Alternative Investments auf Rekordkurs
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Die Corona-Pandemie hat den Boom alternativer Assets keineswegs gebremst, sondern eher noch befeuert als gehemmt: In Europa haben entsprechend ausgerichtete Fonds das Volumen der von ihnen verwalteten Mittel im vergangenen Jahr um 13% auf 2,06 Bill. Euro gesteigert. Derzeit sind sie auf dem besten Weg, 2021 zu einem Rekordjahr für die Mittelbeschaffung zu machen, wie der „2021 Alternative Assets in Europe“ von Amundi und Prequin zeigt.
„Ich glaube, wenn uns jemand am Ende des zweiten Quartals des vergangenen Jahres gesagt hatte, dass wir zum Jahresende auf diesem Niveau liegen würden, wären wir alle froh gewesen“, sagt Dave Lowery, Head of Research Insights bei dem auf Daten zu alternativen Assets spezialisierten Dienstleister Preqin: „Nun ernten die Anleger im alternativen Sektor den Lohn dafür, dass sie frühzeitig eine langfristige Perspektive eingenommen haben.“ Jegliche Zurückhaltung, die Investoren verspürt haben mochten, als der Ausbruch der Pandemie im März 2020 großzügige Liquiditätshilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie beispiellose Unterstützungsprogramme der Staaten erforderlich gemacht hatten, war rasch verflogen.
Kein Halten mehr
Im ersten Halbjahr nun gab es kein Halten mehr, wie der Bericht zeigt. In den ersten sechs Monaten betrug das europaweite Transaktionsvolumen mit 216 Mrd. Euro bereits 83% des Umfangs im gesamten Vorjahr. Zugleich haben die in Europa ansässigen Fondsmanager 159 Mrd. Euro an Kapital eingeworben, womit sich im Sektor ein Rekordjahr auch in Sachen Neumittelzufluss abzeichnet.
„Über weite Strecken des vergangenen und laufenden Jahres haben sich reale Vermögenswerte recht stark entwickelt“, erklärt Dominique Carrel-Billiard, Global Head von Amundi Real Assets: „Dies bestärkt uns in der Sichtweise, dass Anleger ihr Exposure in diesem Sektor erhöhen sollten. Dies werden sie auch tun, weil sie dort die Aussicht auf eine stärkere Performance haben, einen weitgehenden Schutz gegenüber Inflation genießen und zudem von der Aussicht angezogen werden, dort im Sinne der Nachhaltigkeit größeren Einfluss ausüben zu können. Diese Trends haben sich eindeutig etabliert.“
Nachdem sich der Megatrend hin zu mehr Nachhaltigkeit machtvoll Bahn gebrochen hat, scheint der Himmel für Manager alternativer Assets, von gelegentlich geäußerten Befürchtungen einer Blasenbildung einmal abgesehen, voller Geigen zu hängen. Denn zum einen eröffnen sich damit neue Geschäftschancen zuhauf. Und zum anderen ergeben sich, je stärker Deutschlands Finanzaufsicht zumindest bundesweit ansässige Fondsanbieter mit ESG-Anforderungen an die Kandare nimmt, Arbitragemöglichkeiten für Wettbewerber aus dem EU-Ausland, zumindest, so lange entsprechende Regelwerke Brüssels auf sich warten lassen. Zudem gilt: Das größte Zentrum Europas fürs Management alternativer Anlagen ist immer noch Großbritannien – seitdem sich die Wähler dort 2016 für einen Austritt aus der EU entschieden haben, hat Luxemburg die Insel gleichwohl als beliebtestes Domizil für europäische Private-Equity-Wagniskapitalfonds abgelöst. Jegliche Anforderungen etwa an ESG-Datenhaushalte dürften zudem den Trend zur Größe fördern, da kleinere Anbieter den damit verbundenen Kostenanstieg weniger gut meistern dürften als Dickschiffe, selbst wenn Datenanbieter und ESG-Ratingagenturen ihre Preise nach Größe der Kunden staffeln sollen.
EZB stützt die Nachfrage
Carrel-Billiard nennt noch einen weiteren Grund, warum der ESG-Megatrend das Wachstum der alternativen Anlagen abseits öffentlicher Märkte befeuern sollte: Wer sich abseits der Börse an einem Unternehmen beteiligt, kann viel direkter beeinflussen, wie diese Gesellschaft etwa ihre Lieferkette strukturiert. Auch könnten alternative Anlagen die Energiewende direkt beeinflussen, insbesondere durch die Finanzierung grüner Infrastruktur, argumentiert er und spricht bereits von realen Vermögenswerten als den „echten ‚Gewinnern‘ der Post-Covid-Welt“. Und dann ist da ja noch die EZB, die mit ihren Käufen von Anleihen die Investoren aus dem Sekundärmarkt und in alternative Anlagen treibt. Amundi-Manager Carrel-Billiard erkennt keinen Grund, warum die Nachfrage abebben sollte: „Zwar hat sich der Spread zwischen Public Debt und Private Debt etwas reduziert. Mit 100 bis 125 Basispunkten ist er aber nach wie vor groß genug, um die Nachfrage zu unterstützen.“
Am meisten Geld entfällt europaweit gleichwohl auf Private-Equity-Venture-Capital-Fonds. Mit einem Volumen von 866 Mrd. Euro stellen sie weiterhin die größte alternative Assetklasse. Hedgefonds kommen unterdessen auf 563 Mrd. Euro, im Falle von Private-Debt-Fonds waren es Ende 2020 nur 183 Mrd. Euro, wie die Daten von Pequin zeigen. Die Fondsmanager in Europa seien dabei global führend, was ESG angehe, heißt es im Bericht von Amundi und Preqin. Den Angaben zufolge unterliegen vier Fünftel der europaweit verwalteten alternativen Anlagen entsprechenden Verpflichtungen; in Nordamerika seien es gerade einmal 47%, in Asien 24%, heißt es. Anlagemöglichkeiten winkten zudem mit der EU-Agenda der Dekarbonisierung, etwa in der Infrastruktur, wo die Zahl der Transaktionen im Feld der erneuerbaren Energien 2021 zum sechsten Mal in Folge die Zahl von 600 übertreffen dürfte.
Für Investitionen in deutsche Infrastruktur wurde bundesweit im ersten Halbjahr mit 4,8 Mrd. Euro bereits ebenso viel eingesammelt wie im gesamten Jahr 2020 und zugleich mehr als für keine andere Alternative-Assets-Strategie, wie es heißt. Zugleich deuteten die 8,1 Mrd. Euro, welche bundesweit ansässige Fonds von Januar bis Juni eingesammelt hätten, darauf hin, dass der Rekordwert von 15 Mrd. Euro im vergangenen Jahr 2021 überboten werden dürfte. Ende Juli hielten Beteiligungsgesellschaften hierzulande 6,2 Mrd. Euro für Anlagen bereit. Das waren 1,6 Mrd. mehr als Ende 2020 – und abermals ein Rekord.
Wertberichtigt Seite 6