Allianz hofft auf "Renaissance des Wertpapiersparens"

Anleger greifen weltweit wieder zu Aktien und Fonds - Chefvolkswirt Heise sieht Wende auch in Deutschland - Allerdings wirft Börsenunruhe Schatten voraus

Allianz hofft auf "Renaissance des Wertpapiersparens"

Das Geldvermögen der deutschen Sparer ist im Vergleich zu anderen Industrienationen gering und wächst moderat – nicht zuletzt, weil die Aktie hierzulande eine geringe Verbreitung hat. Die Allianz sieht nun Zeichen eines Wandels, warnt zugleich aber vor einem Abflauen des Interesses. jsc Frankfurt – Wertpapiere sind in der Gunst der Sparer im vergangenen Jahr rund um den Globus deutlich gestiegen: Insgesamt 349 Mrd. Euro, rund ein Fünftel der neu angelegten Mittel, entfielen 2017 in den Industrieländern unterm Strich auf Aktien, Anleihen und Fonds, berichtet der Versicherer Allianz in der neunten Auflage des “Global Wealth Reports”. Dies ist der höchste Wert seit der Finanzkrise und eine Trendumkehr zum Vorjahr, als netto 192 Mrd. Euro abflossen – die Autoren sprechen bereits von einer “Renaissance des Wertpapiersparens”. Steigende Börsenkurse haben zu einem Umdenken auch in Deutschland geführt, wie Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise am Mittwoch in Frankfurt erklärte. “Da sagen viele: Wir hätten dabei sein müssen, da gehen wir rein.”Allerdings distanzierte sich der Fachmann zugleich von einer allzu optimistischen Haltung: Ein Kurseinbruch an den Börsen könne die erzielte “vorsichtige Wende” wieder zerstören, sagte er. Er glaube jedoch, dass die Aktienkurse nicht einbrechen. Dafür spreche etwa die Bewertung an den Börsen, die in Europa trotz der Zuwächse “keineswegs abenteuerlich” sei. Die diesjährigen Turbulenzen an den Kapitalmärkten prägten aber bereits die Entwicklung im laufenden Jahr. Während die weltweiten Geldvermögen vor Abzug der Schulden 2017 global um 7,7 % auf 168,3 Bill. Euro zugelegt haben, ergebe sich für das laufende Jahr ein Zuwachs von 2,9 %, wenn die bisherige Entwicklung fortgeschrieben werde. Eine “Post-Krisen-Ära”, in der sich die Kurse stetig und weitgehend schwankungsfrei aufwärts entwickelt haben, gehe zu Ende.Die Verbreitung von Wertpapieren ist von Land zu Land sehr unterschiedlich – aus kulturellen wie aus institutionellen Gründen, wie er sagte. Die frühere steuerliche Begünstigung von Lebensversicherungen in Deutschland präge das Bild noch heute, zugleich sei der deutsche Sparer “sehr sicherheitsbewusst”. In den Niederlanden und in Großbritannien fällt der Anteil der Wertpapiere nach Darstellung der Allianz aufgrund der starken Rolle von Pensionsfonds vergleichsweise niedrig aus, während in Japan die junge Generation wegen einer früher schwachen Entwicklung der heimischen Börsen von Aktien die Finger lässt. Nicht immer belegt ein hoher Anteil an Wertpapieren derweil eine Aktienkultur, denn auch die Staatsverschuldung prägt mit einem Anleihebestand demnach die Statistik, etwa in Italien. Neben Wertpapieren hat die Allianz auch Bargeld und Bankeinlagen sowie die Mittel von Versicherungen und Pensionsfonds gezählt sowie weitere Posten. Immobilien und Rentenzusagen ohne Kapitaldeckung wurden nicht erfasst. USA “zerstören” GrundlagenZur Entwicklung der global äußerst ungleichen Verteilung zieht die Allianz ein gemischtes Fazit: In einigen Ländern hat die Ungleichheit sowohl seit der Jahrtausendwende als auch seit der Finanzkrise zugenommen, etwa in Frankreich, Spanien, Australien und Neuseeland. Besonders stark zeigt sich der Trend in den USA. Die amerikanische Wirtschaft profitiere von der Globalisierung insbesondere in Form von Unternehmensgewinnen, woraus gerade Anleger Nutzen zögen, die ohnehin schon wohlhabend seien, sagte Arne Holzhausen, Leiter Insurance & Wealth Markets. Doch anstatt die Umverteilung als innenpolitisches Problem zu betrachten, suche die Politik der USA im Ausland nach Schuldigen, wie er offenbar in Anspielung auf die Zoll-Konflikte festhielt. “Das führt natürlich auf Dauer dazu, dass sie die Grundlagen ihres eigenen Reichtums untergraben, und letztlich damit zerstören.”In Lateinamerika hat eine hohe Ungleichheit spürbar nachgelassen, in Europa sind die Veränderungen insgesamt moderat. In Deutschland hat die Diskrepanz auf lange Sicht leicht zugelegt und seit der Finanzkrise geringfügig nachgegeben. Die Autoren haben zur Messung der Ungleichheit zwei Werte miteinander verglichen: zum einen das durchschnittliche Vermögen pro Kopf, zum anderen den Median, also das Vermögen eines Sparers, der genau im Mittelfeld liegt und mehr besitzt als die Bürger der einen Bevölkerungshälfte, aber weniger als die Menschen aus der anderen Hälfte. Während das durchschnittliche Geldvermögen in den USA nach Abzug von Schulden bei hohen 168 600 Euro pro Kopf liegt, steht der Median bei 24 700 Euro – ein Zeichen von Ungleichheit.Zum Vergleich: In Deutschland haben die Bürger mit durchschnittlich 52 400 Euro deutlich weniger Geldvermögen und mit einem Medianwert von 15 200 Euro ist auch hierzulande die Ungleichheit eher hoch. In etlichen anderen Ländern ist das durchschnittliche Pro-Kopf-Vermögen höher, etwa in Schweden (98 400 Euro), Japan (92 000 Euro), Frankreich (59 100 Euro) und Italien (58 600 Euro). Auch die Medianwerte liegen hier über dem deutschen Wert. Die Schweiz bietet derweil das beste aus zwei Welten: Mit einem durchschnittlichen Geldvermögen von 174 000 Euro pro Kopf liegt das Land weltweit an der Spitze, mit einem Medianwert von 87 800 Euro ist die statistische Ungleichheit relativ moderat.Die Verschuldung der privaten Haushalte stieg 2017 mit 6,0 % etwas langsamer als die Geldvermögen und erreichte 39,8 Bill. Euro. Das Niveau ist laut Allianz meist verkraftbar. In Thailand und Malaysia ist die Verschuldung im Verhältnis zum Geldvermögen mit 84 % und 79 % aber besonders hoch, in China ist sie binnen fünf Jahren um 19 Prozentpunkte auf 49 % gestiegen. Werden die Schulden ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gesetzt, erscheint die Lage in Australien, Norwegen, Kanada, Südkorea und in der Schweiz “problematisch”, so die Allianz.