Alle Banken bekommen Risikoträger

Neue Vergütungsregeln weiten Pflicht zur Identifikation aus - BaFin-Entwurf ruft geteiltes Echo hervor

Alle Banken bekommen Risikoträger

Neue Vergütungsregeln der deutschen Finanzaufsicht weiten die Verpflichtung zur Identifikation von Beschäftigten, die das Risikoprofil einer Bank maßgeblich beeinflussen, auf grundsätzlich alle Banken aus. Zwar wird der Zusatzaufwand begrenzt. Dennoch kommt auf die Branche Arbeit zu.Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie Spezies des Risikoträgers, bisher vor allem in Großbanken anzutreffen, hält auf breiter Front Einzug in Deutschlands Kreditinstitute: Eine geplante Änderung der Vergütungsregeln durch die deutsche Finanzaufsicht sieht vor, dass künftig alle gemäß EU-Eigenkapitalverordnung als Kreditinstitut definierten Häuser festlegen müssen, welche Beschäftigten in Geschäftsleitung bzw. Aufsichtsgremium sowie in der nachgelagerten Führung mit ihrer Tätigkeit maßgeblichen Einfluss auf das Risikoprofil des Instituts ausüben und damit als Risikoträger zu definieren sind. Deren Vergütungen müssen sie offenlegen. Erfasst von der Regel sind auch alle Beschäftigten mit einer Gesamtvergütung von mindestens 500 000 Euro. Bislang müssen Häuser erst ab einer Bilanzsumme von 15 Mrd. Euro Risikoträger identifizieren.Einen Entwurf für entsprechende Änderungen ihrer Institutsvergütungsverordnung hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) dieser Tage zur Konsultation gestellt. Mit der Novelle setzen die Aufseher Vorgaben der EU-Eigenmittelverordnung CRR II sowie der Eigenkapitalrichtlinie CRD im Zuge des EU-Risikoreduktionspakets um. Kommentare nimmt die Behörde bis 4. Dezember entgegen. Anzuwenden sein dürfte die Neuregelung schon ab 2021.Die Einschätzungen von Vergütungsberatern zur Tragweite der Änderungen gehen auseinander. So macht HKP nur “moderate Änderungen” aus: Der deutsche Gesetzgeber habe “das Proportionalitätsgesetz beibehalten und die Besonderheiten des hiesigen Marktes berücksichtigt, musste jedoch einigen auf EU-Ebene zu vereinheitlichenden Regelungen nachkommen”, erklärt Partnerin Isabel Jahn. HKP weist darauf hin, dass die sogenannten nicht bedeutenden Institute, also die Häuser mit einer Bilanzsumme von weniger als 15 Mrd. Euro, für ihre Risikoträger “nach wie vor nicht die strengen Anforderungen an die Vergütungsgestaltung für bedeutende Institute”, jene mit höheren Bilanzsummen, umsetzen müssen.Bundesweit gelten rund 60 Institute als bedeutend im Sinne der Institutsvergütungsverordnung. Zu den besonderen Anforderungen an diese zählen eine Vereinbarung und Messung von Zielen für Risikoträger, ein Aufschub der Vergütung, die Zahlung in Aktien oder ähnliche Beteiligungen sowie die Möglichkeit, Boni im Nachhinein zurückzufordern (Clawbacks).Werner Klein, Gründer und Inhaber von Compgovernance, moniert dagegen, ein wesentliches Ziel des EU-Gesetzgebers sei die Stärkung der Proportionalität gewesen. Kleine, nicht komplexe Instituten sollten demnach deutliche administrative Erleichterungen erhalten. Mit Blick auf einzelne Institutsgruppen wie Förderbanken oder Leasing- und Factoringinstitute sei dies in der Tat der Fall: “Dem stehen jedoch umfangreiche neue Belastungen für den Rest der Branche gegenüber.”Der Berater weist etwa darauf hin, dass auch Institute, die nur Aktiva zwischen 5 Mrd. und 15 Mrd. Euro auf sich vereinen, die Vergütungsanforderungen für bedeutende Häuser erfüllen müssen, und zwar, wenn sie etwa umfangreiche Aktivitäten im Handelsbuch betreiben oder einen hohen Bestand an Derivatepositionen aufweisen. Dasselbe gilt für übergeordnete Häuser, die keine Kreditinstitute gemäß CRR sind, aber eine Bilanzsumme von über 30 Mrd. Euro aufweisen. Ebenso ergeht es Kapitalverwaltungsgesellschaften und Wertpapierdienstleistern innerhalb einer Gruppe – diese dürften sich HKP zufolge allerdings recht schnell umstellen, da dort “in der Regel” bereits in der Vergangenheit Risikoträger im Gruppenkontext ermittelt worden sind.Zwar räumt die Verordnung dieser Gruppe von nicht bedeutenden Häusern auch Erleichterungen ein, wie Compgovernance-Manager Klein anmerkt. Diese aber dürften “die Umstellungen für die betroffenen Institute kaum leichter verdaulich machen”, prognostiziert er. Für all diese Institute brächten die neuen Anforderungen zudem eine Offenlegungspflicht zu den Vergütungssystemen mit sich. Das bedeutet mindestens eine Darstellung des Gesamtbetrags aller Vergütungen, getrennt nach fixem und variablem Entgelt, sowie der Zahl der Boni-Empfänger.Zudem verlängert sich der Zeitraum, für die Banken variable Vergütungen von Risikoträgern aufschieben müssen, von mindestens drei auf mindestens vier Jahre. “Damit sind die individual- und kollektivrechtlichen Vergütungsregelungen für etwa 80 bis 90 % aller Risk Taker neu zu verhandeln”, stellt Klein fest. Die Veränderung der Aufschub-Bedingungen für die variable Vergütung der Risikoträger werde “die Betroffenen nicht erfreuen”, meint auch HKP-Senior-Partnerin Petra Knab-Hägele. Equal Pay kommtNicht zuletzt sieht der Entwurf der Verordnung auch vor, dass die Vergütungssysteme aller Institute künftig geschlechtsneutral sein müssen und Benachteiligungen ausgeschlossen sind. Klein: “Equal Pay wird damit für alle Banken zu einem aufsichtsrechtlich vorgegebenen Muss. Als Teil der langen Liste an aufsichtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme wird die Einhaltung künftig auch Gegenstand der Überwachungs- und Prüfungsagenda der diversen Beteiligten in der Vergütungsgovernance.” “Die vorgeschlagenen Änderungen sind zwar nicht bahnbrechend”, resümiert HKP-Managerin Knab-Hägele, “für einige kleinere Institute sowie im Konzernkontext – beispielsweise für Assetmanager – ergibt sich aber dennoch erheblicher Anpassungsbedarf.”