LEITARTIKEL

Als die Gier die Dummheit traf

Für alle, die etwas mit ihrem Geld unternehmen wollen", bietet die IKB Deutsche Industriebank auf ihrer Homepage aktuell 0,5 % per annum auf zweijähriges Festgeld. Einen Hinweis auf ein anstehendes "Jubiläum" oder Informationen zur jüngeren...

Als die Gier die Dummheit traf

Für alle, die etwas mit ihrem Geld unternehmen wollen”, bietet die IKB Deutsche Industriebank auf ihrer Homepage aktuell 0,5 % per annum auf zweijähriges Festgeld. Einen Hinweis auf ein anstehendes “Jubiläum” oder Informationen zur jüngeren Unternehmensgeschichte der 100-prozentigen Tochter des US-Finanzinvestors Lone Star findet man dort indes nicht. Wäre wohl auch etwas viel verlangt. Die Düsseldorfer, die sich vor zehn Jahren wenig ruhmvolle Titulierungen wie “Zockerbude” oder “Skandalbank” im wahrsten Sinne des Wortes einhandelten, hatten ja auch nur das “Pech”, Vorreiter einer Equipe zu sein, deren namhafte weitere Mitglieder alsbald zu ähnlich trauriger Berühmtheit gelangten.Mit ihrem Geld respektive dem ihrer Gläubiger und Eigentümer, darunter seinerzeit die Förderbank KfW mit einem Anteil von 38 %, hatte die IKB bis zum Juli 2007 etwas unternommen, das wenig mit Bank und umso mehr mit Spielbank zu tun hatte. “Subprime”, angeblich immerhin zweitklassige Hypothekenkredite, war die Chiffre für die hochriskanten Finanzwetten und die aus ihnen resultierenden Verwerfungen an den Kapitalmärkten, die seit einigen Monaten in den USA für Aufsehen sorgten. Aber New Century Financial, Countrywide und wie sie alle hießen – war das nicht weit weg? Und hatte nicht die IKB alle kursierenden Gerüchte über eine Bredouille aufgrund der “Unsicherheiten im US-Hypothekenmarkt” geradezu mit Abscheu und Empörung von sich gewiesen (“in keinerlei Hinsicht betroffen”)? Am 30. Juli 2007 war es dann soweit: Die Finanzkrise kam unübersehbar in Deutschland an. Ihr erstes Opfer – und natürlich Mittäter zugleich – war die IKB, die nach Kräften im globalen Finanzkasino mitgezockt hatte. Die Welt blickte in einen Abgrund. 1931 schien nah.In der ersten Rettungsrunde, auf die weitere folgen sollten, mussten bei der IKB und ihrem neben der Bilanz geführten Vehikel “Rhineland Funding” drohende Verluste von 3,5 Mrd. Euro abgeschirmt und eine Kreditlinie von mehr als 8 Mrd. Euro zur Liquiditätssicherung bereitgestellt werden. Die gesamte Kreditwirtschaft beteiligte sich an der Abwendung des Bankrotts, der unkalkulierbare Folgen gehabt hätte – schon dieser überschaubare Mittelstandsfinanzierer war also “too big to fail” -, doch als Lender of last Resort wurde der Hauptaktionär KfW auserkoren. Ein Desaster auch für die von Bund und Ländern getragene Förderbank selbst, das noch wenige Tage zuvor die Vorstellungskraft ihrer damaligen Chefin Ingrid Matthäus-Maier überstieg, wie sie sagte. Wie so vieles, was auf den nächsten Eskalationsstufen vor allem 2008/09 – Lehman, Hypo Real Estate, die eine oder andere Landesbank, Commerzbank/Dresdner et alii – passierte, in keiner Powerpoint-Präsentation vorkam, die die klugen Strategen und Risikomanager in den Banktürmen oder ihre Berater entworfen hatten.So ist das eben, wenn Gier auf Dummheit trifft und die Akteure in einem kollektiven Versagen den Selbstzerstörungsmechanismus des Finanzsystems in Gang setzen. Nebenbei: “Die Gier muss gestoppt werden. Man kann nicht mit fremder Leute Geld große Spielkasinos betreiben”, meinte genau ein Jahr nach der Mega-Schieflage der IKB kein Geringerer als Matthias Graf von Krockow, damals Chef des Bankhauses Sal. Oppenheim. Die Verhältnisse müssten viel solider werden. Der Mann wusste offenbar, wovon er sprach.Ist zehn Jahre “nach IKB” eine Wiederholung ausgeschlossen? Sätze wie “Das schließe ich aus” oder “Das kann ich mir nicht vorstellen” sollte man im Zuge der längst mit der Staatsschuldenkrise vereinten Finanzkrise aus seinem Vokabular gestrichen haben. Das Kasino von damals mag dank deutlich verschärfter Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen sowie der historisch beispiellosen, in Teilen aber die Adressaten überfordernden und insoweit eher kontraproduktiven Regulierungswucht geschlossen sein. Aber die Krise ist ja mitnichten vorbei. Man schaue sich nur die Bilanzen mancher Zombiebanken und die penetranten Schuldenexzesse etlicher Länder an und nehme die immer noch fast alltäglichen Berichte über die finanzielle, juristische und politische Aufarbeitung der Krise zur Kenntnis. “Wir sind nach wie vor in der Auflösung der Krise”, sagte Axel Weber, Bundesbankpräsident bei Ausbruch der Finanz- wie der Schuldenkrise, dieser Tage. Gegen eine Krise wie die 2007 hochgekochte sei man inzwischen gut gewappnet, meinte der heutige Verwaltungsratspräsident der UBS, der nach dem IKB-Debakel vor zehn Jahren mit dem Hinweis auf “Probleme institutsspezifischer Natur” zu beschwichtigen versucht hatte. Nur weiß leider niemand, wo das Pulverfass steht, das als nächstes explodieren wird.——–Von Bernd WittkowskiVor zehn Jahren kam die Finanzkrise in Deutschland an. Das Kasino von damals mag geschlossen sein. Doch die vereinte Finanz- und Schuldenkrise dauert an.——-