KOMMENTAR

Am längeren Hebel

Im jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs geht es eigentlich um slowenische Banken. Vor Augen haben aber die meisten, die sich mit dem Spruch befassen, die italienischen Banken. Wenig überraschend, dass EU-Kommissarin Margrethe Vestager...

Am längeren Hebel

Im jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs geht es eigentlich um slowenische Banken. Vor Augen haben aber die meisten, die sich mit dem Spruch befassen, die italienischen Banken. Wenig überraschend, dass EU-Kommissarin Margrethe Vestager gestern ausschließlich von italienischen Journalisten zur Entscheidung befragt wurde. Und kein Wunder, dass die Aktienkurse italienischer Geldhäuser besonders heftig auf die Entscheidung des EU-Gerichts reagierten – und noch tiefer sackten.Zwar enthält das Urteil einige Feststellungen, die die Position der nationalen Regierungen zu stärken scheinen. So betonen die Richter, dass die in Rede stehende “Mitteilung” der EU-Kommission, in der die Genehmigung von Staatsbeihilfen für Banken an die Beteiligung von Aktionären und Gläubigern an den finanziellen Lasten gekoppelt wird, den Nationalstaaten jede Menge Spielraum lasse. Niemand verbiete ihnen, staatliche Garantien oder Finanzspritzen zu gewähren, ohne sich dabei an die “Mitteilung” und deren Kriterien zu halten – sondern einfach darauf zu hoffen, dass die EU-Kommission die Ausnahmeklausel akzeptiert und solche Hilfen durchwinkt.Aber: Zugleich warnen die Richter, dass die EU-Kommission bei derlei Hilfen selbstverständlich die Genehmigung vorenthalten kann. Das Risiko liege bei den Staaten, die Banken beispringen. Und natürlich bei ebenjenen Geldhäusern, die sich helfen lassen. Wenn es also schlecht läuft, wird die Rückzahlung angeordnet. Das dürfte in den meisten Fällen das Ende dieser Institute bedeuten. Kurzum: Brüssel sitzt letztlich am längeren Hebel.Auf den italienischen Fall übertragen heißt die Botschaft: Selbstverständlich kann niemand Matteo Renzi verbieten, Monte Paschi & Co. mit milliardenschweren Beträgen den Rücken zu stärken. Wenn er jedoch alles das ignoriert, was die EU-Fachbeamten in den laufenden Verhandlungen an Lastenbeteiligung von Aktionären und Gläubigern fordern, ist er ein Hasardeur. Denn die EU-Kommission kann dann nicht nur die Beihilfen ablehnen. Sie muss es tun. Schließlich ist die Sache längst zum Politikum geworden, die von allen Seiten intensiv beäugt wird. Heimlich durchwinken geht nicht mehr. Falls die EU-Behörde ein oder gar zwei Augen zudrückt, verspielt sie ihre Glaubwürdigkeit – und das weiß sie.