Aktuare gehen Betriebsrenten an

Ruf nach Gesetzgeber wegen Problemen bei Pensionskassen - Zinszusatzreserve wächst zu schnell

Aktuare gehen Betriebsrenten an

Die Versicherungsmathematiker warnen vor ungemütlichen Folgen des Zinstiefs bei den Betriebsrenten. Sie schlagen vor, die Arbeitgeberhaftung für künftige Beiträge und Leistungen zu reduzieren. Auch in der Lebensversicherung sehen sie Handlungsbedarf.ak Köln – Die Pensionskassen geraten im Niedrigzinsumfeld immer stärker unter Druck. Das bringt auch Arbeitgeber in Bedrängnis. Die einflussreiche Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) warnt vor steigenden Lasten für Unternehmen, die geringere künftige Leistungen der Kassen aus eigenen Mitteln ausgleichen müssen. Die Versicherungsmathematiker schlugen nun vor, diese Arbeitgeberhaftung einzuschränken.”Das Problem steht vor der Tür”, sagte DAV-Betriebsrentenexperte Friedemann Lucius vor Journalisten in Köln und verwies auf die BVV Versorgungskasse des Bankgewerbes sowie die Neue Leben Pensionskasse, die für künftige Beiträge den Rechnungszins reduziert haben. Die dadurch gekürzte Rentenleistung muss normalerweise der Arbeitgeber auffangen, bei dem das direkt auf die Bilanz in Form von höheren Pensionsrückstellungen durchschlägt. Zusagen auf arbeitsrechtlicher Ebene zu reduzieren, ist bislang schwierig.Die Aktuare wollen das ändern. “Wir plädieren dafür, dass sich die Leistungskürzung der Pensionskassen automatisch in der arbeitsrechtlichen Zusage abbildet”, sagte Lucius. Dafür müsse der Gesetzgeber tätig werden. Die Aktuare wissen, dass sie hier für sozialpolitischen Sprengstoff sorgen. Dennoch müsse diskutiert werden. Ihre Argumentation: Das System gerate durch das anhaltende Zinstief in Schieflage. Die DAV sieht es als ihre Aufgabe, nicht nur zuzugucken, sondern Vorschläge zu unterbreiten. Es gehe auch um Generationengerechtigkeit, betonte DAV-Vorsitzender Wilhelm Schneemeier. Wenn die Arbeitgeber die volle Haftung für alle Zukunft egal in welchem Zinsumfeld behielten, würden sie für junge Arbeitnehmer bald überhaupt nichts mehr anbieten.An bereits eingezahlte Beiträge und darauf basierende Zusagen wollen auch die Aktuare nicht ran. Hier soll die Einstandspflicht der Arbeitgeber unverändert bleiben. Mehr Anlagen in AktienEin weiterer Vorschlag der Aktuare zielt auf die Anlagevorschriften der Pensionskassen ab: Da bei Pensionskassen praktisch keine Kapitalabfindungen oder Stornos vorkommen, sondern alles in langfristige Rentenzahlungen mündet, ist es nach Ansicht der Aktuare nicht nötig, dass die Zusagen zu jedem Zeitpunkt vollständig bedeckt sein müssen. Die Mathematiker sprechen sich für flexiblere Regelungen aus, so dass Pensionskassen mehr in ertragreichere Anlageklassen investieren könnten.Grundsätzlich ist die betriebliche Altersvorsorge (bAV) gefragt, wie die am Donnerstag veröffentlichten Zahlen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeigen: Die Zahl der bAV-Verträge stieg 2015 um knapp 2 % auf gut 15 Millionen Stück. Die Beiträge wuchsen sogar um 16 % auf 19,1 Mrd. Euro. Das lag allerdings vor allem an der Übertragung von Versorgungszusagen auf Pensionsfonds.Auch in der Lebensversicherung sehen die Aktuare im Zinstief weiteren Handlungsbedarf. Sie fordern, dass die Zinszusatzreserve (ZZR) künftig anders berechnet werden soll. “Das Tempo des Aufbaus ist viel zu hoch”, sagte DAV-Vorstandsmitglied Johannes Lörper. Der Referenzzins, der die Grundlage für die Berechnung bilde, liege zurzeit zwar noch bei rund 2,5 %, werde aber ohne Änderung 2018 unter 2 % und drei Jahre darauf unter 1 % sinken.Die Ratingagentur Assekurata prognostiziert, dass bei heutiger Berechnungsmethodik die ZZR auf 225 Mrd. Euro im Jahr 2025 anwachsen wird. Die Lebensversicherer in Deutschland verwalten Assets im Volumen von 950 Mrd. Euro. Eine zu konservative Bewertung könne auch Schaden anrichten, argumentieren die Aktuare, die grundsätzlich aber vom Instrument der ZZR überzeugt sind.