Alternative Immobilienfinanzierung auf dem Vormarsch
Im Gespräch: Andrew Radkiewicz
Alternative Kreditgeber auf dem Vormarsch
PGIM-Private-Debt-Chef erwartet in Europa weniger Finanzierungen durch Banken
Von Thomas List, Frankfurt
Gewerbliche Immobilienkredite dürften in den kommenden Jahren verstärkt von alternativen Kreditgebern und weniger von Banken vergeben werden. Diese Ansicht vertritt Andrew Radkiewicz, Managing Director von PGIM Real Estate in London und dort Global Head of Private Debt Strategy and Investor Solutions, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Angelsächsisches Vorbild
Alternative Kreditgeber sind vor allem Versicherer, Pensionsfonds und Debt Funds wie PGIM, Apollo und Blackstone. Radkiewicz sieht die USA als Vorbild. Dort werde nur etwa die Hälfte des Immobilienkreditvolumens durch Banken vergeben. „In Europa sind es etwa 85%.“
Auch das Vereinigte Königreich zeige die Richtung an: „In Großbritannien stammten in den vergangenen zwei Jahren etwa 40% der Immobilienkredite aus diesen alternativen Quellen.“ In Europa könnten Nichtbanken 30 bis 35% des gesamten Fremdfinanzierungsvolumens im Immobilienbereich übernehmen, so Radkiewicz’ Prognose.
Regulierung und knappe Liquidität als Treiber
Befeuert wird dieser Trend insbesondere in Zeiten knapper Liquidität und angespannter Märkte. Aber auch die immer stärkere Regulierung der Banken nach der Finanzmarktkrise trage dazu bei, sagt Radkiewicz. So müssten Immobilienkredite nach Basel III stärker mit Eigenmitteln unterlegt werden.
„Banken brauchen heute ein geringeres Immobilien- und Kreditrisiko. Dagegen wurde es für Versicherer nach Solvency II günstiger, Immobilienkredite zu vergeben – zumindest, wenn sie geringe Risiken aufweisen“, erläutert Radkiewicz. Entsprechend haben Versicherer in den vergangenen Jahren mehr Immobilienkredite vergeben, Banken dagegen weniger.
Veränderte Lebens- und Arbeitsbedingungen
Die Strukturveränderungen in der Immobilienfinanzierungen hängen auch eng mit den Veränderungen unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen infolge der Covid- und Klimakrise zusammen. Nach vielen Jahren mit Niedrigstzinsen, die zu niedrigen Kreditkosten und Renditen geführt hatten, ließ der schnelle Zinsanstieg seit Mitte 2022 die Kapitalwerte von Immobilien sinken.
Ein 20-prozentiger Rückgang im Durchschnitt aller Märkte in sehr kurzer Zeit ist für Radkiewicz realistisch – und lässt das Kreditrisiko gerade für die streng regulierten Banken steigen. „Der Beleihungsauslauf (Loan-to-Value, LTV) dürfte von etwa 60% auf etwa 80% gestiegen sein.“
Folgen für das Rechnungswesen
Das hat für Banken nicht nur Auswirkungen bei der Eigenmittelunterlegung, sondern auch im Rechnungswesen. „Nach IFRS 9 muss bei steigendem Risiko Vorsorge für den gesamten Rest der Kreditlaufzeit gebildet werden“, unterstreicht Radkiewicz.
Im internationalen Rechnungslegungsstandard IFRS 9 geht es um die Bilanzierung und Bewertung finanzieller Vermögenswerte. Die Notwendigkeit, mehr Eigenmittel bereitzustellen und eine höhere Risikovorsorge zu bilden, sind für Radkiewicz nachvollziehbare Gründe für Banken, sich bei der Neuvergabe von Krediten zurückzuhalten.
Büros besonders betroffen
Besonders stark hat es den Bürosektor getroffen. Radkiewicz: „Die veränderten Arbeitsbedingungen – Stichwort Homeoffice – und der Trend zur Nachhaltigkeit haben manchen Bürogebäuden sogar Wertverluste von 30% bis 50% beschert – innerhalb eines Jahres!“
Radkiewicz hat beobachtet, dass Mieter älterer Gebäude, die nicht nachhaltig und nicht für die neue Arbeitswelt gerüstet sind, schnell bereit sind, in moderne und energieeffiziente Gebäude umzuziehen, auch wenn die Miete höher ist. „Älter sind solche Gebäude schon, wenn sie vor fünf Jahren gebaut wurden.“ Diese Objekte bereiteten den Banken Probleme.
Nichtbanken seien bereit, mehr Risiken übernehmen, etwa um aus „braunen“ Gebäuden „grüne“ zu machen. „Mieter und Investoren wollen solche ‚grünen‘ Gebäude“, sagt Radkiewicz.
Versicherer würden weiterhin risikoarme Senior-Kredite mit 60 bis 65% LTV vergeben, um ihre Fixed-Income-lastigen Kapitalanlagen zu diversifizieren. „Diese Kredite sind weniger volatil, werfen aber trotzdem etwas mehr als Festverzinsliche ab.“
Debt Funds finanzieren gerne Projektentwicklungen
Debt Funds, die in erster Linie von Pensions- und Staatsfonds aufgelegt werden (nur von wenigen Versicherern), finanzierten gerne Refurbishments und Projektentwicklungen. „Dabei entstehen die Risiken zu Beginn der Vorhaben. Sind sie erst durchgeführt und die Gebäude ‚grün‘ geworden, ist es nicht mehr schwer, neue Mieter oder Eigentümer zu finden“, sagt Radkiewicz.
Schwerpunkt auf andere Nutzungsarten
Banken und Versicherer würden dagegen in erster Linie Kredite für Nutzungsarten vergeben, die in den kommenden Jahren voraussichtlich nicht an Wert verlieren werden. Dazu gehörten vor allem Logistik- und Wohnimmobilien.
Tochter von Prudential Financial
PGIM ist der Vermögensverwalter von Prudential Financial, einer amerikanischen Lebensversicherungsgesellschaft. Nach den Angaben auf der Homepage verwaltet das Unternehmen Assets im Wert von 1,29 Bill. Dollar, davon 210 Mrd. Dollar im Immobilienbereich. Von letzterem folgen wiederum 38% Fremdkapitalstrategien.
Die gewerbliche Immobilienfinanzierung wird sich in Zukunft verstärkt aus alternativen Quellen speisen. Denn die bisher dominierenden Banken sehen sich immer strengeren Anforderungen sowohl der Aufsicht als auch der Rechnungslegung gegenüber. Debt Funds finanzieren gerne Refurbishments und Projekte.