8. INVESTMENTFONDSTAGE DER BÖRSEN-ZEITUNG

Anbietern drohen neue Haftungsrisiken in der Finanzberatung

Nachhaltigkeit muss über Produktlebenszeit erhalten bleiben - Kölsch: Wir versuchen, ein System von Qualitätslabels zu entwickeln

Anbietern drohen neue Haftungsrisiken in der Finanzberatung

tl Frankfurt – In Zukunft müssen Kunden im Beratungsgespräch zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragt werden, wie eine EU-Vorgabe vorsieht. Bis zur Umsetzung wird zwar voraussichtlich noch mehr als ein Jahr vergehen – ein entsprechendes Angebot ist aber vorhanden. “Von den etwa 12 000 Fonds hierzulande werden 900 den ESG-Kriterien – Environmental, Social and Governance – gerecht”, sagte André Härtel von Scope Analysis in einer Podiumsdiskussion auf den 8. Investmentfondstagen der Börsen-Zeitung am Donnerstag in Frankfurt. Es gebe aber Probleme mit der Übersichtlichkeit und Qualität: “Außerdem fehlt vielen Fonds der Track Record.”Karsten Güttler von UBS Asset Management sieht einen Engpass bei Beratern. “Die zentrale Herausforderung ist, die Berater à jour zu bringen für eine sachgerechte Beratung. Dafür müssen sie geschult werden.” Die Anbieter seien gefordert, entsprechende Fonds etwa zu Wasser und Windkraft aufzulegen. In einem zweiten Schritt gelte es, das konventionelle Angebot, das manche Kunden weiterhin wollten, mit einem nachhaltigen Angebot in den gleichen Risikoklassen zu duplizieren.”Nachhaltigkeit ist ein ganzheitliches Konzept und muss in den gesamten Beratungsprozess integriert werden”, forderte Jan Armin Poser von der Bank J. Safra Sarasin. Allerdings warnte Dieter Krimphove, Professor für europäisches Wirtschaftsrecht an der Universität Paderborn, vor Haftungsproblemen. “Wer ein nachhaltiges Produkt verkauft, das während der Laufzeit seinen Zweck nicht mehr erfüllen kann, unterliegt der Sachmängelgewährleistung.” Diese Pflicht sei verschuldensunabhängig. Außerdem gelte für die ersten sechs Monate die Beweislastumkehr, das heißt, der Anbieter muss nachweisen, dass der Fonds weiterhin nachhaltig ist. “Mit einem Nachhaltigkeitssiegel lässt sich diese Haftung weder begrenzen noch ganz ausschließen”, sagte der Jurist weiter. Schützen könne sich der Anbieter, indem er sich vom Kunden im Beratungsprotokoll bestätigen lasse, dass er als Anbieter nicht alles prüfen könne. Ob diese Freizeichnung dann gerichtsfest ist, muss sich allerdings erst noch erweisen.”Wir versuchen, ein System von Qualitätslabels zu entwickeln”, erklärte Roland Kölsch von der Gesellschaft für Qualitätssicherung nachhaltiger Geldanlagen. Diese Gesellschaft vergibt auch das FNG-Siegel, das nach dem Forum Nachhaltige Geldanlagen benannt ist: “Der Berater wird solche Labels dankend annehmen.” Wie die Produktbewertung konkret ausfallen wird, ob mit Sternchen oder Ähnlichem, sei noch offen, so Kölsch. “Auf jeden Fall soll das Label für Produktklarheit und Produktwahrheit sorgen. Berater und Anleger sollen wissen, was mit Nachhaltigkeit im konkreten Fall gemeint ist.””Auf EU-Ebene wird ein Eco-Label entwickelt”, ergänzte Michael Schmidt von Lloyd Fonds. “Das wird aber noch dauern.” Schmidt war Mitglied der High Level Expert Group on Sustainable Finance der EU-Kommission und ist Mitglied des Sustainable-Finance-Beirats der Bundesregierung. Ein solches Label werde mehr Orientierung geben und zu einer Standardisierung des Angebots führen. Schmidt erinnerte daran, dass es nicht nur um einzelne Produkte gehe. Die gesamte Wertschöpfungskette müsse nachhaltig werden. “Es geht hier auch um Transition, also die Veränderung ganzer Industrien nach nachhaltigen Kriterien.” Letztlich sei es Ziel des im Vorjahr veröffentlichten EU-Aktionsplans, über die Regulierung der Finanzwirtschaft die Unternehmen zu einer Berichterstattung nach ESG-Kriterien zu veranlassen, sagte Poser. Dabei sei man auf gutem Weg.