen hat, zeigt eine Analyse der Ursachen für die mangelnde Outperformance in den letzten Jahren. Ein wesentlicher Grund hierfür ist nämlich das Zusammenspiel von gesunkener Volatilität an den Aktienmärkten und gleichzeitig erhöhter Korrelation zwischen den Aktien. Bildlich gesprochen: Das Meer ist ruhiger geworden, und die Gezeiten heben und senken alle Boote gleichmäßig. In einem derartigen Umfeld tut sich die gezielte Einzeltitelauswahl schwerer, dieselbe Überrendite zu erbringen wie zuvor.Dies spiegelt sich auch in einschlägigen Messzahlen für Anlageportfolien wider. So hat sich der sogenannte Tracking Error, der die zu erwartende Renditedifferenz zwischen Portfolio und Vergleichsmaßstab misst, für Aktienfonds verringert. Einige Marktbeobachter haben hieraus den Schluss gezogen, dass die Fondsmanager heutzutage im Schnitt stärker als zuvor an der Benchmark kleben. Dies ist aber mitnichten der Fall. Vielmehr wird das herkömmliche Maß an aktivem Management heute in geringerem Umfang als früher am Markt entlohnt. (Noch) “aktiver” werdenIm Umkehrschluss bedeutet dies: Das Portfoliomanagement muss (noch) “aktiver” werden. Wie kann dies geschehen? Nun, ein im aktuellen Umfeld vermutlich wichtigeres Maß für den Aktivitätsgrad des Portfoliomanagements ist der sogenannte Active Share. Dieser entspricht der Summe der Abweichungen der einzelnen Portfoliogewichte von der Benchmark-Gewichtung. Damit misst der Active Share direkt, in welchem Umfang eine aktive Einzeltitelauswahl in einem Portfolio stattfindet.Um diesen Active Share zu erhöhen, gibt es im Rahmen herkömmlicher Aktienfonds zwei Möglichkeiten. Die eine ist eine konzentrierte Einzeltitelauswahl. Hierbei wird die Anzahl der Titel im Fonds reduziert, die Portfolien sind also konzentrierter. Dies wiederum geht mit vergleichsweise hohen Abweichungen der Portfoliogewichte von der Benchmark-Gewichtung einher. Diese Strategie zielt damit auf eine hohe Überrendite – auf ein hohes Alpha also – ab. Die meisten Aktienfonds von Allianz Global Investors sind grundsätzlich auf diese Strategie hin ausgerichtet. Diversifiziertes Stock PickingDie zweite Strategie steht der ersten interessanterweise diametral gegenüber. Sie besteht in einem diversifizierten Stock Picking, das heißt in einer breiten Streuung des Anlagekapitals über sehr viele Titel. Auch diese Strategie weist einen hohen Active Share auf. Im Unterschied zur erstgenannten Strategie resultiert dieser jedoch daraus, dass es viele kleine Abweichungen zwischen der Gewichtung im Portfolio und in der Benchmark gibt. In der Summe machen diese sich allerdings deutlich bemerkbar. Diese Strategie zielt somit nicht auf ein möglichst hohes Alpha ab. Vielmehr wird eine stabile Überrendite angestrebt. Umgesetzt wird die Strategie der diversifizierten Einzeltitelauswahl bei Allianz Global Investors etwa in der “Best Styles”-Produktreihe. Hier wird jeweils in breite Universen investiert, im globalen Portfolio sind beispielsweise bis zu 550 Titel aus Industrie- und Schwellenländern enthalten.Die beiden beschriebenen Vorgehensweisen bieten sich in traditionellen “Long only”-Aktienprodukten an, um den Active Share zu erhöhen und Überrenditen zu generieren. Weitet man das Investmentspektrum aus, so ergeben sich weitere erfolgversprechende Überlebensstrategien für aktive Asset Manager. Auch diese Strategien zielen darauf ab, langfristig diejenigen Überrenditen zu erwirtschaften, die die Anleger benötigen.Zum einen sind hier unrestringierte – oder unconstrained – Anlagestrategien zu nennen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass – zumeist innerhalb der Grenzen einer Anlageklasse – weitgehend auf Anlagebeschränkungen verzichtet wird. Sprich: Oftmals gibt es keinen Marktindex als Benchmark und es fehlen größenmäßige, branchenmäßige oder regionale Einschränkungen. Außerdem bieten unrestringierte Strategien Fondsmanagern vielfach die Möglichkeit, nicht nur “long”, sondern auch “short” zu gehen; Titel können also leerverkauft werden. Viele dieser Strategien können sich zwar nicht vollkommen von Marktentwicklungen in den entsprechenden Anlageklassen lösen. Allerdings steht auch bei ihnen die Erzielung von Alpha im Vordergrund.Und schließlich bietet sich zum Erwirtschaften von Überrenditen in Gesamtportfolien an, das Investmentuniversum von klassischen Kernanlageklassen wie Aktien oder Anleihen in Richtung sogenannter Alternatives zu erweitern. Hierunter fallen Absolute-Return- oder Hedgefonds-Strategien in liquiden Assetklassen genauso wie Investments in illiquide Anlagesegmente wie Infrastruktur, Immobilien oder Schuldscheine, um nur ein paar Beispiele zu nennen.Viele dieser Anlageklassen bieten die Aussicht auf attraktive Renditen und sind gleichzeitig wenig oder gar nicht mit den herkömmlichen Kernanlageklassen korreliert. Allianz Global Investors hat in den letzten Jahren die Investmentkapazitäten in illiquiden Assetklassen ausgeweitet und bei der Produktentwicklung einen stärkeren Schwerpunkt auf unrestringierte Strategien gelegt. Diesen Weg werden wir auch in Zukunft weiter beschreiten. Stärkere AuffächerungIch bin fest davon überzeugt: In den kommenden Jahren werden wir eine stärkere Auffächerung der Asset-Management-Landschaft sehen. In Kernanlageklassen wie Aktien oder Renten von Industrieländern, bislang das Brot-und-Butter-Geschäft vieler Asset Manager, werden im traditionellen Stil aktiv gemanagte Strategien weiter an Bedeutung verlieren. Hier werden passive Strategien weitere Marktanteile hinzugewinnen. Enormes MarktpotenzialAktive Asset Manager werden sich dagegen stärker den beschriebenen Strategien zuwenden (müssen): konzentriertes Stock Picking, diversifiziertes Stock Picking, unrestringierte Strategien und Alternatives – angereichert durch aktive Investmentberatung und ausgefeilte Risikomanagement-Systeme. Damit werden sie aber beileibe nicht zu Nischenplayern! Vielmehr ist das Marktpotenzial für ein derartiges aktives Management beachtlich. Wem die Metamorphose als Asset Manager gelingt, der wird das Vertrauen der Investoren dadurch (zurück-)gewinnen, dass die aus Kundensicht benötigten oder gewünschten Zielrenditen auch tatsächlich erwirtschaftet werden. Derart agierende Investment Manager sind nicht dem Untergang geweiht. Vielmehr wird für sie gelten: Das aktive Management ist tot – es lebe das aktive Management.—Von Andreas Utermann, Global Chief Investment Officer und Co-Head von Allianz Global Investors